Erstmals ist nach viereinhalb Jahren ein Säugling in die Babyklappe am Regio-Klinikum Pinneberg gelegt worden. Mutter kann sich melden.

Pinneberg. Viereinhalb Jahre blieb die Babklappe leer. In der Nacht zum Donnerstag ist erstmals auf diesem Wege ein Findelkind im Regio-Klinikum Pinneberg abgegeben worden. Nur zwei Stunden nach ihrer Entbindung legte vermutlich die Mutter ihr frisch geborenes Kind in die Babyklappe am Krankenhaus und verschwand in der Dunkelheit. Sofort wurde der Alarm ausgelöst und die Nachtschwester fand das kleine Mädchen in Strampler und Decke eingehüllt in der verschlossenen Behelfswiege. Die Mutter hatte noch einen Zettel beigelegt, auf dem handschriftlich geschrieben steht: "Sie soll Emily heißen und ist um kurz nach Mitternacht geboren."

Fünf Tage haben die Verantwortlichen von Krankenhaus und Kreis-Jugendamt abgewartet, ob die Mutter sich meldet. Gestern schalteten sie die Medien ein, um diesen ersten Fall eines abgelegten Kindes in der Pinneberger Babyklappe öffentlich zu machen. "Wir appellieren an die sicherlich verzweifelte Mutter, sich doch noch zu melden", sagte Cornelia Lohmann-Niemann vom Fachdienst Jugend. "Sie hat nichts zu befürchten." Niemand habe ein Interesse daran, sie strafrechtlich zu verfolgen. Wenn sie sich allerdings in den nächsten acht Wochen nicht zu erkennen gebe, würde das Adoptionsverfahren eingeleitet.

Der kleinen Emily, wie die Schwestern sie nach Wunsch der Mutter genannt haben, gehe es ausgesprochen gut, versichert Oberärztin Bettina Moser. "Die Kleine war in einem guten Zustand und nur leicht unterkühlt." Sie sei sofort ins Wärmebettchen gelegt und untersucht worden. Die gemessenen Werte deuten auf ein gesundes Kind hin: 3460 Gramm ist das Pinneberger Findelkind schwer, 51,5 Zentimeter groß mit einem Kopfumfang von 34,6 Zentimetern. Und Appetit hatte das kleine Mädchen auch: "Sie zeigte ein gutes Trinkverhalten", sagt die Kinderärztin. Krankheiten oder Infektionen konnten nicht festgestellt werden.

Deshalb nahm das Kreisjugendamt die kleine Emily auch gleich an ihrem zweiten Lebenstag in Obhut und übergab sie zunächst an eine Pflegefamilie im Kreis Pinneberg. Diese habe darum gebeten, keine Fotos von dem Mädchen zu veröffentlichen, sagte Jugend-Fachbereichsleiter Jörg Steinbrenner. "Wir haben der Familie versprochen, dass sie Ruhe hat."

In diesem Fall habe die Babyklappe Leben gerettet, sagt Steinbrenner. In der Wissenschaft sei es aber umstritten, ob solche Angebote nicht sogar den Druck auf junge Mütter in sozialen Notlagen eher noch erhöhen. "Häufig sind es ja Partnerschaftsprobleme, die die Mütter zu dem Schritt bewegen, ihr Kind wegzugeben."

So eine Spontan-Entscheidung unmittelbar nach der Geburt könne auch dem emotionalen und hormonellen Stress geschuldet sein, in dem sich die junge Mutter Donnerstagnacht befand, glaubt Thorsten Wygold, ärztlicher Direktor der Regio-Kliniken. "Sie kann sich jederzeit direkt oder über eine Vertrauensperson an uns wenden." Falls nötig oder gewünscht, könnte das Jugendamt auch Hilfsangebote machen, die von Beratungsgesprächen bis zu sozialpädagogischen Familienhilfen reichen, sagt Lohmann-Niemann.

Auch wenn sich die Mutter erst nach Monaten oder gar Jahren melden sollte, sei es noch nicht zu spät, appellierte Steinbrenner. "Vor allem für das Kind ist es wichtig, zu wissen, wo es herkommt. Das kann sonst später bei ihm zu einer Lebenskrise führen."

Das Jugendamt müsse aber nun in erster Linie an das Kind denken, das jetzt schnell persönliche Bezugspersonen braucht. Deshalb werde die kleine Emily schon in den nächsten Tagen einer Adoptionsfamilie zugeführt. "Der Kontakt dazu ist angebahnt."