Der Hamburger Yachthafen in Wedel ist eine Art Stadt in der Stadt. Drei Männer sorgen dafür, dass die Menschen das Leben an Bord genießen können.

Der Wind peitscht heftig gegen die kleine Bude. Schon seit Stunden hängen die Wolken so dicht, dass nicht mal ein winziges Stückchen Blau am Himmel zu sehen ist. Jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Im Container von Holger Kwiatkowski stapeln sich Zettel in Klarsichthüllen, auf dem Regal und auf dem Schreibtisch stehen Aktenordner aus buntem Plastik. In der Ferne blöken Schafe. Im Grunde sieht hier alles aus wie in einem Bauwagen, in dem Straßenarbeiter mittags Kaffee trinken und ihre Stullen essen.

Man muss schon einen Blick durch eines der Fenster werfen, um zu merken, dass dies einer der teuersten Orte in ganz Deutschland ist. Auf einer Fläche von gerade mal 300 mal 500 Metern liegen Schiffe im Gesamtwert von weit mehr als 100 Millionen Euro.

Gut 1950 Segel- und Motoryachten finden hier Platz. Der Hamburger Yachthafen, der schon längst nicht mehr in Hamburg liegt, sondern in Wedel, ist eine kleine Stadt in der Stadt. Die drei Männer, die sich darum kümmern, dass hier alles möglichst reibungslos funktioniert, heißen allerdings nicht Bürger-, sondern Hafenmeister.

Holger Kwiatkowski ist einer von ihnen. Oft ist sein Job ebenso anstrengend wie der eines Bürgermeisters. Statt einer Fünf- hat er stets eine Sechstagewoche. "Nur jeden Donnerstag habe ich frei", sagt er. Während der Hauptsaison sind er und seine Kollegen sogar Tag für Tag im Einsatz. Zum Ausgleich dafür können sie während des Winters länger Urlaub machen.

Hauptsaison ist für die Hafenmeister nicht etwa im Sommer, sondern jeweils sechs bis acht Wochen im Frühjahr und im Herbst. Dann wollen fast sämtliche Eigner ihre Yachten aus dem Wasser herausholen oder hineinsetzen lassen. Doch das dauert.

20 Minuten braucht Kwiatkowski, um ein Boot mit Hilfe eines riesigen Krans an Land zu bringen. Der knallrote Stahlgigant, der 1985 in einem volkseigenen Betrieb der DDR gefertigt wurde, ist noch immer im Einsatz und hebt in Wedel bis zu 16 Tonnen schwere Schiffe in die Luft. Bei fast 2000 Yachten grenzt das für Mensch und Maschine schon an Fließbandarbeit. Von Mitte September bis Mitte November mangelt es den Hafenmeistern jedenfalls nicht an Aufgaben.

Trotzdem strahlt Kwiatkowski, wenn er von seinem Beruf erzählt. "Ich wollte schon immer etwas mit Wasser machen", sagt der gelernte Maschinenschlosser. Seit sechs Jahren ist der 48 Jahre alte Wedeler im Hamburger Yachthafen aktiv, und noch immer hat er Spaß an der Arbeit. "Wenn die Eigner zu uns kommen, dann tun sie das in ihrer Freizeit und sind deshalb fast immer entspannt. Das ist ein großer Vorteil."

Tatsächlich besteht die Aufgabe der Hafenmeister ganz wesentlich darin, dass die Sportbootfahrer in Wedel ihren Alltag hinter sich lassen und das Leben an Bord von Anfang an genießen können. Wer viel Geld für den Kauf seiner Yacht gezahlt hat, möchte damit schließlich keinen Stress, sondern jede Menge Spaß haben. Entsprechend entspannt präsentiert sich Sven Nagel, der Hafenmeister der Westanlage.

