Anwohner-Protest und privater Schichtdienst in Borstel-Hohenraden zeigen ersten Erfolg: Landesbetrieb für Verkehr zählt im August alle Fahrzeuge.

Borstel-Hohenraden. Die Bewohner von Borstel-Hohenraden geben nicht auf, für eine verkehrsberuhigtere Landesstraße 76 (Quickborner Straße) quer durch ihr Dorf zu kämpfen. Jetzt zeigt ihr Protest einen ersten Erfolg: Der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr in Itzehoe kündigt eine erneute Verkehrszählung für die L 76 in Borstel an. Seit sieben Jahren ist dies dort nicht mehr gemacht worden ist. "Das wird noch im August geschehen", verspricht der zuständige Sachgebietsleiter Ditmar Schwien. "Im September werden die Ergebnisse vorliegen."

Zahlreiche Borsteler Bürger hatten im Frühjahr in einem privat organisierten Schichtdienst den täglichen Verkehr durch ihre Dorfstraße protokolliert und dabei eine Zunahme des Verkehrsaufkommens um rund 50 Prozent seit 2005 festgestellt. Statt 7112 Fahrzeugen am Tag, davon 650 Lkw, nutzen demnach heute 10 700 Fahrzeuge die L 76, davon 613 Lkw.

Diese Zahlen will der Landesbetrieb nun unter professionellen Bedingungen überprüfen, erläutert Sachgebietsleiter Schwien. "Wir werden an mehreren Tagen und auch am Wochenende die Verkehrsstärke zählen." Diese Daten würden dann die tatsächliche heutige Verkehrsbelastung an einem durchschnittlichen Tag ergeben. Auch der Verkehrslärm für die Anwohner würde mit den Messergebnissen berechnet. Eigentlich wollte der Landesbetrieb schon längst einschreiten. "Aber die teuren Messgeräte sind monatelang ausgefallen und mussten erst ersetzt werden", erklärt Schwien.

Aufgeschreckt hat die Bürgerinitiative in Borstel-Hohenraden auch die neue Lärmkartierung von 460 Kommunen in Schleswig-Holstein, die die Landesregierung jetzt unter www.umweltdaten.landsh.de/laermatlas veröffentlicht hat. Demnach handelt es sich bei der L 76 zwischen Pinneberg und Quickborn um eine nahezu ruhige Dorfstraße, während dieselbe Landesstraße zwischen Quickborn und der Autobahn 7 als erheblich verkehrsbelastet eingestuft wird.

"Wer hat da geschlafen?", fragt sich Borstels BI-Sprecher Harald Villmann. Schon mit den amtlichen Verkehrszahlen aus dem Jahr 2005 würden die L 76 rund 2,8 Millionen Fahrzeuge im Jahr befahren. Nach der eigenen Zählung der BI wären es heute 3,9 Millionen Pkw und Lkw. Da könne doch beim besten Willen von Landeseite nicht von einer unbelasteten Straße gesprochen werden, sagt der Anlieger in Borstel-Hohenraden. "Ist der Landesbetrieb Straßenbau nicht in der Lage, reale Zahlen weiter zu geben?"

Der Landesbetrieb reiche sein Datenmaterial selbstverständlich an die zuständigen Stellen in Kiel weiter, sagt Schwien. Auch jeder Bürger könnte auf Anfrage die Messergebnisse einsehen. Aber im Hamburger Umland gebe es viel stärker belastete Straßen wie zum Beispiel die L 319 bei Bramstedt, die von 1200 Lkw genutzt werde.

Die Borsteler Bürger, die seit Monaten mit Protestschildern in ihren Vorgärten ("Lärm macht krank") auf das Problem aufmerksam machen, wollen erreichen, dass die Behörden gegen die zunehmende Verkehrsdichte einschreiten, die zu Lärm und Gefahren insbesondere für Schüler auf ihrem Schulweg führe. Bis zu 82 Dezibel laute Trecker und Lkw, die knapp zehn Meter an ihren Häusern vorbeirauschen, haben sie selbst gemessen.

Der Forderungskatalog ist umfangreich: Er reicht von einer Lkw-Maut für die L 76 bis zu einem generellen Durchfahrverbot für den Schwerlastverkehr. Alternativ könnte der Straßenbelag durch den leiseren, sogenannten Flüsterasphalt ausgetauscht werden, schlagen Villmann und seine Mitstreiter vor. Auch einen Rückbau der Straße, wie dies in Kummerfeld und vor dem Golfplatz in Quickborn-Renzel geschehen ist, halten sie für möglich. Zudem sollte die Polizei regelmäßig die Geschwindigkeit vor allem im Bereich der Borsteler Grundschule überwachen, da viele Autofahrer sich nicht an das vorgeschriebene Tempo 50 hielten.

Sachgebietsleiter Schwien möchte den Anwohnern derzeit nicht versprechen, dass sich an der Situation der Verkehrsbelastung Entscheidendes verändert. Eine Mautgebühr für Lkw sei für die L 76 kaum umsetzbar. Ein Rückbau der Straße führe in aller Regel zu erhöhtem Verkehrslärm für einige Anwohner, weil der Scheitelpunkt der Straße verändert werde. Immerhin wird aber die Geschwindigkeit regelmäßig kontrolliert, sagt Kreissprecher Marc Trampe. Im Jahr 2011 seien vor der Grundschule in Borstel 13-mal Geschwindigkeitsmessungen gemacht worden.