Mit seinen Reisen und Projekten erfüllt der Verein Selenogradsk die Verbindung des Kreises Pinneberg zum ehemaligen Cranz mit Leben.

Kreis Pinneberg/Selenogradsk. Es ist das Land, in dem Himmel und Erde verschmelzen. Die Kurische Nehrung, ein schmaler Landstreifen zwischen Ostsee und Haff, verzaubert den Besucher mit ihrer einzigartigen Landschaft, mit Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten, etwa dem Hexenberg und das Thomas-Mann-Kulturzentrum im litauischen Teil sowie der riesigen Epha-Düne, dem Tanzenden Wald und der ältesten Vogelwarte der Welt in Rybatschij auf russischer Seite. Geheimnisvolle Wege führen durch Kiefern- und Birkenwälder. Ein fast 100 Kilometer langer Ostseestrand lockt ebenso wie abgeschiedene Pfade durch die Dünen. Südlichster Punkt im russischen Teil der Nehrung ist Selenogradsk, das frühere Cranz.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bemühten sich Pinneberger Kreispolitiker, Verbindungen in diesen Teil des ehemaligen Ostpreußens aufzubauen. Einer dieser Pioniere war der mittlerweile verstorbene Uetersener SPD-Ratsherr Lothar Mosler. Im Jahr 1991 unterzeichneten Politiker beider Seiten den ersten Partnerschaftsvertrag zwischen dem Rayon Selenogradsk und dem Kreis Pinneberg. Vier Jahre später wurde mit Selenogradsk e.V. ein gemeinnütziger Verein mit der Aufgabe gegründet, die Partnerschaft zwischen dem Rayon Selenogradsk und dem Kreis Pinneberg auf der Grundlage des Vertrages mit Leben zu erfüllen.

Das gelang in ganz hervorragender Weise. Mittlerweile haben die Vereinsvorsitzende Gabriele Kascha und ihr Mann Gerhard 16 Reisen nach Selenogradsk organisiert, fast immer waren sie ausgebucht. Außer der wunderschönen Natur hinterlässt vor allem die schon legendäre Gastfreundschaft der Russen nachhaltigen Eindruck. Alle Reisenden werden in russischen Gastfamilien untergebracht, die "Veteranen", die schon öfter dort waren, werden schon bei der Ankunft mit großem Hallo auf dem örtlichen Schulhof von ihren Gastfamilien in die Arme geschlossen.

So manches Zimmer ist geräumt für die Gäste aus Deutschland, der Tisch sowohl am Morgen und am Abend reich gedeckt. Sogar ein halbes Hähnchen mit Bratkartoffeln soll es schon zum Frühstück gegeben haben. Ein zünftiges Lunchpaket zu den Ausflugsfahrten versteht sich da fast von selbst.

Die Ausflüge in die Umgebung Selenogradsks bergen neben erholsamen Stündchen am Ostseestrand Bildungsurlaub pur. Vom wachsenden Einfluss der russischen orthodoxen Kirche, die immer mehr Kirchen für sich beansprucht, über den Besuch der Vogelwarte Rybatschi (Rossitten) bis zur Besichtigung des Gestüts Georgenburg, das dank der Investition von Privatleuten die Trakehner-Zucht fortsetzt, reichen die Eindrücke.

+++ Partnerschaft soll ausgebaut werden +++

Ein Blick von der Epha-Düne zeigt die unberührte Natur in ihrer ganzen Pracht. Einheimische Naturliebhaber fürchten allerdings, dass die Idylle aufgrund monumentaler Baupläne von Moskauer Investoren beeinträchtigt werden könnte. Ohnehin ist die nach dem Krieg für Jahrzehnte in Abgeschiedenheit gehaltene sowjetische Exklave ins Visier reicher Russen geraten. Swetlogorsk etwa, das ehemalige Rauschen, kann mit allen westlichen Badeorten konkurrieren. Die Immobilienpreise sollen sich bereits auf Blankeneser Niveau bewegen.

Doch in vielen Städten sind verfallene alte Häuser und sowjetischer Plattenbau noch an der Tagesordnung. Selenogradsk selbst allerdings sticht positiv hervor, ins Stadtbild ist Farbe eingezogen. Auch die betongraue, teils schon zerstörte Strandpromenade erstrahlt in neuem Glanz, sagt Gerhard Kascha. "Sie ist schon zu 90 Prozent fertig." Sogar ein neues Café hat dort aufgemacht. Ein echter Hingucker ist zudem das von einem Privatinvestor restaurierte Hotel Cranz, in dem traditionell für die deutschen Gäste der Selenogradsk-Reise mit den Einheimischen ein Abend der Freundschaft stattfindet, bei dem gut gegessen, getrunken und vor allem getanzt wird.

Die Verständigung mit den Russen ist fast unproblematisch. Die meisten Erwachsenen, die sich im örtlichen Förderverein engagieren, sprechen etwas Deutsch. Vor allem sind es aber die ehemaligen Gastschüler, die als Ansprechpartner und Dolmetscher fungieren. 82 von ihnen haben jeweils ein Gastschuljahr im Kreis Pinneberg absolviert, meist handelt es sich um junge Mädchen.

Dank der niedrigen Sprachbarrieren ist die Liste gemeinsamer Projekte und Aktivitäten beider Fördervereine lang. So wurde unter anderem das Kinderheim Istok, ein Haus für Straßenkinder des Rayons, mit Sach- und Geldspenden unterstützt. Gemeinsam mit Bewohnern des Kurortes wurden Grünanlagen verschönert, etwa durch das Anlegen einer Freundschaftsallee. Und einmal im Jahr kommen 20 sozial benachteiligte russische Kinder in den Kreis Pinneberg, wo sie eine Ferienfreizeit verbringen.

Auch existieren Schulpartnerschaften mit Selenogradsk. Unterstützung bekommen der Kulturverein und die Musikschule in Selenogradsk, außerdem wurde eine Arbeitsgruppe Behindertenpädagogik in Selenogradsk ins Leben gerufen. Organisationen wie Kreisjugendring und Kreissportverband engagieren sich ebenfalls in Selenogradsk. Der Verein unterstützt zudem den Deutschunterricht für Mitglieder des russischen Vereins Pinneberg-Selenogradsk.

Der Kreis Pinneberg hat bisher vielfältige materielle Hilfe geleistet. So entwickelte sich das Krankenhaus Selenogradsk dank Sachspenden und ärztlicher Fortbildung zum modernsten Krankenhaus des Gebietes. Russische Lehrer hospitierten an Schulen des Kreises, russische und deutsche Künstler trafen sich zu mehrtägigen Workshops und haben unter anderem einen Kalender herausgegeben.

Ganz besonders eng ist übrigens die Zusammenarbeit zwischen den Feuerwehren. Mit Geräten und Schulungen sorgen die Deutschen dafür, dass die Berufsfeuerwehr in Selenogradsk hervorragend ausgerüstet ist. Gerade unter deutschen und russischen Feuerwehrleuten haben sich daher besondere Freundschaften entwickelt.

Der Verein Selenogradsk mit Sitz in Elmshorn hat derzeit 262 Mitglieder. Jedes Jahr bietet er für jedermann eine Reise in den Rayon Selenogradsk an, bei dem die Gäste in russischen Familien wohnen. Im nächsten Jahr ist die Reise vom 19. bis zum 30. Juli geplant. Wer Interesse hat, kann sich schon jetzt in der Geschäftsstelle unter Telefon 04121/923 85 anmelden.