Zwei Familienbetriebe aus dem Kreis Pinneberg sind rund um den Globus für ihre Blumen bekannt. W. Kordes' Söhne will das Fairtrade-Siegel.

Uetersen. Der norddeutsche Himmel spannt sich blau über die Gewächshäuser von Rosen Tantau in Uetersen. Georg Wieners öffnet die Tür zu einer der Glashallen, und sofort weht dem Besucher der Geruch nach Erde entgegen, der Duft feucht-dampfender Fruchtbarkeit. Bunte Farbtupfer stechen aus einem grünen Blätterwald hervor, rote, rosafarbene, sogar lila-bläuliche Rosen wachsen hier in langen Reihen. Beim Gang zwischen den Pflanzungen hindurch fallen hoch aufgeschossene Blumen auf, aber auch Rosen mit wenigen Dornen und überraschende Blütenformen. "Das ist eine aktuelle Rosensorte, sie sieht etwas nostalgisch aus", sagt Wieners und zeigt auf eine volle Blüte, die in ihrer romantischen Schönheit auch einem Rosamunde-Pilcher-Film entstammen könnte. Der 47-Jährige ist bei Rosen Tantau als Prokurist und Marketingchef tätig und spricht als "Außenminister" des Unternehmens für Christian Evers, den Inhaber, der sich lieber im Hintergrund hält.

Einige der Rosen, die Wieners hier hütet wie andere Leute ihren Familienschmuck, werden dereinst auf der ganzen Welt für strahlende Augen sorgen. Rosen Tantau züchtet Blumensorten. Die besten eines Jahrgangs werden später in Ecuador oder in Kenia auf riesigen Farmen angebaut und dann bei Kunden in den USA, in Europa oder Asien in der Vase duften. Etliche der begehrtesten und wertvollsten Züchtungen, die Rosenanbieter weltweit in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht haben, kommen aus dem Hause Tantau. "Es ist eine Mischung von Gespür und ganz viel Erfahrung", sagt Wieners. Sein Arbeitgeber betreibe dieses Geschäft schon seit 1906.

Offenbar liegt diese Begabung den Norddeutschen in den Genen: Nur ein paar Kilometer von Rosen Tantau entfernt sitzt in Klein Offenseth-Sparrieshoop mit W. Kordes' Söhne ein wichtiger Wettbewerber. Die beiden Familienunternehmen im Kreis Pinneberg dominieren den weltweiten Rosenmarkt. Beim Thema Zahlen üben sich die Firmen in hanseatischer Zurückhaltung, es heißt aber, Kordes sei größer.

+++ Traditionsreiche Blumenzucht seit mehr als 100 Jahren +++

Bei Rosen Tantau hat es in den vergangenen Monaten noch einmal Zuwachs in der Fläche gegeben, mit einer Millioneninvestition hat sich das Unternehmen weitere Betriebsflächen gesichert und neue Gewächshäuser gebaut. "Wir konzentrieren uns neben den Züchtungen auch mehr und mehr auf Containerpflanzen", sagt Wieners. In diesem Jahr will der Betrieb mit 80 Mitarbeitern auf 150 000 Containerrosen kommen. Sie werden in Gartencentern oder Baumärkten zum Einpflanzen oder für den Balkon verkauft. Tantau ist auf diesem Gebiet inzwischen der größte Anbieter in Schleswig-Holstein.

Mit der Unternehmenssparte der Züchtungen verdient Rosen Tantau, indem Lizenzen vergeben werden. Von der Firma rund 40 Minuten von Hamburg entfernt stammen Berühmtheiten wie Black Magic oder Milva. Gekauft werden die Lizenzen für deren Anbau von den Farmern, die in Südamerika oder Afrika sitzen. "Früher wurden die Rosen noch in Europa produziert, heute zu 80 Prozent in Afrika", sagt Wieners. Die Farmen auf dem Schwarzen Kontinent nutzen das wärmere Klima und die günstigeren Energie- und Personalkosten aus. Sie ziehen Millionen Rosen im Jahr groß, für den Bedarf in den Industrieländern, mit ihren unterschiedlichen Vorlieben. "Die Europäer wollen oben abgeflachte Blüten, das ist besser für Rosen im Bund, die Amerikaner bevorzugen langstielige, großblumige Sorten", sagt Wieners.

Während Tantau sich auf die Zucht der Schnittblumen beschränkt, betreibt Kordes in Kenia eine eigene Farm. Ein Schritt, der mit einigem Risiko verbunden war und für viel Aufhebens in der Branche gesorgt hat: Die Investitionen von Ausländern in Afrika und die dortige massenhafte Produktion haben die Bedingungen auf den Rosenfarmen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Zwei Stunden von der Hauptstadt Nairobi entfernt arbeiten Tausende Kenianer in den Gewächshäusern, viele spritzen Pestizide ohne Schutzkleidung, verdienen nur wenige Cent in der Stunde und ruinieren ihre Gesundheit in der giftigen Arbeitsumgebung. "Es gelten dort nur die afrikanischen Standards, also praktisch keine", weiß auch Wieners. Zudem trocknet der äußerst wasserintensive Rosenanbau den Naivasha-See aus, Tausende Fische sind verendet. "Andererseits sind dort neue Straßen entstanden, Schulen und Krankenhäuser, und das Land ist nicht mehr nur abhängig vom Tourismus. Es hat eben alles zwei Seiten", sagt Wieners, der die Farmen auf der ganzen Welt mehrmals im Jahr besucht.

Die Firma Kordes hat auf den Imageschaden reagiert, den die Schlagzeilen über das Investment in Kenia mit sich gebracht haben: "Wir bewerben uns jetzt um das Fairtrade-Siegel", sagt Stefanie Voßbeck von Kordes. Es sei nur noch eine Frage von wenigen Wochen, und die eigene Farm "Kreative" in Afrika erfülle alle Bedingungen für diesen Handels-TÜV. Die Verbraucher könnten zu besseren Lebensumständen in den Herkunftsländern beitragen, wenn sie beim Rosenkauf auf das Fairtrade-Zeichen achteten, sagt Voßbeck.

Tantau dagegen hat seine Aktivitäten seit jeher auf Uetersen beschränkt. "Wir agieren ziemlich konservativ", sagt Wieners. Für das Image der Firma war diese Zurückhaltung ein Glücksfall, auch wenn Rosen Tantau natürlich indirekt von dem beschleunigten Wachstum des weltweiten Rosenmarktes profitiert. Schließlich erschließen die riesigen Billigfarmen in Afrika neue, preissensiblere Käuferschichten für die Blumen. Die Globalisierung hat genauso wie die Textilindustrie, die heute zum großen Teil in Fernost produziert, auch diesen Markt revolutioniert. Im Guten wie im Schlechten.

"Früher haben sich viele Leute nur am Valentinstag oder zum Geburtstag Rosen geleistet, heute nehmen sie schnell einen Strauß für zwei Euro beim Discounter mit", sagt Wieners, als er durch die Reihen der Pflanzen geht und die Blätter prüft. Wenn kleine Punkte auf ihnen sitzen, sind sie von Insekten befallen, die der Agraringenieur hier nicht haben will. "Wir setzen zur Gegenwehr in der Zucht aber nur Nützlinge ein", sagt Wieners. Bei Tantau soll es auch in Zukunft nur nach Rosen duften, nicht nach Pestiziden.