Kritik am Vorstoß der Landesregierung, die erlaubten Cannabismengen weiter zu erhöhen. Skepsis herrscht auch bei der Polizei.

Kreis Pinneberg. Der Vorstoß der Dänen-Ampel, den Umgang mit Drogen zu liberalisieren, hat auch im Kreis Pinneberg eine Debatte losgetreten. Täglich kämpfen Sozialpädagogen, Therapeuten und Psychologen darum, die Lebenssituation von Menschen, die durch Suchterkrankungen bedroht sind, und die der Angehörigen zu verbessern. 2063 Menschen suchten 2011 in den Suchtberatungsstellen des Kreises Hilfe. Davon waren 492 Klienten süchtig nach illegalen Drogen wie Heroin, Kokain, Cannabis oder LSD und 1571 abhängig von legalen Suchtmitteln wie Alkohol, Medien oder Tabletten.

Die Landespolitiker wollen die erlaubte Haschischmenge von sechs auf zehn bis 15 Gramm erhöhen und einen Drogen-TÜV einführen. Der Konsument soll künftig illegale Substanzen auf ihre Reinheit testen lassen können. Doch gerade bei dem Schnelltest können die Ergebnisse verfälscht werden, warnt Wolfgang Weidig von der Fachklinik Bokholt in Bokholt-Hanredder, wo Erwachsene und Jugendliche einen Entzug machen können. Weidig befürwortet, dass die Drogenkonsumenten ein Stück weit aus der Illegalität geholt und die Gefahren für sie verringert werden. Doch ob der Drogen-TÜV praktikabel ist, zweifelt er an. Zu viele Fragen seien noch offen. "Wer soll beispielsweise die Kosten übernehmen? Der Süchtige wird wohl kaum dafür bezahlen."

Er kritisiert den Alleingang der Regierung, ohne die Suchtexperten einzubeziehen. Weidig hält nicht viel davon, den Eigenbedarfswert von Cannabis anzuheben. "Gerade jüngere Menschen dürften die Diskussion als einen Freifahrtsschein fürs Kiffen verstehen", sagt der Sozialpädagoge.

Auch Hans-Jürgen Tecklenburg, Leiter der Ambulanten und Teilstationären Suchthilfe (ATS) in Quickborn und Tornesch, ist skeptisch: "Der Drogen-TÜV wurde bereits in verschiedenen Modellprojekten getestet."

Dennoch sei vieles ungeklärt. "Wer haftet, wenn der Test das falsche Ergebnis bringt? Dürfen illegale Drogen legal getestet werden?" Der Diplom-Psychologe fordert, dass Maßnahmen wie der Drogen-TÜV in ein Präventionskonzept einfließen. "Dem Abhängigen, der seine Drogen testen lässt, müssen Alternativen zum Konsum aufgezeigt werden."

Gerade Jugendlichen sei die Gefahr nicht bewusst. Viele wüssten nicht, dass es sich um eine illegale Droge handelt. Gern würde argumentiert, dass Alkohol größeren Schaden anrichte als Haschisch. "Der Vergleich hinkt", sagt Tecklenburg. Jedes Suchtmittel berge Gefahren. Cannabis kann körperliche und psychische Probleme verursachen. "Studien gehen davon aus, dass es krebserregend ist. Zudem sind die Anreicherung im Gewebe und langfristige Folgen nicht ausreichend erforscht."

Michael Vogelbruck, Leiter der Suchtberatung der Diakonie in Elmshorn, beobachtet zunehmend einen sorglosen Umgang mit der sogenannten sanften Droge. "Dabei sind die Inhaltsstoffe viel stärker geworden", sagt er. Die Gefahr durch Cannabis sei deutlich erhöht. "Psychosen wie Paranoia und Angstzustände sowie Nervenerkrankungen haben stark zugenommen", sagt Vogelbruck. Der Entzug geht häufig mit Schlafstörungen einher. Wer abhängig ist vom Gras, hat oft Probleme, sich zu konzentrieren, leidet unter Depressionen oder Sprachschwierigkeiten.

Anita Schanz-Lorefice leitet die AWO-Suchthilfe in Schenefeld. Die Suchttherapeutin glaubt nicht, dass die Probleme gelöst werden, nur weil die Politik ein wenig an der Schraube dreht. Doch wenigstens würde nun darüber geredet. "Es muss ein anderes Bewusstsein für Sucht geschaffen werden", sagt sie. "Sucht hat viele Nuancen. Doch es geht immer darum, eine innere Leere auszufüllen." Es gilt die Wurzeln für die Süchte auszumachen und so früh wie möglich präventiv tätig zu werden. Hier leiste der Kreis gute Arbeit. "An den Schulen werden hochwertige Konzepte in Kombination mit Gewaltprävention durchgeführt", sagt Schanz-Lorefice. Den Drogen-TÜV vor Diskotheken hält sie für Wahnsinn. Das käme einer Freigabe gleich. "Man könnte meinen, die Politiker wollen Jungwähler ködern."

Heinz Parchmann, Chef der Polizeidirektion Bad Segeberg, hält nichts davon, den Einstieg in den Drogenkonsum zu erleichtern. "Cannabis gilt als Einstiegsdroge. Zwar landet nicht jeder, der Cannabis konsumiert, später bei harten Drogen. Aber jeder, der harte Drogen nimmt, hat einmal mit Cannabis angefangen." Die Eigenbedarfsmengen von Cannabis-Produkten zu erhöhen, sieht Parchmann skeptisch. "Das kann Dealern in die Hände spielen. Die haben dann genau die Menge dabei, die sie dabei haben dürfen, so dass wir sie laufen lassen müssen. Und wenn alles verkauft ist, holen sie aus einem ihrer Depots Nachschub. Die notwendige Beweisführung wird schwieriger." Auch einem Drogen-TÜV steht der oberste Polizist des Kreises ablehnend gegenüber. "Wenn wir so etwas wie ein staatliches Qualitätssiegel für einwandfreie Drogen haben, könnten Dealer das nutzen, um nachzuweisen, dass sie saubere Drogen verkaufen. Unklar ist auch die Haftungsfrage bei Fehlanalysen."

Parchmann weist darauf hin, dass es bisher nur politische Absichtserklärungen, jedoch keine konkreten Vorschläge zur Umsetzung gibt. "Die Polizei und die Gerichtsbarkeit sind meines Wissens bisher nicht beteiligt worden." Das werde wohl in einem der nächsten Schritte erfolgen. Welche konkreten Auswirkungen etwaige Änderungen für den polizeilichen Alltag haben, vermag Parchmann noch nicht abzuschätzen. Grundsätzlich konzentriere sich die Polizei auf Dealer und deren Lieferanten. Parchmann: "Die Konsumentenkriminalität ist so etwas wie ein Abfallprodukt." Gerade in diesem Bereich gebe es ein sehr hohes Dunkelfeld.