Grüne Abgeordnete Valerie Wilms bat Unternehmer-Chef Michael Fröhlich zur Plauderstunde. Sie sprachen über Sinn und Unsinn der Autobahn 20.

Quickborn/Kreis Pinneberg. Gift und Galle hatten sie im Vorfeld über die gegenseitig unversöhnlichen Positionen gespuckt. Nun saßen Valerie Wilms, die Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Wedel, und Michael Fröhlich, Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbandes-Nord, einträchtig im Quickborner Café Gertrudenhof auf einem grünen Sofa und diskutierten ganz friedlich über Sinn und Unsinn der Autobahn 20. Deren Bau hatte Valerie Wilms vorher mehrfach als völlig unnötig bezeichnet, woraufhin ihr der Unternehmensverband bescheinigte, ihre Aussagen seien in ihrer Einfachheit kaum zu übertreffen.

Zwar blieben beide bei ihren grundsätzlichen Standpunkten, doch im Laufe des eineinhalbstündigen Gesprächs, das etwa zwei Dutzend Besucher verfolgten, näherten sich die Positionen an. So sprach sich der Unternehmer-Funktionär durchaus für eine Pkw-Maut aus, die die Abgeordnete wie den Trassenpreis bei der Bahn erheben will.

Valerie Wilms begrüßte die Groß-Lkw, die jetzt bundesweit als sogenannte Gigaliner getestet werden, als gute Übergangslösung, bis der Güterverkehr verstärkt auf die Schiene gebracht werden kann. Da der Einsatz der überlangen Lkw die Zahl der Zugmaschinen auf den deutschen Autobahnen verringern helfe, versteht Fröhlich sie auch als "Ökoliner".

Der Ärger über den Koalitionsbeschluss der neuen Landesregierung ist beim Verband ohnehin verflogen, der 32 000 Unternehmen mit 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vertritt. Seit der neue Verkehrsminister Reinhard Meyer deutlich gemacht hat, dass der Weiterbau der A 20 auch bis zur Elbe weiter geplant wird, seien die Verbandsmitglieder froh, sagte Fröhlich. Vor allem die Unterelbe-Region in Schleswig-Holstein sei auf diese zusätzliche Verkehrsader angewiesen, die mit der Elbquerung bei Glückstadt endlich eine Alternative zum Elbtunnel in Hamburg böte. "Nur so ist der Dauerstau dieses Nadelöhrs zu umgehen."

Wilms hielt dagegen, dass die Spediteure doch ihre Güter auch zu Zeiten über die Elbe bringen könnten, wenn weniger Verkehr herrsche. Zumal die Verkehrszahlen der bereits fertigen A 20 in Mecklenburg-Vorpommern bei Weitem nicht die vorhergesagten Verkehrszahlen erreichten. Fröhlich konterte, dass die Logistikströme sich nicht so einfach steuern ließen. "Wir leben ja nicht in einer Welt von Lego und Fischer-Technik."

Die Abgeordnete Wilms versteht ihren Standpunkt als Blick in die Zukunft. Durch den demografischen Wandel würden neue Straßen kaum nötig sein. Vielmehr sollten die vorhandenen Infrastrukturen gepflegt und ausgebaut werden. "Keiner im Bundestag kennt das Anlagevermögen in Deutschland", sagt Valerie Wilms und plädierte dafür, "da endlich System hineinzubringen". Die Einnahme aus den entsprechend anzupassenden Mautgebühren der Lkw-Spediteure und Autobahnnutzer könnten komplett für die Instandhaltung dieser Straßen und nicht mehr zum Steuerlöcherstopfen verwendet werden. "Dann wäre das System transparent und die Finanzierung gesichert", sagte Valerie Wilms. Allerdings fielen dann die Wahlgeschenk-Aktionen weg, mit denen so mancher Politiker seinen Wahlkreis beglücke. Ein so radikaler Ansatz überraschte Fröhlich. Bei aller Unterstützung von Investitionsprojekten öffentlich-privater-Partnerschaft gebe es Infrastruktur-Vorhaben, wie die A 20 und die Fehmarn-Belt-Querung, die von übergeordnetem Landes-Interesse seien. "Diese müssen im Wesentlichen durch die öffentliche Hand finanziert werden", sagte Fröhlich.

Valerie Wilms ließ sich nicht beirren: "Die Mobilität der Zukunft muss aus verschiedenen Verkehrssystemen bestehen". Ihr Vorschlag: Auto und Lkw bedienten die Kurzstrecken, die Bahn die Fernverbindungen. "Mobilität muss aber bezahlbar bleiben und darf nicht zu einem Luxusgut werden", warnte Fröhlich. Wilms stimmte zu: "Das Ganze muss nur intelligenter vernetzt werden und die Preise müssen der Wahrheit entsprechen."