Zwischen fünf Millionen Plus und 20 Millionen Minus. Die Prognosen und Jahresabschlüsse weichen um bis zu 25 Millionen Euro extrem stark ab.

Kreis Pinneberg. Wundersame Geldvermehrung oder zu vorsichtige Kosteneinschätzung? Was auf Bundesebene gerade mit den Milliarden-Rechenfehlern der pleite gegangenen Hypo Real Estate große Schlagzeilen macht, scheint sich auf Kreisebene im kleineren Maßstab zu wiederholen. So ging die Verwaltung lange Zeit von einem Defizit in Höhe von rund 20 Millionen Euro für das laufende Jahr aus. Nun prognostiziert ein neues, internes Berichtssystem ("Board") dem Kreis sogar einen Jahresüberschuss von sechs Millionen Euro. Dennoch rechnet die Kreisverwaltung, die diese Diskrepanz auf Drängen der Politik ausräumen sollte, jetzt offiziell mit einem Minus von 14 Millionen Euro für 2011. "Das ist der aktuelle Stand", sagte gestern Kreissprecher Marc Trampe. Am Abend wollte der Hauptausschuss darüber beraten. Am Tag zuvor herrschte im Finanzausschuss Verwirrung, welchen Zahlen sie denn nun vertrauen sollten: den negativen oder den positiven?

"Es ist schon faszinierend, wie diese Kreisverwaltung rechnet", wundert sich Mathias Scheffler (FDP), Vorsitzender des Finanzausschusses. "Zwei Monate vor Ende des Jahres müssen uns doch Zahlen vorgelegt werden können, die möglichst nahe an der Wahrheit sind." In jedem anderen Unternehmen, das einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro erwirtschaftet, sei das ja auch möglich.

So sind diese Abweichungen in zweistelliger Millionenhöhe in den vergangenen Jahren eklatant. In 2007 ging die Verwaltung in ihrer Prognose von einem Defizit von 19,1 Millionen Euro aus. Am Jahresende waren es nur 2,9 Millionen Euro minus. Das sind 16,2 Millionen Euro Unterschied. In 2008 war die Differenz noch größer: Statt minus 4,6 Millionen Euro wurde ein Jahresüberschuss von 14,9 Millionen Euro erwirtschaftet. Doch dieser Jahresabschluss ist noch nicht endgültig vom Rechnungsprüfungsamt bestätigt. Für 2009 besagt das vorläufige Ergebnis: elf Millionen statt 5,1 Millionen Euro Überschuss. Und 2010 soll sich nach vorläufiger Berechnung das mögliche Defizit von 0,6 Millionen Euro in ein Plus von 15,3 Millionen Euro verwandelt haben.

Kommentar: Stochern im Nebel muss aufhören

Diese Abweichungen von bis zu acht Prozent des Haushaltsvolumens von derzeit 320 Millionen Euro bewegten sich im normalen Rahmen, bittet Trampe um Verständnis. Finanzpolitiker Scheffler mag das nicht nachvollziehen. "Das ist schon alles sehr relativ. Da darf man seinen Humor nicht verlieren und schüttelt fassungslos den Kopf." So überraschte die Kreistagspolitiker voriges Jahr nach der Sommerpause die Meldung, dass die Jugendhilfe um 6,2 Millionen Euro aus dem Ruder gelaufen sei. Nun stellt sich heraus, dass die Transferzahlungen um 8,4 Millionen Euro unter dem Ansatz blieben. In der Finanzausschusssitzung ist der FDP-Politiker wegen dieses Zahlenwirrwarrs Landrat Oliver Stolz heftig angegangen, der seine Mitarbeiter verteidigte. Es sei noch zu früh, dem gerade eingeführten Berichtssystem voll zu vertrauen. Lieber etwas vorsichtiger kalkulieren als hinterher festzustellen, dass zu positiv gerechnet wurde.

Unterstützung erhält die Verwaltung dabei von Grünen-Fraktionschef Thomas Giese. "Es ist ganz normal, dass es im Laufe des Jahres zu diesen Abweichungen kommt. Am Ende erfahren wir dann die Wahrheit." Zudem sei die positive Entwicklung in diesem Jahr vor allem durch die nicht erwarteten Mehreinnahmen von acht Millionen Euro bei der Kreisumlage verursacht, weil es den Kommunen steuerlich besser gehe. Und diese Einnahme erreiche den Kreis immer um ein bis zwei Jahre zeitverzögert. "Wer jetzt Begehrlichkeiten weckt, sollte nicht vergessen, dass der Kreis mit 83 Millionen Euro immer noch hoch verschuldet ist." Hinter diesen Zahlenspielereien steckt ein handfester politischer Streit, ob der Kreis bestimmte Investitionsvorhaben vorziehen könnte. So hatte der Innenminister wegen der desolaten Haushaltslage die Kreditmittel des Kreises drastisch eingeschränkt, sodass die Verwaltung den Bau der Kreisfeuerwehrzentrale (9,9 Millionen Euro) bis 2015 und den Bau des Mitteltrakts der Kreisberufsschule (15,8 Millionen) bis 2019 aufschieben will. Scheffler sarkastisch: "Die bauen die Schule wohl klassenweise. Wir können den Schülern nicht eine Baustelle bis 2025 zumuten." In der nächsten Woche wollen CDU und FDP darum erneut beim Innenminister vorstellig werden, um grünes Licht für einen früheren Baubeginn zu erhalten. Mit den besseren Haushaltszahlen meinen sie, Argumente dafür zu haben.