Der Markt für Seniorenwohnungen boomt. Neue Konzepte wie Wohngemeinschaften sind gefragt. Die Wenigsten wollen in ein Altersheim.

Kreis Pinneberg. Eine geräumige Küche mit kleiner Palme, warme Holzmöbel, große Fenster - noch ist es eine Simulation, doch schon Ende des Jahres soll das alte Bauernhaus in Appen in neuem Glanz erstrahlen. Mitten im Ort in der Gärtnerstraße -gleich neben Sparkasse und Einkaufsmarkt - entstehen derzeit Seniorenwohngemeinschaften. "Wir wollen vor allem Menschen mit Demenz hier eine Alternative zu einem Pflegeheim anbieten", sagt Jacqueline Lentge, Sprecherin des Projekts. Auf mehr als 1000 Quadratmetern sollen drei unabhängige Wohngemeinschaften entstehen, die bis zu zwölf Mieter aufnehmen können. Jeder Bewohner wird sein eigenes Zimmer haben, gekocht wird aber in der Gemeinschaftsküche. Bisher war die Wohngemeinschaft eher bei Studenten verbreitet, doch nun kommt dieses Wohnmodell auch bei Senioren in Mode. Nur mit dem Unterschied, dass die Wohnungen komfortabler sind, barrierefrei und betreut durch einen Pflegeservice.

Etwa 2,5 Millionen Euro investieren die Bauernhaus Appen GmbH & Co. KG in den Bau, der Anfang 2013 bezogen werden soll. Im wahrsten Sinne eine Zukunftsinvestition. Denn der Markt für Seniorenwohnungen boomt im Kreis Pinneberg. Die wenigsten Menschen wollen laut Umfragen in ein klassisches Altersheim, nur 20 Prozent der Menschen glauben, dass Patienten dort gut versorgt sind. In ganz Deutschland kommen Altenheime deshalb wirtschaftlich unter Druck, in Pinneberg schloss Ende des Jahres das Deutsche Rote Kreuz das Heim am Rehmen. Großer Gewinner sind die alternativen Wohnformen, bei denen die Bewohner deutlich länger in ihrem gewohnten Wohnumfeld bleiben können als bisher. Projekt schießen überall aus dem Boden. "Für Investoren ist dieser Markt extrem interessant. In Zukunft wird es immer mehr ältere Menschen geben, der Bedarf nach Wohnraum - zugeschnitten auf die Bedürfnisse dieser Altersgruppe - wird deshalb rapide steigen", sagt Peter Hitpaß, Sprecher des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (vnw). Zudem seien regelmäßige Mieteinahmen praktisch garantiert, da es sich meist um zahlungskräftige Käuferschichten handelt und das ganze sei auch noch konjunkturunabhängig, sagt Hitpaß.

Tatsächlich ist die Nachfrage trotz Millioneninvestitionen in den Städten noch immer deutlich größer als das Angebot. "Kaum ist ein Haus am Markt, ist es auch schon ausgebucht", sagt Klaus Stieghorst, Bauamtsleiter in Pinneberg. In den vergangenen Jahren entstanden in der Kreisstadt zahlreiche Neubauten, ob in der Koppelstraße, Feldstraße oder im Kirchhofsweg. Das Prinzip ist meist das gleiche. Komfortabel geschnittene Wohnungen, mit Aufzügen, ohne Stufen, mit geräumigen Duschen ohne sonstige Barrieren mit angeschlossenen Pflegeservice oder zumindest extra Betreuung.

+++ Anteil der Menschen über 60 Jahren steigt rasant +++

Ganz ohne Betreuung kommt Lisbeth Linke aus Pinneberg aus, dabei ist sie schon 80 Jahre. Seit September 2011 wohnt die rüstige Seniorin auf 68 Quadratmetern über den Dächern von Pinneberg in einem Haus in der Heinrich-Christiansen-Straße, das speziell auf Bewohner der Generation 60 Plus zugeschnitten ist. Schon vor dem Bau der Anlage sicherte sie sich ihre Wohnung, der Ansturm war auch hier riesig. Hier gibt es keinen extra Pflegeservice, doch im Zweifel kommt die ambulante Pflegekraft. Keine Schwellen, Aufzug, breite Duschtüren, Gemeinschaftsraum im Keller, ein großer Balkon und zumindest im dritten Stock ein traumhafter Blick über die Pinnaustadt - das hat Linke an der Anlage überzeugt. In unmittelbarer Nähe liegen Apotheke, Einkaufsmarkt, Ärzte und nette Nachbarn - "was will man mehr", sagt sie. So lange wie möglich will sie noch selbstständig bleiben, in ihren eigenen vier Wänden mit ihrer Einrichtung leben. "Das hält einfach fit".

Die Adlershorst Baugenossenschaft aus Norderstedt stampft in Wedel derzeit einen ganzen Wohnpark aus dem Boden. Das Projekt unter dem Namen "Wedeler Au", das fasst 20 Millionen Euro kostet, will alle Generationen zusammenführen. In der Gorch-Fock-Straße entstanden 2011 43 Wohnungen für Senioren ab 70 Jahren, aber auch 14 Wohnungen für Familien, Singles und Paare. Derzeit entsteht eine weitere Wohnanlage für Senioren ab 60 Jahren, auch hier werden neben 23 Wohnungen für Senioren bis 2013 auch 22 Wohnungen für Singles, Paare und Familien entstehen. "Für uns ist es wichtig, dass Senioren nicht in ihrem Kosmos bleiben, sondern sie in Kontakt auch mit jüngeren Menschen haben", sagt Benjamin Schatte, Sprecher der Baugenossenschaft, die auch in Elmshorn und Tornesch Millionen Euro in neue Wohnformen für Senioren steckte. Egal wo, die Nachfrage ist groß, die Adlershorst Genossenschaft führte für die meisten Anlagen Wartelisten.

Nicht nur deshalb sind schon wieder neue Projekte angedacht: Auf dem Gelände des ehemaligen Kreishauses in Pinnebergsollen neue barrierefreie Wohnungen entstehen und auch bei den Plänen für das Kasernengeländen will der Seniorenbeirat der Pinnaustadt unbedingt Seniorenwohnungen durchsetzen. Platz wäre hier gleich für Hunderte ältere Menschen.