Uetersen plant eine Vorkaufsrecht-Satzung, um Schandflecken entfernen zu können. Als Vorbild dient die Stadt Bremerhaven.

Kreis Pinneberg. Die Stadt Uetersen will sich per Satzungsbeschluss ein besonderes Vorkaufsrecht für sogenannte Schrott-Immobilien einräumen, damit die Stadt diese städtischen Schandflecke notfalls beseitigen lassen kann. Die ist laut Baugesetzbuch möglich. Als Beispiel dient den Politikern die Stadt Bremerhaven.

In Uetersen gibt es diverse Objekte im Stadtbereich, die als Schandflecke gelten und die in der am Freitag in der Ratsversammlung zu verabschiedenden Satzungsbeilage konkret benannt werden. Dazu zählt das Haus eines türkischen Kulturvereins am Großen Wulfhagen, das vor etwa einem Jahr Schauplatz einer spektakulären Drogenrazzia war, sowie daneben ein leer stehendes Gemüsegeschäft. Einen Steinwurf entfernt liegen zwei weitere Objekte, und zwar das seit vielen Jahren unbebaute und verwilderte Grundstück an der Meßtorffstraße, auf dem einst das alte Café von Stamm stand. Direkt daneben befindet sich ein weiteres Haus, das als Schrott-Immobilie gilt, ebenso wie ein Gebäude direkt auf der anderen Seite der Meßtorffstraße. Das sechste Uetersener Objekt liegt an der Töpferstraße.

Auch die Stadt Quickborn muss seit vielen Jahren mit einem Schandfleck mitten in der Stadt leben. Dort präsentiert sich unweit des Rathauses an der Torfstraße eine Bauruine. Eine ehemalige Scheune mit Schuppen verfällt zusehends, umlagert von einem Müllberg. Hintergrund ist ein Erbstreit zweier Familien. Seit der Vater und später eine Tochter starben, streiten sich die Geschwister um das Erbe, während das Grundstück in zentraler Lage verwahrlost und die Gebäude, die seit mehr als 25 Jahren leer stehen, verfallen. Der Kreis Pinneberg wollte bereits eine Abrissverfügung erlassen, was bisher nicht geschah. Auch Termine zur Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht haben diese schier ausweglose Situation nicht beenden können.

Dass eine Ortssatzung helfen könnte, die der Kommune ein besonderes Vorkaufsrecht für dieses 1600 Quadratmeer große Grundstück einräumen würde, glaubt Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl nicht.

"Das ist rechtlich sehr kompliziert. Da können wir nichts machen", sagt Köppl. Die Stadt müsste zudem genau begründen, was sie mit dem Grundstück konkret vorhätte. Ein pauschales Vorkaufsrecht nur für einzelne Grundstücke, ohne sie mit bestimmten Zielvorstellungen zu konkretisieren, hält er für rechtlich schwierig. "Das Grundstück muss ja dann auch auf dem Markt sein und die Kommune bereit sein, es tatsächlich zu kaufen", sagt Köppl. "Nur die Aussage, dass es mir nicht gefällt, wird da kaum ausreichen."

Anders sei dies, wenn die Stadt städtebauliche Entwicklungen vorantreibe oder Spekulationen verhindern will. "Da ist das besondere Vorkaufsrecht ein probates Mittel", sagt Köppl. "Wir haben das aber bislang nicht gebraucht, weil wir das meist einvernehmlich mit den Eigentümern regeln konnten." Bei der groß angelegten Überplanung der Quickborner Innenstadt vor einigen Jahren sei deshalb kurzfristig im Gespräch gewesen, es zum Sanierungsgebiet zu erklären. Das sichere der Kommune ein umfassendes Vorkaufsrecht. Diese Idee wurde aber politisch wieder verworfen.

Elmshorn macht davon regen Gebrauch. Im Innenstadtbereich an der Krückau, Vormstegen, gelte das Sanierungsrecht, sagt Stadtrat Volker Hatje. "Da haben wir auf jedem Grundstück als Stadt die Hand drauf." Darüber hinaus räume sich die Stadt bei Bebauungsplänen Veränderungssperren und besondere Vorkaufsrechte ein, sagt Hatje. "Das ist ein probates Mittel für uns, um Fehlentwicklungen zu verhindern. Und wir können uns Schlüsselgrundstücke sichern, die im öffentlichen Interesse liegen." Ähnlich geschieht dies auch in Pinneberg für das Rehmenfeld, sagt der für Stadtentwicklung zuständige Fachdienstleiter Klaus Stieghorst.

Auch in Tornesch wird das besondere Vorkaufsrecht bei städtebaulichen Planungen seit Jahren angewendet, sagt Bürgermeister Roland Krügel. "Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht." Zuletzt kam dies vor fünf Jahren bei zehn Arealen für die Firma Altonaer Wellpappe zum Zuge. "Das muss im Einzelfall begründet werden."

Die Stadt Bremerhaven an der Nordsee ist Vorreiter bei diesem Thema. Sie hat eine solche Schrott-Immobilien-Satzung wie sie Uetersen plant, bereits vor zweieinhalb Jahren erlassen, wie Stadtbaurat Volker Holm berichtet. Hintergrund war der große Leerstand in der 113.000 Einwohner-Stadt. 5000 Wohnungen der 60.000 Häuser standen leer. "Und der Vorbote von verwahrlosten Gebäuden ist der Leerstand." Seitdem habe Bremerhaven ein Dutzend der Schrott-Immobilien abreißen lassen. Jedes dieser Häuser sei erfasst und werde auch öffentlich als solches angeprangert. Das habe den Spekulationshandel mit solchen Objekten weitgehend eingedämmt, sagt Baudezernent Holm.

Damit nicht genug. Bremerhaven habe eine bundesweite Initiative gestartet, den Abriss-Paragraphen 179 im Baugesetzbuch von einem stumpfen zu einem scharfen Schwert zu machen. Denn bislang müsse eine Kommune, wenn sie ein heruntergekommenes Gebäude abreißen lässt, diese Kosten selber tragen. Doch vorigen Freitag habe der Bundesrat diesen Gesetzesvorstoß der Länder Bremen und Nordrhein-Westfalen abgesegnet, sagt Holm. "Da haben bei uns die Sektkorken geknallt." Wenn nun die Bundesregierung dieser Forderung der Länderkammer folgt, könnte das Baugesetzbuch zum Jahresende geändert werden. "Wir können dann dem Eigentümer einer solchen Schrottimmobilie sagen: 'Entweder du tust selber was oder wir schicken dir eine Abrissverfügung'." Allein in Nordrhein-Westfalen drohten bis 2030 bis zu 600.000 leer stehende Gebäude, so Bremerhavens Stadtbaurat.

In Uetersen werden die Ratspolitiker sich am Freitag, 28. September, um 18 Uhr im Rathaussitzungssaal, Wassermühlenstraße, treffen. Außer der Vorkaufsortssatzung stehen Themen wie der Entwurf eines Haushaltskonsolidierungskonzeptes und die Bezuschussung der Mittagsverpflegung an den Uetersener Schulen auf der Tagesordnung.