1600 Seelen-Gemeinde kurzzeitig im Mittelalter: In Brande-Hörnerkirchen feierten Hunderte am Wochenende das Hörnerfest.

Brande Hörnerkirchen. Der Mann schlägt mit einer Axt auf seinen Gegner ein. Der hebt schützend sein schweres Schild hoch, fängt den Schlag ab. Mit dem Schwert in der Hand geht er zum Gegenangriff über. Er trägt ein Kettenhemd, seinen Kopf schützt er mit einem Eisenhelm. Er erschwert das Atmen, die Sicht ist stark eingeschränkt. Am Rand verfolgen Zuschauer den Kampf. Über allem dröhnt Heavy Metal.

Wenn in Brande-Hörnerkirchen Metal auf Mittelalter trifft, dann ist Hörnerfest - und die 1600-Seelen-Gemeinde im Ausnahmezustand. Metalfans in Wacken-T-Shirts mischen sich unter Äxte tragende "Wilde". Liverollenspieler tragen selbst geschneiderte Ledermasken, hinter denen sich freundliche Gesichter verbergen. Händler vertreiben Holzschwerter für kleine Nachwuchsritter. Bogenschützen zielen auf ein Plüschtier, das mit einem Pfeil an die Zielscheibe geheftet ist.

Gaukler Arne Feuerschlund jongliert mit Fackeln und Messern und sorgt mit seinem losen Mundwerk für Lacher. Zwischendurch beißt der Rostocker, der wie er selber sagt, kampferprobt durch das gefürchtete norddeutsche Publikum ist, von einem Apfel ab und sagt: "Kinder, ihr wundert euch bestimmt. Ich darf mit vollen Mund reden und dabei noch das Publikum bespucken." "Und mit Messern spielen", schreit ein Zuschauer dazwischen. "Und wisst ihr, was das beste daran ist?", fragt Arne Feuerschlund. "Ich kann auch noch davon leben." Für Unterhaltung sorgen auch Bands wie Versengold, Ingrimm oder Black Messiah auf der Bühne an der Schierenhöhe. Zwischen zwei Auftritten ertönen ungewohnte Klänge aus einem S-förmig geschwungenen bronzezeitlichen Blasinstrument. Mario Schramm aus Ellerbek bläst in die 3,60 Meter lange Lure aus Horn und Metall, die er selbst gefertigt hat. 600 Stunden hat er daran gebaut. "Sie ist so groß wie ein junger Mammut", sagt der Restaurator stolz.

+++ In Brande-Hörnerkirchen geht es zu wie im Mittelalter +++

Wie viel Bier mag da wohl reinpassen, hat sich der ein oder andere Festivalbesucher sicher gefragt. Denn viele tranken ihren Gerstensaft aus kleinen Hörnern. Birgit Mendler verziert an ihrem Stand die Hörner, brennt ihnen Muster ein. Sie trägt Nomadenblut in sich, sagt die Händlerin aus Krummwisch. Sie lebt das Mittelalter, gehörte sogar einer Sippe an. Noch heute feiert sie Midsommer mit allen Traditionen. "Ich war früher viel auf Kunsthandwerkermärkten unterwegs", sagt Birgit Mendler. "Aber auf Mittelaltermärkten ist der Zusammenhalt viel stärker."

Gleich nebenan hat Thomas Weber seinen Stand. Die Waffen, die er vertreibt, wurden authentisch nach alten Büchern gefertigt. Mit ihnen ist er von April bis Weihnachten auf Märkten unterwegs. "Die Menge der Mittelaltermärkte hat zugenommen", sagt der Hamburger. "Die Qualität leidet darunter." Das sei beim Hörnerfest zum Glück anders. "Das hier ist wie Wacken in Klein." Soll heißen: Die Stimmung ist gut, die Feierwütigen wie eine Familie.

Das kann Aki, der Südschwede, nur bestätigen. Auch wenn Metal nicht ganz nach seinem Geschmack ist und er lieber den Klängen mittelalterlicher Musik lauscht. Der gebürtige Rüganer trägt Kaninchenfell zu Prunkaxt. Den Kopf des bärtigen Mannes ziert eine Mütze aus Fuchsfell, an seinem Gürtel hängen Messer und Hörner. So schnell bringt ihn nichts ins Schwitzen: "Ich bin es gewohnt, im Sommer mit Fellen rum zu laufen." Er schätzt die familiäre Atmosphäre hier und auch das gute Essen, das die Frauen gerade zubereiten.

"Wir kochen nur mit Lebensmitteln, die es im Mittelalter gab", sagt Annette. In ihrem Lager spielen Nachnamen keine Rolle, die meisten tragen hier sowieso Spitznamen und duzen sich. Michaela schneidet Lauch und Speck für den Kohleintopf, den sie später mit Bier aufgießt. Statt Kartoffeln und Nudeln gibt es Graupen und Hirse. Gestern wurde Huhn mit Spätzle und Steinpilzen aufgetafelt. "Wir leben nicht schlecht", sagt Annette, die von ihrer Tochter Lisa an das mittelalterliche Leben herangeführt wurde. "Früher haben wir Lisa zu den Festen gefahren, weil sie keinen Führerschein hatte", sagt die Hamburgerin. Heute lagert sie selbst im Sommer einmal im Monat. Was denn das Schöne am Hörnerfest sei? "Obwohl hier alle bewaffnet sind, gibt es keine ernsthaften Rangeleien."