Geldmacherei? Der Pinneberger Björn Bahde denkt, häufigere Hauptuntersuchungen könnten die Verkehrssicherheit erhöhen.

Kreis Pinneberg. Jedes fünfte Fahrzeug fällt regelmäßig wegen gravierender Mängel durch die TÜV-Prüfung im Kreis Pinneberg. Der Teamkoordinator der beiden TÜV-Stationen in Pinneberg und Elmshorn, Björn Bahde, und seine acht Techniker überprüfen jedes Jahr etwa 11 000 Pkw auf ihre Verkehrssicherheit. Bald könnten es erheblich mehr werden. Dann nämlich, wenn alle älteren Fahrzuge jedes Jahr zum TÜV müssten, wie dies EU-Verkehrskommissar Siim Kallas verbindlich für sämtliche 27 Länder der Europäischen Union vorgeschlagen hat.

Pinnebergs TÜV-Chef Bahde sagt zwar, dass sich das deutsche System mit den zweijährigen Intervallen bewährt habe. Aber unter dem Sicherheitsaspekt wäre es durchaus eine gute Maßnahme, diesen Zeitraum zu verkürzen, um die Zahl der Unfälle und Verkehrsopfer zu senken. "Jeder Verkehrstote weniger ist ein Gewinn", sagt Bahde. "Insofern wäre ich für eine solche EU-Vorschrift."

Autofahrer-Lobbys hatten diesen Vorschlag des EU-Kommissars sofort als überflüssig und kostentreibend abgelehnt. Der ADAC spricht von Mehrkosten in Höhe von 600 Millionen Euro pro Jahr. Auch viele Autofahrer im Kreis Pinneberg, die das Abendblatt gestern nach ihrer Meinung fragte, lehnten den Vorschlag ab. "Das ist Abzockerei", sagt Alkan Kozan aus Wedel.

TÜV-Chef Bahde hingegen sagt, das entscheidende Kriterium müsse die Verbesserung der Sicherheit auf den Straßen sein. Dieser Aspekt sei seiner Ansicht nach bei der Diskussion um häufigere Hauptuntersuchungen für ältere Fahrzeuge zu kurz gekommen. Bei wieder steigenden Verkehrsopfer-Zahlen in Deutschland sollte sehr wohl darüber nachgedacht werden, wie diese traurige Statistik gesenkt werden könnte. 2011 starben 4009 Menschen auf deutschen Straßen, zehn Prozent mehr als im Jahr davor.

+++ Sicherheit am Auto geht vor +++

EU-Kommissar Kallas geht davon aus, dass jeder zwölfte Unfall auf technische Mängel am Fahrzeug zurückzuführen ist. Allein in Deutschland ließen sich 10 000 Unfälle vermeiden, wenn ältere Fahrzeuge jedes Jahr zum TÜV müssten, so der EU-Kommissar. Neufahrzeuge sollen dagegen erst nach vier Jahren zum TÜV statt wie jetzt nach drei Jahren.

Pinnebergs TÜV-Chef Björn Bahde gibt zu bedenken, dass sich der Sicherheitsstandard im Straßenverkehr bereits jetzt deutlich verbessert habe. So habe die Abwrackprämie vor drei Jahren den Anteil der Altfahrzeuge erheblich vermindert und die Zahl der TÜV-Prüfungen gesenkt. Diese würden heutzutage ohnehin zu drei Vierteln in den Autowerkstätten erledigt. Ein Service, der hierzulande seit 1989 möglich ist. Darüber hinaus gelten seit Juli dieses Jahres einheitliche Kriterien für alle Pkw-Hauptuntersuchungen, egal ob sie der TÜV, die Dekra oder eine andere Organisation übernimmt.

Jeder Autobesitzer erhält nun eine bundesweit einheitliche und umfassende Beschreibung der festgestellten Mängel an seinem Fahrzeug, sodass er seiner Werkstatt nun einen technisch genauen Reparaturauftrag geben kann. Neuerdings erhält der Autobesitzer auch präzise Hinweise zum Verschleiß-Zustand bestimmter Bauteile und technischer Funktionen wie Bremsen sowie zur Korrosionsgefahr.

Vom nächsten Jahr an kommt eine Messung der elektronischen Sicherheitskomponenten am Fahrzeug hinzu. Ob die Airbags im Notfall einsatzbereit sind, die Scheinwerfer die Kurve ausleuchten, das Antiblockiersystem ABS richtig arbeitet oder das Elektronisches Stabilitätsprogramm ESP funktioniert, kann der TÜV-Prüfer dann mit einem elektronischen Messgerät feststellen. "Wir werden von 2013 an alle elektronischen Helferlein im Auto mit untersuchen", kündigt Bahde an.

Eine spezielle Software, die im Fachjargon HU-Adapter heißt, würde alle TÜV-Stationen damit ausstatten. Bahde: "Das macht die Prüfung zuverlässiger, qualitativ hochwertiger und auch schneller." Selbstverständlich müssten mechanische Dinge wie Karosserie, Lenkung, Achsaufhängung und der Reifenzustand weiterhin mit Hilfe einer Sichtprüfung durch die Techniker eingeschätzt werden. Den Marktanteil von TÜV und Dekra beziffert Bahde auf jeweils etwa 40 Prozent.

Der Kfz-Fachmann Bahde ist sich sicher, dass die Sicherheit an den Fahrzeugen durch die Hersteller weiter verbessert wird. Immer mehr Komponenten wie Abstandswarner und Aufprallschutz würden in vielen Fahrzeugen heute schon serienmäßig eingebaut. Insofern geht Bahde davon aus, dass eine mögliche Verkürzung von Prüfintervallen zu weiteren technologischen Verbesserungen führen wird. "Wir haben festgestellt, dass der Autofahrer sehr wohl zu überzeugen ist, wenn es um seine Verkehrssicherheit geht", sagt Bahde. "Autofahrer sind unseren Ratschlägen gegenüber sehr aufgeschlossen."