Die Zahl der Ausbildungsstellen steigt weiter an. Zahlreiche Firmen sorgen sich jedoch um das sinkende Niveau der Jugendlichen.

Kreis Pinneberg. Brechen für junge Leute, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, goldene Zeiten an? Fakt ist, dass die Experten von der Agentur für Arbeit Elmshorn von einer Trendwende berichten: Erstmals gab es demnach während des vergangenen Beratungsjahres (Oktober 2010 bis September 2011) im Agenturbezirk Elmshorn mehr freie Ausbildungsstellen als gemeldete Ausbildungsbewerber.

Innerhalb des Agenturbezirks (Kreise Pinneberg und Steinburg sowie Stadt Norderstedt) wurden mit 2947 Ausbildungsplätzen 34 Stellen (+ 1,2 Prozent) mehr gemeldet als im Jahr zuvor. Im Kreis Pinneberg (1585 Ausbildungsplätze) betrug das Plus sogar 2,7 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Bewerber im Agenturbezirk um 77 (- 2,6 Prozent) auf insgesamt 2902. Für den Kreis Pinneberg wurden 1590 Bewerber (+ 0,6 Prozent) registriert.

Während also im Kreis Pinneberg das Verhältnis zwischen Stellen und Bewerbern fast ausgeglichen ist, kommen in Norderstedt auf 16 Ausbildungsplätze zehn Bewerber. Wie überhaupt laut Arbeitsagentur junge Leute im Hamburger Umland, statistisch betrachtet, die besten Chancen haben, eine Ausbildungsstelle zu finden.

Soweit die nackten Zahlen. Aus der Sicht der Praktiker muss das vermeintlich tolle Bild differenziert betrachtet werden. "Wenn junge Leute jetzt meinen, sie könnten sich aus einem großen Topf das Beste heraussuchen - dann ist das nicht so", sagt Siegfried Walther, Berufsberater der Agentur für Arbeit in Pinneberg. So blieben Ausbildungsstellen auch deshalb unbesetzt, weil die Bewerber ein bestimmtes Mindestniveau nicht erreichten. "Manche Firmen gehen schon mit dem Level runter, aber nicht immer weiter", so Walther.

So haben Hardy und Bernd Tempelmann von der gleichnamigen Firma in Pinneberg die Erfahrung gemacht, dass von etwa 60 Bewerbern jährlich nur fünf bis sechs junge Menschen für die zwei bis drei zu besetzenden Ausbildungsplätze überhaupt in Frage kämen. "30 Prozent der Bewerber sind unterstes Niveau", sagt Bernd Tempelmann. Sein Sohn Hardy als Geschäftsführer hat für Freitag, 11. November, wieder einen "Tag der offenen Tür" speziell für junge Leute und deren Eltern organisiert. Kurzentschlossene können sich unter Telefon 04101/760 78 noch für die Zeit ab 16.45 Uhr anmelden. Zwei Jugendliche, die im Vorjahr zu diesem Infotag kamen, sind heute bei dem Unternehmen, das Dreh-, Fräs-, Bohr- und Gewindeteile (teils für Luft- und Raumfahrt) herstellt, Azubis im ersten Lehrjahr. Hardy Tempelmann sieht vor allem die Eltern gefragt: "Natürlich gibt es verschiedene Coaches-Programme, aber die wichtigsten Coaches sind doch die Eltern!"

Ob bei der Metallverarbeitung oder auch im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK): Wie auch Berufsberater Walther sagt, wissen Bewerber häufig zu wenig darüber, wie sich Anforderungen, Berufsbilder und Chancen verändert haben. Und sie informieren sich häufig nicht über den Beruf, den sie lernen wollen - ebenso wie über den Betrieb, in dem sie sich vorstellen. Letzteres beklagt Ulrich Grobe, Leiter der Zweigstelle Elmshorn der Industrie- und Handelskammer (IHK). "Wer derart auffällt, wird abgelehnt", sagt Grobe. Er empfiehlt Bewerbern, auf sich aufmerksam zu machen. "Firmen wollen aktive junge Leute. Wer im Anschreiben auf ehrenamtliche Tätigkeiten hinweist, erhöht seine Chancen", sagt Grobe. Wer dagegen glaubt, er werde schon irgendwo genommen, weil es mehr Stellen als Bewerber gibt, der bleibe häufig auf der Strecke.

Im Kreis Pinneberg wurden 2011 bisher 676 Lehrverträge in handwerklichen Berufen abgeschlossen. "Das sind 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr", sagt Christian Maack, Geschäftsführer Berufsausbildung bei der Handwerkskammer Lübeck. Laut Maack wird es jedoch schwer, diese Zahlen zu halten. "Der Markt kippt. Dank der guten Konjunktur gibt es eine hohe Zahl an Ausbildungsstellen, die Zahl der Schulabgänger aber sinkt." Aktuell sind der Handwerkskammer noch "in fast allen Bereichen freie Ausbildungsstellen gemeldet", wie Maack betont. Besonders gefragt sei der Beruf Kfz-Mechatroniker, weniger begehrt die Lehre als Verkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk.