Adventskalender: Wedels Stadtinspektorin Andrea Griehl öffnet die Tür zur Kunstsammlung mit Bildern des Landschaftsmalers Rudolf Höckner.

Wedel. Die Tür im Keller des Wedeler Rathauses führt zum namenlosen Raum. Zwar hat das Zimmer selbstverständlich eine Bezeichnung, wie es sich für eine ordentliche Verwaltung gehört, doch er steht nicht dran und selbst die Zahlen-Buchstaben-Kombination des Türschilds darf nicht genannt werden. Denn in dem Raum lagern die Kunstschätze der Stadt Wedel. Es sind Werke im Wert von mehr als einer halben Million Euro. Neben dem Nachlass des Künstler-Ehepaars Amschler sind es die Bilder des Landschaftsmalers Rudolf Höckner, die in schlichten Metall-Regalen gestapelt sind.

Andrea Griehl ist die Hüterin der Kunstwerke. Die Stadtinspektorin im Kulturamt verwahrt die 272 Bilder des Malers, der zwischen 1915 und 1941 in Wedel lebte und Ehrenbürger der Stadt ist, weil er sie und ihre Umgebung in einer Weise verewigt hat, die über das Lokale hinaus strahlt.

Er zauberte die Landschaften in Öl auf Leinwand, in schlechter Zeit oft nur auf Papierreste, so dass viele seiner Werke lediglich ein Format haben, das Postkarten ähnelt - doch trotzdem Liebhaber findet, die zwischen 200 und 300 Euro selbst für diese Mini-Malereien zahlen. Sie machen den Großteil der Schätze hinter der Tür aus.

Zur Lebenszeit des Künstlers waren sie zu einem Bruchteil zu bekommen. Denn Höckner war bitterarm. Er wohnte in einer kleinen Dachgeschosswohnung an der Mühlenstraße und zahlte die Miete nur allzu oft mit seinen Bildern. Was für den gutmütigen Vermieter seinerzeit eher eine Last war, weil man kaum etwas zu essen hatte, erwies sich in den besseren Nachkriegszeiten als Glücksfall: Die Nachfahren des Vermieters können sich über Dutzende wertvolle Höckners freuen.

Höckner malte für Mahlzeiten, revanchierte sich aber auch bei der Stadt mit einigen Kunstwerken für Leistungen der Fürsorge. Diese Bilder stellten den Grundstock der städtischen Sammlung, die nach dem Krieg Zug um Zug erweitert wurde. Einen "Hauptgewinn" zog die Stadt in den 90er-Jahren: Die Nichte des Malers ging ins Altersheim und löste ihre Sammlung auf, die Stadt griff zu. Darüber hinaus kaufte die Kommune im Laufe der Jahre von Galerien und Privatpersonen Stück um Stück hinzu und sicherte so das Werk ihres Ehrenbürgers.

Rudolf Höckner - dass seine Bilder wie "Weg nach Fährmannssand", "Schulauer Hafen" und "Alte Stocksbrücke" auch 70 Jahre nach seinem Tod ungebrochen beliebt sind, belegt, dass der legendäre "Maler der Stille" einen Nerv getroffen haben muss, der Generationen verbindet. Jürgen Doppelstein, Vorsitzender der Ernst Barlach Gesellschaft und Kunstexperte, erklärte das Faszinosum Höckner in einer Abhandlung zu einer Sonderausstellung seines Werks."Nichts Märchenhaftes, keine Mythen, kein Übersetzen des Irdischen ins Transzendente, weder religiöse noch mystische Themen finden sich im Werk Rudolf Höckners, sondern immer wieder die in der Malerei des freien Lichts realisierten Bilder einer Landschaft. Ländlich, bäuerlich, beinahe ärmlich, sektiererisch sind Höckners Bilder ein Hymnus an die Natur Norddeutschlands und ihrer durch die Unterelbe geprägte Welt der Marschen und Geesthänge." Als Essenz formulierte Doppelstein: "Höckner erweist sich als Meister der großstrukturierten Landschaft, dem es gelingt, Stimmungen so zu formulieren, dass sie anhalten und nachwirken."

Leider können diese Stimmungen nicht so intensiv und oft aufs Publikum wirken, wie gewünscht. Die städtischen Originale des Impressionisten sind zumeist nur in den Dienstzimmern des Rathauses zu sehen oder einige wenige im Stadtmuseum - aber eine dauerhafte Ausstellung aller Werke in einem eigenen Museum ist bislang aus Kostengründen nicht zu Stande gekommen.

Aber zumindest einen kleinen Trost gibt es für Wedeler und ihre Gäste. Es ist der Höckner-Rundweg. Über das Stadtgebiet verstreut sind überdimensionale Fotos von zwölf seiner Werke aufgestellt. Sie stehen an Ecken, an denen seinerzeit ungefähr der Maler Position bezogen haben musste, als er die Bilder fertigte. Wo dies genau ist, kann man in einem speziellen Stadtplan erkennen, der bei Wedel-Marketing, Telefon 04103/70 77 07, erhältlich ist.