Der Seelsorger Bernd Wichert wechselt von der Gemeinde St. Katharina ins Kloster. Der Schock unter den Pinneberger Katholiken sitzt tief.

Pinneberg. Aufgeregt drängten sich die Menschen am Wochenende um Pfarrer Bernd Wichert. Wie immer hatte er seine Gemeindemitglieder nach dem Gottesdienst am Ausgang der St. Michael Kirche am Fahltskamp persönlich verabschieden wollen. Doch anders als sonst, blickte er diesmal in viele fassungslose Gesichter. Kurz zuvor hatte er verkündet, dass er die Gemeinde St. Katharina zum Mai 2012 verlassen wird, um in ein Benediktinerkloster in den USA einzutreten.

"Nachdem er das verkündete, hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so still war es in der Kirche", beschreibt eine Besucherin des Gottesdienstes die Atmosphäre. "Die Nachricht kam wie aus heiterem Himmel." Die Menschen hätten sich ungläubig angeblickt, manche hatten Tränen in den Augen. "Es war ein Gefühl des Verlassenwerdens." Der Schock unter den Pinneberger Katholiken sitzt tief. Wichert ist sehr beliebt, nicht zuletzt, weil ihm die Seelsorge besonders am Herzen lag. "Er kümmerte sich um die Kranken und Hinterbliebenen", sagt die Gottesdienstbesucherin.

Selbst nachts konnten ihn Hilfesuchende anrufen. Nun fragen sich viele, wie es weiter gehen soll. Wo soll ein Nachfolger herkommen? Wie lange bleibt die Gemeinde ohne Priester?

Hamburgs Erzbischof Werner Thissen hatte Wichert in mehreren Gesprächen gebeten, noch bis zum Mai zu bleiben. "Sonst wäre ich schon im September weg gewesen", sagt Bernd Wichert, der gerade ein paar Tage auf Mallorca verbringt, dem Abendblatt. Den Wunsch sein Leben zu verändern, hätte er schon seit längerem verspürt. Der Geistliche hat die Entscheidung nicht leichthin gefällt. "Seit einem Jahr trage ich sie mit mir herum, durfte aber nichts sagen", sagt er. Um die Gemeinde verlassen zu können, braucht es die Einwilligung des Bischofs. Und natürlich musste der Abt im Benediktinerkloster sich bereit erklären, den 58-Jährigen aufzunehmen. "Ich werde mit Abstand der älteste sein", sagt Wichert.

Die 35 Priester, die das Kloster erst noch aufbauen werden, seien im Durchschnitt 35 Jahre alt. Da Wichert als einer der letzten in das Kloster eintritt, wird er die Stellung eines Novizen einnehmen. "Flapsig gesagt, bin ich da der Lehrling." Welche Aufgabe der Abt für Wichert vorgesehen hat, weiß dieser noch nicht. Fest steht, das Leben im Benediktinerkloster wird ein völlig anderes. "Ich werde weniger nach Außen hin aktiv sein." Das Leben spielt sich in den Mauern des Klosters ab, der Alltag ist sehr strukturiert und beginnt morgens um fünf Uhr mit einem Gebet. Urlaub gibt es keinen.

Fünf Jahre hat Wichert Zeit, zu prüfen, ob das Leben im Kloster seinen Erwartungen entspricht. Danach muss er entscheiden, ob er das ewige Gelübde ablegt. Dann wäre er für immer mit dem Benediktinerkloster verbunden. "Das ist wie ein Eheversprechen", sagt der Pfarrer. Zugleich müsste er auf jeglichen Privatbesitz verzichten. Ob dieser der Kirche vermacht wird, in Familienbesitz übergeht oder anderweitig verschenkt wird, bleibt ihm überlassen.

Wichert, der vor seinem Theologiestudium erst als Jurist, später als Personalchef bei der Hotelkette Marriott arbeitete, hatte einen Teil seiner Kindheit bereits in den USA verbracht. Nun will er mit 58 Jahren noch einmal seinem Leben eine neue Wendung geben.

"Einen Nachfolger gibt es noch nicht", sagt Manfred Nielen, Pressesprecher und Generalvikar des Erzbischofs. Es sei üblich, dass für die Übergangszeit ein Pfarradministrator ernannt wird, der Verwaltungsaufgaben zeitweilig übernimmt. "Wir werden versuchen, dass Gemeindeleben so gut es geht aufrecht zu erhalten." Wer das konkret für die Gemeinde St. Katharina sein könnte, dazu konnte Nielen noch nichts sagen. "Es gibt mehrere freie Pfarrstellen im Erzbistum." Wer die Nachfolge Wicherts antrete, sei eine "komplizierte Entscheidung". Nicht zuletzt, weil die Zahl der Priester in den vergangenen Jahren stetig gesunken ist. So sorgten sich im Jahr 2000 noch 151 Priester um das Seelenheil der Gemeindemitglieder im Bistum Hamburg, zu dem Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg gehören. Ein Jahr später waren es nur noch 112. Ein Grund, warum sich immer weniger für das Priesteramt entscheiden, dürfte die zunehmende Belastung sein. Während ein evangelischer Pfarrer durchschnittlich 2500 Christen betreut, kümmerte sich Wichert um 6700 Gemeindemitglieder in der Kreisstadt und in der Herz Jesu Kirche in Halstenbek.

Immer weniger Priester verwalten immer größere Gemeinden. So läuteten im April 2010 in der Pius-Kirche an der Feldstraße zum letzten Mal die Glocken. Aus Kostengründen wurde die Gemeinde in das erweiterte Gotteshaus St. Michael integriert. Während dieses Prozesses hatte Diakon Guido Nowak die Gemeindemitglieder begleitet, ebenso wie bei der Fusion der Kirchen in Elmshorn und Halstenbek drei Jahre zuvor. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen, die für viele Menschen eine große Umstellung bedeuteten, sieht Nowak den Abschied Wicherts mit Sorge: "Kontinuität wäre nun wichtig gewesen. Es hätte jetzt darum gehen sollen, wie wir uns mit dem neuen zentralen Standort St. Michael aufstellen." Stattdessen müsse man sich nun mit der schwierigen Personalfrage auseinandersetzten. Nach Zeiten der Unruhe hätte er sich etwas anderes gewünscht. Dennoch versteht Nowak die persönliche Entscheidung Wicherts: "Jeder muss seiner Berufung nachgehen". (abendblatt.de)