Fünf Monate Haft auf Bewährung für den Quickborner Erben der Schrotthändlerdynastie. Acht Jahre beschäftigte der Fall das Amtsgericht.

Quickborn/Norderstedt. Die Mitglieder der Familie Kiesow sind nach einem zermürbenden Rechtsstreit um eine Erfahrung reicher. Zuweilen dauern die Entscheidungen der Justiz länger als so manches Autoleben. Im Jahr 2004 erschütterte ein Erbschaftsstreit die Familie, die in Norderstedt ein ansehnliches und einträgliches Imperium mit der Verwertung alter Autos aufgebaut hat.

Es ging um sechsstellige Summen und um ein familiäres Zerwürfnis. Doch erst jetzt hat das Amtsgericht Pinneberg nach zwei geplatzten Verfahren Recht gesprochen und den 62 Jahre alten Martin Kiesow wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten mit der Auflage verurteilt, 15 000 Euro an die Deutsche Krebshilfe zu zahlen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Verkracht waren die Kiesows seit Jahrzehnten, ein schmutziger Krieg begann mit dem Tod der Witwe des Firmengründers Carl Kiesow im Jahr 2004. Ihre Söhne Martin, Karl-Hermann und Mario sollten laut Erbvertrag in den Genuss des ansehnlichen Erbes kommen. Die Nachlassregelung erwies sich jedoch komplizierter als gedacht, da die Witwe Kiesow noch wenige Tage vor ihrem Tod abweichend vom Vertrag handschriftlich verfügt hatte, Bekannte und Familienmitglieder mit Wertgegenständen und Geld zu bedenken.

Er habe nur den letzten Willen seiner Mutter erfüllt, sagt Martin Kiesow

Diese Vermächtnisse seiner Mutter will Martin Kiesow nach eigener Auskunft erfüllt haben. 146 000 Euro hob er dafür von den Nachlasskonten ab und brachte damit seinen Bruder Karl-Hermann gegen sich auf, der daraufhin Anzeige erstattete.

Dass er das Geld abgehoben hat, bestreitet Martin Kiesow nicht. In langatmigen Erklärungen hatte der Unternehmer aus Quickborn bereits im Juni 2011 vor dem Amtsgericht versucht, die Ausgaben mit dem Vermächtnis seiner Mutter zu erklären. Er habe sich nicht bereichert, sondern nur den letzten Willen seiner Mutter erfüllt, sagte er.

Außerdem stünden ihm 100 000 Euro zu, da die Mutter Schulden von weit mehr als 300 000 Euro beim Kiesow-Konzern gehabt habe. Der Steuerberater von Martin Kiesow, der die Geldverschiebungen angeblich als unbedenklich bezeichnet hatte, sollte vor Gericht die Angelegenheit erklären, doch dazu kam es nicht mehr. Er starb, bevor er aussagen konnte.

"Er hat unberechtigt wenigstens 100 000 Euro behalten", sagt der Norderstedter Rechtsanwalt Herwig Haustein, der Karl-Hermann Kiesow vor Gericht vertritt. Noch wenige Stunden vor der Beerdigung der Mutter habe Martin Kiesow verfügt, Geld vom Konto der Erbengemeinschaft auf sein eigenes zu transferieren. Zu diesem Zeitpunkt lag ihm laut Haustein bereits ein schriftliches Verbot von Bruder Karl-Hermann vor, das gemeinsame Erbe anzutasten. Karl-Hermann pocht seit acht Jahren darauf, dass der Erbvertrag erfüllt werden muss.

Diese Rechtsauffassung wurde nach langem Hickhack in mehreren Instanzen vom Oberlandesgericht in Schleswig im Juni 2007 bestätigt. "Die handschriftlichen Vermächtnisse sind ungültig", sagt Haustein.

Das Oberlandesgericht kam außerdem zu der Einschätzung, dass die angeblichen Verbindlichkeiten der Mutter Kiesow gegenüber dem Unternehmen nicht bewiesen wurden. Damit war der zivilrechtliche Streit ums Geld entschieden. Martin Kiesow musste das am Tag der Bestattung eingeheimste Geld zurückzahlen. 136 000 Euro liegen seitdem auf einem Sperrkonto des Pinneberger Amtsgerichts.

Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht entschieden, ob sich Martin Kiesow auch strafbar gemacht hatte. Haustein und sein Mandant standen vor der außergewöhnlichen Situation, dass in derselben Sache die Zivilrichter schneller entschieden hatten als die Strafrichter. Und sie mussten sich damit abfinden, dass das Amtsgericht Pinneberg beachtliche acht Jahre benötigte, um im dritten Anlauf in erster Instanz zu einem Urteil zu kommen.

Das Verhältnis der Brüder gilt als hoffnungslos zerrüttet oder - wie es ein Prozessbeobachter formulierte - als schrottreif. Karl-Hermann Kiesow hat sich im bayerischen Sonthofen niedergelassen. Mario Kiesow zog es noch weiter fort. Er lebt seit Jahren in Neuseeland. Auch gegen ihn hatte Karl-Hermann Anzeige wegen vermeintlich unzulässiger Geschäfte mit dem Erbe erhoben, doch der Fall verjährte. "Wegen Untätigkeit der Staatsanwaltschaft", sagt Haustein.

Offen ist, wohin das Geld von dem Sperrkonto fließen wird. "Das gehört der Erbengemeinschaft", sagt der Rechtsanwalt. "Und eine Erbengemeinschaft darf nur gemeinsam Entscheidungen treffen."