Die Ratsversammlung stimmt für den Ausbau des Windparks in Uetersen. Viele Bürger fühlen sich mit der Entscheidung übergangen.

Uetersen. Sincap Kröger schläft seit sechs Wochen schlecht. Tagsüber kann sich der geschäftsführende Gesellschafter schlechter konzentrieren. Er ist müde und gereizt. Vor sechs Wochen war der 32-Jährige von Tangstedt in das Elternhaus seiner Frau nach Groß Nordende gezogen. Von dort kann er fünf der sechs Windräder des Uetersener Windparks sehen. Ob sie ihm den Schlaf rauben? Sincap Kröger hörte sich in der Nachbarschaft um und erfuhr, dass viele Menschen seit Jahren nachts nicht mehr zur Ruhe kommen. Ein Arzt, so erzählten sie dem zweifachen Vater, habe sogar seine Praxis aufgegeben und sei nach Wedel gezogen.

Sincap Kröger fühlt sich als Groß Nordender übergangen

"Am 6. September habe ich aus der Zeitung erfahren, dass eine politische Mehrheit in Uetersen für den Ausbau des Windparks ist", sagt Sincap Kröger. Zuvor habe keine öffentliche Diskussion stattgefunden, kritisiert er. Am 22. September wurde der Punkt "Erweiterung" in die Agenda der Ratsversammlung aufgenommen, obwohl sich die Uetersener Politiker vorher dagegen ausgesprochen hatten. Kröger fragt sich seitdem, wie es zum plötzlichen Sinneswandel kommen konnte. In der aktuellen Ratsversammlung wollte Sincap Kröger die Bürgersprechstunde nutzen, diese und weitere Fragen zum Thema zu stellen. Als Groß Nordender blieb ihm dies verwehrt. "Dabei bin ich von den Entscheidungen der Uetersener Politiker betroffen", sagt er.

Für Kröger ergriff der Uetersener Rechtsanwalt Volker Teichgräber das Wort. Allerdings stellte er nicht nur Fragen, wie es das Protokoll vorsieht, sondern nutze die Chance zu einem Appell. Er warf den Ratsherren und -frauen vor, sich nicht ausreichend mit Gutachten zu künftigen Schallemissionen auseinandergesetzt zu haben. "Haben sich unsere Vertreter der Gemeinde Uetersen mit den wissenschaftlichen Ansichten, welche zunehmend auch von Gerichtsurteilen in Deutschland übernommen werden, beschäftigt? Diese stellen fest, dass die Lärmbelästigung nicht ausschließlich im hörbaren Bereich der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) festgelegt werden kann. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass große Windkraftanlagen relativ mehr - nicht hörbares - niederfrequentiertes Rauschen als kleine emittieren", sagte Volker Teichgräber. Der Anwalt spielte damit auf die Idee an, leistungsstärkere und höhere Anlagen zu errichten und die alten in zehn Jahren zu ersetzen. Dies war eine von mehreren Varianten, die die Windparkbetreiberin Rosemarie Rübsamen der CDU-Fraktion vorgestellt hatte und die den meisten Zuspruch erhielt. Laut Fraktionschef Kai Feuerschütz könnte so die Anzahl der Windräder reduziert und eine mögliche Belastung für die Anwohner verringert werden.

Einige Mitglieder der Ratsversammlung verwiesen zu Recht darauf, das Teichgräber Fragen stellen müsste und dies nicht der richtige Ort und Zeitpunkt sei für eine Rede. Besonders aufgebracht war Rolf Maßow. Der FDP-Politiker sagte, dass das Schreiben des Anwalts, dass zwei Tage zuvor an alle Ratsmitglieder per Einschreiben ging, Nötigung sei und er sich ebenfalls rechtliche Schritte vorbehalte. Kurz darauf stimmte die Mehrheit für den Ausbau des Windparks. Wobei drei BfB-Vertreter mit Nein votierten. Nun muss der Antrag bei der Landesplanung durchgehen. Bevor eine Genehmigung erteilt wird, werden Anwohner, auch benachbarter Gemeinden gehört.

Seestermüher diskutieren über Windkraftanlagen auf Pagensand

Sincap Kröger ist enttäuscht: "Der Dialog war nicht gewollt, meine Fragen wurden faktisch ignoriert." Ihm sei es in nicht um ein klares Nein gegen Windkraft gegangen. "Ich wollte wissen, warum die Politiker so schnell ihre Meinung geändert haben und den Ausbau nun doch befürworten." Sein Vertrauen in die Demokratie sei erschüttert. "Welche Möglichkeiten habe ich als Bürger überhaupt, wenn ich meine Fragen nicht mal bei der Bürgersprechstunde beantwortet werden?" Nun hofft Kröger auf die Politiker in Groß Nordende.

Derweil diskutieren Haselau, Haseldorf und Hetlingen, ob sie Flächen für erneuerbare Energie freigeben. Bis zum 15. November müssen sie sich entschieden haben. Dann läuft die Frist in Kiel ab. Auch die Seestermüher Gemeindevertreter diskutierten darüber, auf Pagensand oder entlang des Landschaftsschutzdeiches zwischen Pinnau- und Krückausperrwerk Windkraftanlagen zu errichten. Ergebnis: Sie wollen die Möglichkeit im Rahmen des Landesentwicklungsplans prüfen.