Der Hamburger Kinderbuchautor Julian Press traf in der Buchhandlung Bönningstedt die Verwandtschaft seines Titelschurken.

Bönningstedt/Hamburg. Um es gleich, in eigener Sache und zu meiner Ehrenrettung, vorweg zu sagen: Ich bin meines Wissens nicht zur Fahndung ausgeschrieben, und selbst in der Flensburger Verkehrssünderdatenbank rangiere ich mit nur einem Pünktchen unter ferner liefen. Aber wie es heißt es: Mitgefangen, mitgehangen! Seit der Kinderbuchautor Julian Press aus Hamburg-Sülldorf, geistiger Vater der jungen Detektive von der "Lakritzbande", sein neustes Buch mit Wimmelbild-Krimi-Rätseln herausgebracht hat, haftet mir der Makel des Schwerverbrechers an. Hatte doch Press, 61, dessen Vater Hans Jürgen mit seinen Büchern um die "Schwarze Hand" mir spannende Lesestunden in meiner Kindheit beschert hatte, den jüngsten Band der Reihe "Finde den Täter" mit "Jagd auf Dr. Struppek" betitelt.

Ebenfalls vom literarischen Fahndungsdruck kalt erwischt wurde Buchhändler Michael Struppek aus Bönningstedt. Wir teilen, seit er vor 42 Jahren im Krankenhaus Pinneberg zur Welt kam, Namen und Eltern ...Der Besitzer der Buchhandlung Bönningstedt an der Kieler Straße konnte nicht mehr damit leben, dass ihm die jungen Käufer des Pressschen Krimis schiefe Blicke zuwarfen. Er setzte sich hin und schrieb Julian Press über dessen Verlag eine E-Mail. "Ich kann nur noch im Dunkeln aus dem Haus", hieß es darin, "habe laufend Albträume, in Handschellen abgeführt zu werden." Keine paar Stunden später meldete sich, ganz verzückt von dieser Geschichte, der Hamburger Autor und Illustrator. "Ich war sofort bereit, für eine Resozialisierung zu sorgen", erzählte Press lachend.

Buchhändler (und "Titelheld") Struppek konnte ihn dazu überreden, zu einer seiner eher wenigen Lesungen, die ihn inzwischen fast durch ganz Europa führen, ins kleine Bönningstedt zu kommen. Dieses Highlight spendierte der örtliche Geschäftsmann den Schülern der nahen Grundschule. Und so konnten die Kinder aus fünf dritten und vierten Klassen jeweils 90 anregende Miträtsel-Minuten mit Julian Press verbringen.

"Der Name hat etwas Verwegenes", sagte Press im Interview mit einem Vertreter der Schurkenfamilie. Wie sich herausstellte, stammen sowohl die Familie Press wie eben die Struppeks aus Masuren/Ostpreußen, wo Letztgenannte einen eher rüden Ruf genossen hätten. Zur großen Freude des arrivierten Ahnenforschers kann sogar eine entfernte Verwandtschaft nicht ausgeschlossen werden. "Mein Verlag war sofort begeistert, als ich den neuen Titel vorgeschlagen hatte", sagte Press.

Es ist der bis dato siebte Band der Wimmelbildkrimis mit der "Lakritzbande", erschienen im Verlag cbj. Bis eine einzige Feder-Zeichnung fertig ist, braucht der Hamburger drei Tage; an jedem Band arbeitet er annähernd eineinhalb Jahre lang.

Und seine Bücher sind herrlich altmodisch. Dieses Kompliment freut Julian Press. "Mord und Gewalt sind in meinen Büchern tabu", sagt der Hamburger. Die Orte und Szenarien, die er zu Papier bringt, könnten auch aus den 60er- und 70er-Jahren stammen, als sein Vater Hans Jürgen die "Schwarze Hand" auf Verbrecherjagd schickte. "Manche Leute sagen, solche Städtchen gebe es heute nicht mehr", sagt Press. Er aber, der schon in Brüssel lebte und mit einer Belgierin verheiratet ist, findet Anregungen für seine typischen Gemäuer im kleinen Nachbarland.

Dort, ebenso wie in Frankreich und Großbritannien, sind die Wimmelbildkrimis, die von Vater Hans Jürgen wie die von Sohn Julian, auch ein Renner. Der Übergang zwischen den Generationen verlief buchstäblich fließend: Manch Zeichnung könnte von beiden stammen. Hans Jürgen Press war Lehrmeister von Sohn Julian, und zwischenzeitlich auch dessen Mäzen. Der heute 61-Jährige trat ganz bewusst als Künstler passgenau in die Fußstapfen des 2002 verstorbenen Vaters, von dem er ausgesprochen warmherzig erzählt: "Wir hatten ein sehr gutes Vater-Sohn-Verhältnis."

Und so bekamen die Schüler in Bönningstedt es ebenso mit den älteren Geschichten der "Schwarzen Hand" wie mit dem aktuellen Fall um Dr. Struppek zu tun. Mucksmäuschenstill wurde es, als Press den Nachwuchsdetektiven Rätselaufgaben stellte. Während der Lesungen bekamen die Zuhörer nur die Zeichnungen (in Kopie), während der Autor die Geschichten vorlas und die Rätsel stellte. Und dann ging das kollektive Knobeln los.

In den allermeisten Fällen bestand die Kunst des Rätsellösens darin, auf den Zeichnungen die teilweise klitzekleinen und meist gut versteckten Hinweise zu entdecken. Die jungen Bönningstedter machten ihre Sache gut. "Wir haben viele tolle Detektive in Bönningstedt. Ihr könnt euch gleich hier bei der Polizei melden", lobte Press zum Abschluss sein Publikum. Auch Dr. Struppek konnte seine Diebesbeute, die er dem reichen Sammler Krimkowski gestohlen hatte, wieder abgejagt werden. Der Täter selbst kann in der Geschichte über einen Fluss entkommen. Ein klassischer Cliffhanger, der also nach einer Fortsetzung schreit. "Es wird auf jeden Fall eine Fortsetzung mit ihm geben", versprach Press in Bönningstedt.

Für mich ist damit klar: Die Jagd auf Dr. Struppek geht weiter!