Ein Besuch im Inneren der Windkraftanlage in Uetersen. Hier wird der Strom erzeugt. Ein unscheinbares Türchen führt direkt in die Anlage.

Uetersen. Wie weiße Spargel ragen die Stahltürme aus dem Boden. Die Rotoren strecken sich weit in den grauen Himmel hinein. Sechs Anlagen vom Typ AN-Bonus 1,3 MW/62 stehen auf grüner Wiese im Uetersener Windpark. Drumherum erstreckt sich plattes Land. Ein unscheinbares Türchen führt ins Innere der Windkraftanlage, die sonst nur Ingeneure wie Detlef Uedsen zu sehen bekommen.

Eine Anlage liefert 1,3 Megawatt - das sind 1800 Pferdestärken

Seit zehn Jahren sorgt der Mann dafür, dass sich die Räder drehen und die Rosenstadt mit Strom versorgen, immerhin schon Dreiviertel der Uetersener Haushalte. Bei Wind und Wetter fährt er zu den Stahltürmen und checkt, ob die Technik in Ordnung ist. "Eine Anlage liefert 1,3 Megawatt. Das sind etwa 1800 Pferdestärken", sagt er. "Unsere sechs Anlagen reichen selbst bei geringer Windstärke aus, die Haushalte hier zu versorgen. Und das beinahe geräuschlos", sagt der Herr des Windes. Direkt vor der Anlage ist es leise. Noch nicht einmal das Brummen des Motors ist zu hören. "Jede Autobahn ist lauter als drei Windkraftanlagen", so Uedsen. Wer hineingeht, entdeckt bis auf einen Schaltschrank nichts. Der Turm ist kaum vier Meter breit und einladend wie eine unmöblierte Knastzelle.

Detlef Uedsen öffnet den Schaltschrank. Auf einem Display sind Messwerte zu sehen. Die Zahlen steigen und fallen ständig. Einmal schafft es der Zeiger auf 1300 Kilowatt - Höchstleistung. Uedsen dreht den einzigen roten Knopf nach unten auf "Lokal". "Das ist das Erste was ich immer mache, wenn ich im Stahlturm bin", sagt der Ingenieur. "Aus Sicherheitsgründen". Der Motor der Windkraftanlage ist ausgestellt und kann von außen auch nicht mehr bedient werden. "Jetzt weiß jeder, der die Anlage am Computer überwacht, dass ein Mensch hier ist." Das Surren des Motors in der Turmspitze verstummt. Es ist so still, dass man das Stechen des Neonlichtes in den Augen hören kann.

Rund 300 Leitersprossen führen senkrecht nach oben in den Maschinenraum. "Dort sind wir etwa 100 Meter über dem Boden", sagt Uedsen, streift sich Bauarbeiter-Handschuhe über und steigt los. Sprosse für Sprosse in der grauen Röhre nach oben. Alle paar Meter lädt eine einfache Holzplatte als Zwischenboden zum Verschnaufen ein. Zum Glück reicht der Blick dadurch nicht bis ganz runter auf den Boden.

Doch leichter machen die Zwischenböden das Klettern nicht. "Ich bin das gewöhnt", sagt Uedsen. "Aber das Klettern ist immer noch schweißtreibend." Die Umrisse der dicken schwarzen Kabel werden immer deutlicher. Es ist nicht mehr weit bis zur Turmspitze. Die Kabel hängen neben der Leiter herunter und leiten den Strom in einen Trafo. Dort wandelt er den Strom von 690 auf 10 000 Volt um. Der Windpark Uetersen ist an das Umspannwerk angeschlossen, dass den Windstrom in das öffentliche Stromnetz einspeist.

Je weiter es Sprosse für Sprosse nach oben geht, desto mehr verlässt einen die Kraft. Die Arme werden lahm. Bis zum Herz der Anlage sind es nur noch wenige Stufen, dann kann die Klappe zum Maschinenraum geöffnet werden. Im Maschinenraum mit Rotorwelle, Getriebe, Generator und Elektromotor ist es ruhig. Nur der Wind pfeift. "Jetzt ist es hier so still wie im Paradies", sagt Uedsen.

Uedsen wärmt sich die Hände am Generator und blickt in die Ferne. "Ich kann bis zur Elbe gucken. Manchmal sehe ich auch Rehe und Kühe." Dann erzählt er, dass einmal ein Reh ganz nah an den Turm gekommen ist und an der Tür schnupperte. "Den Tieren macht das nichts aus. Ich sehe sie friedlich weiden", sagt Uedsen, dessen Wangen vom Wind schon rot gepeitscht wurden. Die Vorgaben zum Lärmschutz werden eingehalten. "Aufgrund der relativ großen Entfernung zu den Wohngebieten gibt es auch keine Probleme mit dem Schattenwurf", sagt Uedsen.

Hier oben entsteht also Strom. Uedsen erklärt wie: Die drei Rotorblätter drehen kontinuierlich die Nabe. 13 bis 19 Umdrehungen pro Minute, je nachdem wie windig es ist. Ab Windstärke zwei, also einer leichten Brise, setzt sich das Rad in Bewegung und bei Sturm, ab Windstärke neun, schalten sich Windkraftanlagen automatisch ab.

Strom wird hier wie von einem riesigen Fahrraddynamo geliefert

Die Drehbewegung wird über die Mittelachse an die Spule eines Elektromotors weitergegeben. Diese ist mit Kupferdraht umwickelt. Die Kupferspule ist innerhalb eines Magneten gelagert, der sie komplett umschließt. Durch die bewegten Magnetfelder in den elektrischen Leitern werden Spannung und Strom erzeugt. Der wird an einen Transformator weitergeleitet, der den Strom in den Hochvoltbereich umwandelt. "Die Anlage arbeitet wie ein riesiger Fahrraddynamo." Nur dass hier niemand strampeln muss. Der Wind treibt das Rad an. Eine Wetterstation, Windfahne und ein Anemometer auf dem Maschinenhaus misst die Windstärke und auch die Richtung.

"Die Rotorenblätter richten sich so immer optimal zum Wind aus", erklärt Uedsen und simuliert mit seinen Händen die beweglichen Rotorblätter. "So bleibt die Umdrehungsgeschwindigkeit fast immer konstant egal wie windig es ist." Eine Fernüberwachung ermöglicht die dauerhafte Kontrolle der Windkraftanlagen. Treten Probleme auf, erhalten Betreiber und Hersteller eine Nachricht. Dann können die Probleme per Fernwartung am Computer behoben werden. Dadurch, dass die Stromproduktion anderer Kraftwerke entsprechend gedrosselt wird, führt der Betrieb von Windkraftanlagen zu einer Entlastung von Schadstoffen. Die Schleswag AG liest den Stromertrag monatlich ab. Der Windpark Uetersen ging im September 2001 in Betrieb.