Im Jahr 2003 bekam die Pinnebergerin Regina Spitzmann die Diagnose Brustkrebs . Wie die Krankheit ihr Leben veränderte.

Pinneberg. Im Sommer vor neun Jahren verlor Regina Spitzmann das Vertrauen in ihren Körper. Unbemerkt hatten sich zwei Tumore in ihrer Brust gebildet. Sie konnte sie nicht spüren. Nur eine kleine Delle, die sich in ihrer Haut abzeichnete, gab einen Hinweis auf ihre schwere Krankheit. Aber die Pinnebergerin dachte sich nichts dabei. Auch ihren Erschöpfungszustand schob sie auf die viele Arbeit. Dass bereits seit Monaten ein Kampf mit den Krebszellen in ihrem Körper tobte, erfuhr sie erst während der Vorsorgeuntersuchung durch die Frauenärztin. Die Medizinerin tastete routinemäßig die Brust ab. "Hatten Sie das schon immer?", wollte die Ärztin von Spitzmann wissen, als sie die besagte Delle entdeckte, die irgendwann einfach aufgetaucht war. "Niemand in meiner Familie hatte Krebs. Ich habe mich vegetarisch ernährt, meine Kinder lange gestillt. Ich war immer schlank. Nichts sprach für diese Erkrankung. Ich dachte, ich bin auf der sicheren Seite", sagt die heute 53-Jährige.

Sie war alles andere als auf der sicheren Seite. Zwei Tumore in einer Brust, im Alter von damals 44 Jahren - die Prognosen der Ärzte waren schlecht. Aber Spitzmann hat es geschafft. Sie hat die Operation, die Chemotherapie und die schlimmen Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Haarausfall überstanden und gilt als gesund. Trotzdem hatte sie vor den Nachsorgeuntersuchungen jahrelang Angst, bis sie sich damit abfand. "Es hat lange gedauert, bis ich gemerkt habe, du kannst nichts daran ändern, wenn es wieder ausbricht. Ich muss jetzt leben."

Die Mutter dreier Kinder hat ihr Leben umgekrempelt. Die Psychotherapeutin gab ihre Praxis in Pinneberg auf. Heute betreut sie Krebspatienten in Hamburg. Zudem leitet sie seit 2009 eine Selbsthilfegruppe für an Brustkrebs erkrankte Frauen in Schenefeld. Durch ihre Arbeit weiß sie, dass viele diese Krankheit nicht überleben. Sie sah Patienten sterben, aber auch privat hat der Krebs sie wieder eingeholt. Spitzmanns beste Freundin ist auch unheilbar an Brustkrebs erkrankt. Sie liegt auf der Palliativ-Station. Die Pinnebergerin besucht sie, so oft sie kann.

Brustkrebs ist in der westlichen Welt die häufigste Todesursache bei Frauen zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr. Sie ist auch die häufigste Krebserkrankung. Jede achte bis zehnte Frau leidet im Laufe ihres Lebens daran. In Deutschland sind es etwa 72 000 Neuerkrankungen pro Jahr. Täglich sterben 50 Frauen bundesweit an Brustkrebs. In Gedenken an die Verstorbenen entzünden Betroffene und Angehörige auf dem Wedeler Markplatz am Roland am heutigen Freitag um 18 Uhr 50 Lichter. Mit der Lucia-Action wollen die Initiatoren darauf aufmerksam machen, dass viel über die Krankheit noch im Dunkeln liegt. Sie setzen sich unter anderem für systematische Studien und ein Krebsregister ein.

Regina Spitzmann wünscht sich eine bessere Aufklärung. Die meisten wüssten von den Knoten, die man erfühlen könnte. Aber wie das genau geht, und dass es auch andere Symptome gibt, wüssten die wenigsten. Spitzmann: "Ich habe die Delle und den Erschöpfungszustand nicht weiter beachtet, weil ich nicht genug über die Krankheit wusste." Zudem kritisiert sie die Nachsorgeuntersuchungen. "Die sind einfach lächerlich." Sie würde sich zur Beruhigung mehr Untersuchungen wünschen, die auch den Rücken oder den Bauchbereich abdecken. Denn so ganz traut sie ihrem Körper immer noch nicht.

Der Schock über die unerwartete Diagnose hat sie tief getroffen. Einen Monat lang verdaute sie die Nachricht. Dann erst konnte sie ins Krankenhaus gehen. Denn ihre Brust musste abgenommen werden. "Die Vorstellung, dass mir jemand die Brust nimmt, hat mich mit tiefem Grauen erfüllt. Aber im Nachhinein ist die Angst davor größer als die Realität", sagt die 53-Jährige. Wenn sie heute in den Spiegel blickt, dann sieht sie die Narbe als Mahnung, besser auf sich aufzupassen. Während der Chemotherapie und auch danach hat sie viel über ihr Leben nachgedacht. Zurückgezogen in ihrem roten Sessel saß sie im Wintergarten und überlegte, ob sie irgendwo von ihrem Weg abgekommen sei. "Nichts passiert einfach so", sagt Spitzmann. Die Pinnebergerin nahm sich eine lange Auszeit, machte ein einjähriges Praktikum in einem Hospiz. Heute begleitet sie Krebspatienten auf ihrem Weg.

Auch in ihren Körper fasst sie langsam wieder Vertrauen. Geholfen hat ihr dabei das Wandern. Das Gefühl, einen zehn Kilo schweren Rucksack über viele Kilometer tragen zu können und dabei einen Berg zu überwinden, hat ihr gut getan. Etwas, das sie auch anderen Brustkrebspatientinnen mitgeben will. Sie überlegt, eine Wandergruppe zu gründen. Spitzmann war bereits am Rhein, im Bayerischen Wald, im Harz und in den Alpen unterwegs. Kürzlich pilgerte sie über den Jakobsweg. Sie sagt: "Es hat etwas Befreiendes zu sehen, dass es immer weiter geht."