Anders als Holger Kwiatkowski, der hauptsächlich für den Kran und die Slipanlage in der Mitte des Yachthafens zuständig ist, findet Nagel häufiger die Zeit, mit den Eignern der Yachten zu plaudern, die in seinem kleinen Reich festgemacht haben. Wie schon sein Vater, der hier bis 1995 Hafenmeister war, betreut der 40 Jahre alte Wedeler Dauerlieger ebenso wie Gäste, die nur mal kurz in Wedel sind.

Der Preis für einen Liegeplatz richtet sich nach der Größe des Schiffes. Grundsätzlich muss jeder Eigner, der Festlieger im Hamburger Yachthafen werden möchte, eine Aufnahmegebühr in Höhe von 707,60 Euro und einen Jahresbeitrag von 77,70 Euro zahlen. Dafür erhält er einen acht Quadratmeter großen Liegeplatz. Reicht diese Fläche nicht, dann kann der Eigner gegen Gebühr zusätzlichen Platz mieten.

Wer hingegen bloß zu Gast in Wedel ist und lediglich für eine Nacht oder ein paar Tage im Hamburger Yachthafen festmachen will, zahlt zwischen vier Euro für ein sechs Meter langes Boot und 25 Euro für eine Yacht von mehr als 15 Metern Länge.

Unterstützt wird Sven Nagel von seiner Ehefrau Michaela, ohne die er, wie er sagt, diesen Beruf überhaupt nicht ausüben könnte: "Das ist ein Job für Ehepaare. Meine Frau betreut das Hafenmeisterbüro, wenn ich auf der Anlage unterwegs bin."

Mit etwas Sorge sieht Sven Nagel, dass der demografische Wandel auch vor dem Hamburger Yachthafen nicht haltmacht: "Das Durchschnittsalter der Eigner liegt derzeit bei 65 bis 70 Jahren. Die meisten kennen sich schon seit vielen Jahren. Doch jüngere Eigner haben oft keine Lust, Mitglieder in einem Sportbootverein zu werden."

Immerhin müssen die Bootsbesitzer in Wedel selbst mit anpacken, während sie beispielsweise in Marinas an der Ostsee mehr Service bekommen und ihre Yachten dort auf Wunsch sogar waschen lassen können. "Man muss sich eben entscheiden", sagt Nagel, "will man Luxushotel oder Herberge?"

Der Dritte im Bunde der Hafenmeister ist Christian Bazelak. Der 48 Jahre alte gelernte Tischler kümmert sich um die knapp 1000 Yachten, die in der Ostanlage des Hafens liegen. Zusätzlich betreibt er gemeinsam mit seiner Frau Bettina die wohl ungewöhnlichste Aral-Tankstelle Norddeutschlands. Das Kassenhäuschen ist kaum größer als eine Besenkammer, im Shop gibt es weder Bier noch Schokoriegel, und wenn die Flut kommt, steigen Zapfsäulen und Tankkanister nach oben. "Wir haben hier schwimmende Tanks am Ponton", sagt Bazelak. Zweimal Super à 4400 Liter und einmal 5800 Liter Diesel. Weitere 19 000 Liter Diesel befinden sich in einem Tank an Land.

Bazelaks Kunden sind meist sehr wohlhabend. Doch seine Erfahrung ist: "Je größter die Yacht, desto kleiner das Trinkgeld." Soeben hat er einen Zahnarzt aus dem Alten Land bedient, der mit Frau und Schiff mehrere Wochen in Skandinavien unterwegs war. Nun kommt ein Hamburger Geschäftsmann, der für gerade mal 20 Euro seine neue Yacht betankt. Sie alle machen nicht den Eindruck, als könnten die hohen Spritkosten sie schocken.

Dabei ist die schwimmende Tankstelle im Hamburger Yachthafen den irdischen Betrieben in Sachen Preisentwicklung einige Cent voraus. Hier kostet der Liter Superbenzin 1,87 Euro. Aber wer für sein Hobby soeben mehrere 10 000 Euro in die Anschaffung eines neuen Sportbootes investiert hat, kann dies gewiss verschmerzen.