Rückblick: Der Rauswurf des Drosteichefs, Pop, Rock, Klassik und Kleinkunst bewegten 2011 die Kulturszene im Kreis Pinneberg.

Kreis Pinneberg. Am 26. Juli feuerte der Vorstand der Stiftung Landdrostei seinen Geschäftsführer Stefan Dupke. Keine andere Nachricht des zu Ende gehenden Jahres löste ähnliche Schockwellen unter den Kulturschaffenden und -förderern im Kreis aus wie diese Personalie.

Der damals 41-jährige Kulturmanager war über finanzielle Unregelmäßigkeiten gestolpert. Es ging um 30 000 Euro aus dem Stiftungstopf. Zwar hatte Dupke nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet, sondern das Geld in den Betrieb des Kreiskulturzentrums gesteckt. Damit hatte er allerdings entgegen den Vorschriften der Satzung gehandelt. Und genau das legte der vierköpfige Vorstand um Landrat Oliver Stolz und Kreispräsident Burkhard Tiemann dem in der regionalen Kulturszene hoch geachteten Dupke zur Last. Ebenso wie die Tatsache, dass er die Jahresabschlüsse verspätet vorgelegt hatte. Dass der Vorstand selbst als Aufsichtsgremium diesen Missstand längst hätte bemerken und abstellen müssen - diese Tatsache spielten die Drostei-Gewaltigen herunter - durchaus zum Missfallen der Künstler und Kulturförderer im Kreis. Unisono zollten sie dem geschassten Geschäftsführer Respekt für sein Engagement für das Haus, das pikanterweise erst im Juni 2011 höchst festlich sein 20-jähriges Bestehen als Kreiskulturzentrum begangen hatte.

Dupke selbst war sofort abgetaucht. Während Künstler und Stiftungsvorstand über ihn, seine möglichen Versäumnisse und die Zukunft der Drostei stritten, verweigerte er jede Stellungnahme.

Obwohl Stolz und Tiemann noch im Oktober verkündet hatten, die Nachfolge noch in diesem Jahr zu klären, ist der Chefsessel bis heute leer. Der Verwaltungsfachmann Siegfried Retzke, stellvertretender Leiter des Kulturamts beim Kreis Pinneberg, leitet das Haus nach wie vor kommissarisch. Künstlerische Chefin ist vorläufig Rita Strate.

Erschüttert reagierten weite Teile der Kulturszene im Kreis auch auf eine weitere Hiobsbotschaft: Im November verstarb der legendäre Liedermacher Franz Josef Degenhardt nach langer Krankheit im Alter von 79 Jahren. Sein Lied "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" hatte ihm 1965 deutschlandweit zum Durchbruch verholfen. Vor mehr als 25 Jahren hatte der "Klassenkämpfer mit Klampfe" (so titelte das Abendblatt am 16. November) in Quickborn seine Wahlheimat gefunden. 2001 hatte der Kreis seinen berühmten Bürger mit dem Kulturpreis ausgezeichnet.

Solchen tragischen Personalien standen im abgelaufenen Kulturjahr allerdings auch eine Reihe positiver Entwicklungen gegenüber: Einen der größten Triumphe feierte der Schauspieler, Filmemacher und Autor Jan Georg Schütte. Im November gewann der Seestermüher den renommierten ARD-Hörspielpreis mit seiner Produktion "Altersglühen". Den Reigen von Auszeichnungen hatte Autor Wolfgang Sieg. 75, im Januar eröffnet: Der Erste Stadtrat Elmshorns, Volker Hatje, überreichte dem ehemaligen Lehrer an der früheren Elmshorner Realschule am Probstenfeld und der Gesamtschule, den Kulturpreis der Krückaustadt. Damit ehrten die Stadtväter und -mütter Sieg für das, was den Autor in ganz Norddeutschland bekannt gemacht hatte: Seine plattdeutschen Beiträge für die NDR-Serie "Hör mal n beten to", seine Bücher und Hörspiele, seine Texte in der Satirezeitschrift "Pardon". Sieg agierte auch vor der Filmkamera - in Detlev Bucks Kinostreifen "Karniggels" spielte er eine Nebenrolle und hatte als Co-Autor auch am Drehbuch mitgeschrieben.

