310 Asylbewerber im Kreis Pinneberg erhalten nun mehr Geld. Dennoch ist eine vernünftige geseIlschaftliche Integration für sie damit kaum möglich.

Kreis Pinneberg. 225 Euro - davon mussten Asylbewerber im Kreis Pinneberg bisher ihre Existenz absichern. "Man muss immer genau rechnen. Einfach spontan mal rausgehen und ein Eis essen ist nicht drin", sagt Assia (Name geändert). Die 24-Jährige ist 2006 aus Syrien geflüchtet - und stand in Deutschland bis vor einem Jahr vor der Abschiebung. Mittlerweile hat die junge Frau, die im Kreis Pinneberg lebt und ihre Geschichte nur anonymisiert erzählen möchte, eine für ein Jahr befristete Aufenthaltsgenehmigung. Gemeinsam mit dem Diakonieverein Migration kämpft sie für einen dauerhaften Aufenthalt.

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes verstößt die bisherige finanzielle Ausstattung der Asylbewerber gegen die Menschenwürde. Übergangsweise sollen Sätze gelten, die sich an den Hartz IV- beziehungsweise Sozialhilfeleistungen orientieren. "Auf uns kommen nun jährliche Mehrkosten in Höhe von 123 000 Euro zu", sagt Kreissprecher Marc Trampe. Bisher fließen 453 000 Euro pro Jahr aus Kreismitteln an die Asylbewerber. Trampe: "Von dem Urteil sind kreisweit 310 Personen betroffen, die jetzt mehr Geld erhalten."

Assia gehört nicht mehr dazu. Die 24-Jährige bezieht derzeit Bafög-Leistungen, weil sie einen Kursus als Sozialpädagogische Assistentin absolviert. Das verdankt sie Larissa Jilek und Ludger Fischer vom Diakonieverein Migration, der kreisweit Asylbewerber betreut. Beide hatten die junge Frau als Gast in einen Integrationskursus geschickt, wo sie Deutsch lernen konnte. Heute beherrscht die 24-Jährige die Sprache fast perfekt.

"Das ist keineswegs selbstverständlich", sagt Fischer. Laut Vorschriften dürfen Flüchtlinge einen Integrationskursus erst dann besuchen, wenn ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist. "Das dauert oft Jahre", ergänzt Jilek. So lange ist der Kursusbesuch ebenso verboten wie das Aufnehmen einer Arbeit. "Da sind viele junge Leute, die über Jahre von Arbeit und Bildung ferngehalten werden", kritisiert Fischer. Sie würden unterhalb des Existenzminimums leben müssen. Fischer: "Wir müssen ihnen ganz häufig die Adresse der DRK-Kleiderkammer in Rellingen in die Hand drücken." Und viele würde der Verein zur Pinneberger Tafel schicken, damit sie sich mit Lebensmitteln versorgen könnten. Fischer fordert, das Arbeitsverbot sofort aufzuheben und den Flüchtlingen schnellstmöglich Zugang zu Integrationsleistungen zu gewähren.

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Wenn Assias Aufenthaltstitel Mitte 2013 ausläuft, muss die junge Frau nachweisen, dass sie sich in Deutschland integriert hat, um bleiben zu können. Die 24-Jährige hat gute Chancen, weil sie frühzeitig den Integrationskursus besuchen durfte. "Als ich 2006 nach Deutschland kam, war ich zuerst in Lübeck und Neumünster. Dort kam zwei Tage in der Woche für eine Stunde eine Lehrerin, die uns ein wenig Deutsch beibrachte", erinnert sich Assia. Das sollte insbesondere dazu dienen, sich mit den Behördenvertretern wenigstens etwas verständigen zu können.

Die damals 18-jährige, deren Familie kurdischer Abstammung ist und daher in Syrien verfolgt wurde, musste lange kämpfen, in den Kreis Pinneberg kommen zu dürfen. Hier lebten bereits ihr Vater, dem 1996 die Flucht gelungen war, sowie ihre Mutter und die drei jüngeren Geschwister, die später ausreisen konnten. Erst auf dem Klageweg gelang die Familienzusammenführung.

Heute wohnt die Familie mit sechs Personen in einer kleinen 2,5-Zimmer-Wohnung. Alle haben eine befristete Aufenthaltserlaubnis. "Es ist leider kaum möglich, Wohnungen für Asylbewerber anzumieten", bedauert Fischer. Dabei seien sie ähnlich solvente Mieter wie Empfänger von Sozialleistungen, schließlich überweise der Staat pünktlich die Miete. Und auch die Suche nach einer Arbeitsstelle sei - wenn die entsprechende Erlaubnis erteilt wurde - nicht gerade einfach. Assia ist trotzdem optimistisch. "Ich bin hergekommen, um zu arbeiten", sagt die junge Frau. Sie will Erzieherin werden. Das ist derzeit ein sehr gefragter Beruf.