Die beiden Kreiskulturpreise 2011 verlieh Kreispräsident Burkhard Tiemann im November an die Fotokünstlerin Pitt Sauerwein und die Jazzgitarristin Sandra Hempel. Den kreisweit renommiertesten Preis für den Musiknachwuchs, den zum elften Mal verliehenen und mit insgesamt 3000 Euro dotierten Jugendmusikpreis des Rotary Clubs Wedel, erhielten im Februar Flötist Tilman Clasen, 11, Pianist Alexander Hermann, 17, und die Schülerband Silent Surprise des Wedeler Johann-Rist-Gymnasiums.

Schöne Geste eines anderen Preisträgers: Die Elmshorner Band Morison gewann den Uetersener "Musik Sucht! Töne"-Wettbewerb - und reichte den Preis, eine Aufnahme in einem professionellen Tonstudio, an den Zweitplatzierten Kahuna weiter. Denn über Studioaufnahmen verfügte das Siegerquartett bereits. Auch zwei Filmprojekte bleiben in Erinnerung: die jungen Uetersener Gerrit Gronau und Leif Kähler bekamen für ihren Film "Kalter Frühling" im Dezember in der Drostei den mit 1000 Euro dotierten ersten Preis der "Jugendinitiative mit Pfiff". Ausgezeichnet wurde auch eine Initiative von Kripo, Kreisjugendring, Jugend- und Kommunikationszentrum Schenefeld (Juks) sowie Pinneberger Bühnen, die mit Jugendlichen einen Film über Cyber-Mobbing unter Schülern schrieben und drehten.

Den Klassikfans werden die 16 Konzerte des Schleswig-Holstein Musik Festivals in Elmshorn, Rellingen, Haseldorf und zum ersten Mal auch in Schenefeld in Erinnerung bleiben. Vom im Vorfeld enorm umstrittenen Auftritt der tanzenden Derwischen im ehrwürdigen Rellinger Gotteshaus bis zu Edel-Klarinettistin Sabine Meyer in der Elmshorner Reithalle. Auch das Rellinger Maifestival gehört zu den Glanzlichtern klassischer Musik im Kreis.

Als unangefochtener Partyschwerpunkt geht das zweite Augustwochenende in die Annalen ein: Tausende von Zuschauern strömten im August zur Massenparty "stars@ndr2" des Norddeutschen Rundfunks vor dem hochsommerlichen Wedeler Elbpanorama, zur 16. Ausgabe des Pinneberger Festivals "Summer Jazz", zum Uetersener "Rock'n'Rose" und zum Festival "Rock am Pool" in Quickborn. Als Publikumsmagnet hatte sich bereits im Juni das Kleinkunstfestival "Comedy & Arts" in der Pinneberger Innenstadt erwiesen. Vom Start weg ein Hit war das allererste "Weiße Dinner" im August vor der Drostei.

Für viele Jugendliche ging die Post bei Rockfestivals wie "Wake Up Pi", dem Kummerfelder "Ackerfestival", "Headbanger's Open Air" in Brande-Hörnerkirchen ab. Auch die Elmshorner "Nacht der Gix" im Herbst stieß auf ein breites Echo.

Als denkwürdige Ereignisse im Ausstellungswesen dürfen die Bilderschau des früheren Weltklassetorhüters und heutigen Malers Rudi Kargus in der Drostei und die ambitionierte Expressionismus-Schau "Das Große Welttheater" im Wedeler Ernst-Barlach-Museum gelten.

Was war noch? Ach ja: Das Uetersener Kloster feierte seine ersten 777 Jahre, die Künstlergilde den 60. Geburtstag und Waltraut Buchholz, langjährige Chefin des Kreiskulturverbands, gab nach 13 Jahren an vorderster Front den Stab weiter an Elke Ferro-Goldstein. (abendblatt.de)