Landesrechnungshof bezeichnet Koppelung von Kreditzinsen an die US-Zinsentwicklung als hochspekulativ und verboten.

Kreis Pinneberg. Der Schuldenstand des Kreises Pinneberg beläuft sich auf 67 Millionen Euro - wurde trotz der Finanzmisere versucht, mit Steuergeldern zu zocken? In der aktuellen Studie des Landesrechnungshofs (LRH), in der Finanzlage und Effizienz der Kreisverwaltungen im Hamburger Randgebiet verglichen werden, wird genau dies der Kreisverwaltung vorgeworfen. So habe der Kreis gegen das in der Gemeindeordnung festgelegte Spekulationsverbot verstoßen, als er in drei Fällen Kreditaufnahmen mit Derivat-(Swap-)Geschäften verknüpfte. Sie waren an das Zinsniveau zum US-Dollar gekoppelt. "Dieses Geschäft verstößt gegen das Spekulationsverbot", urteilen die Landesprüfer. "Der Kreis Pinneberg ist der einzige im Land, der solche Spekulationsgeschäfte gemacht hat", sagt LRH-Sprecherin Ulrike Klindt. "Für uns hat das Glücksspiel-Charakter. Der Kreis wettet auf die Zinsentwicklung einer Fremdwährung. Das ist hochspekulativ." Die Kreise Segeberg und Stormarn hätten dagegen Derivatgeschäfte abgeschlossen, die die Zinszahlungen begrenzten und nicht spekulativ waren.

Diese Rüge aus Kiel stößt im Kreis Pinneberg auf Unverständnis. So weiß Landrat Oliver Stolz, dass es für Behörden "durchaus nicht unüblich ist, Kreditgeschäfte mit Derivaten abzusichern." Tatsächlich fielen die vom LRH kritisierten Swap-Geschäfte in die Amtszeit seines Vorgängers Wolfgang Grimme. Dieser ließ sich im Dezember 2004 und nochmals im März 2006 vom Kreistag genehmigen, "im Rahmen des Kredit- und Zinsmanagements zur Reduzierung des Zinsaufwandes auch Zinsderivate" zu nutzen. Zunächst für neue, später auch für Altkredite. Diese dürften aber 90 Prozent des gesamten Kreditvolumens nicht übersteigen.

Insgesamt hat der Kreis seit 2004 Swap-Geschäfte für Kredite in Höhe von 18,3 Millionen Euro abgeschlossen.

Ein Zins-Swap ist ist ein Termingeschäft, bei dem der feste Zinsatz eines Kredites gegen einen variablen, etwa an die Entwicklung des US-Leitzinses gekoppelten Zinssatz, getauscht wird.

Die Kreisverwaltung beruft sich auf Erlasse des Innenministeriums. Darin werden Derivatgeschäfte in bestimmten Fällen für zulässig erklärt, nämlich dann, wenn sie an konkrete Kreditgeschäfte gebunden sind. Ziel müsse sein, Zinsausgaben zu optimieren und Zinsänderungsrisiken zu minimieren.

Genau dies habe der Kreis in fünf Fällen mit einem Gesamtvolumen von rund 40 Millionen Euro getan, betont Kreissprecher Marc Trampe. Diese Verträge bestünden aber heute nicht mehr oder liefen aus. Dass die Abschlüsse in die Amtszeit von Landrat Grimme fielen, habe nichts zu bedeuten. "Das war nicht seine Idee. Vielmehr ist es Aufgabe unseres Finanz-Managements, möglichst günstig Geld auf dem Markt zu bekommen." In Grimmes Amtszeit fiel auch das umstrittene Sale-and-lease-back-Geschäft, mit dem 2008 die damaligen Kreiskliniken ihr gesamtes Grundvermögen veräußerten und zurückmieteten. Dies habe dem Klinikbetrieb Mehrkosten von 4,85 Millionen Euro pro Jahr beschert und ihn erst in die Schieflage gebracht, die zum Verkauf von 75 Prozent der Anteile an die Sana AG in 2009 führten, kritisierte der LRH in früheren Stellungnahmen.

Das Innenministerium will sich zu den Derivaten zurzeit nicht äußern. "Wir warten die Stellungnahme des Kreises ab", sagte ein Sprecher. Dazu hat er bis Dezember Zeit. Am 7. Dezember soll der Kreistag darüber beraten.

Die Kreisverwaltung sieht sich im Recht. "Wir werten es nicht als Fremdwährungsgeschäft wie der Landesrechnungshof, weil gar keine Währungen getauscht wurden", sagt Trampe. Unter dem Strich habe der Kreis Pinneberg damit sogar Geld verdient. So verlief nur eines der Swap-Geschäfte negativ, heißt es in einer Vorlage aus dem Jahre 2009. Eine aktuellere gibt es nicht. Demnach hat der Kreis auf diese Weise 120 000 Euro Zinsen gespart. Dazu Ulrike Klindt vom LRH: "Glück gehabt."

Bundesweit gibt es viele Kommunen, die mit diesen Geschäften Verluste machten, weiß Peter Gundermann. Der Rechtsanwalt der Kanzlei TILP aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen vertritt mit einer anderen Kanzlei eine zweistellige Zahl an Kommunen, die Hunderte Millionen Euro bei Swap-Geschäften verloren haben. Einige klagen, dass sie von ihren Banken falsch beraten wurden, sagt Gundermann. "Die Banken haben sehr geschickt agiert und den Kämmerern diese Swap-Geschäfte als Zinsabsicherung verkauft. Letztlich aber sind dies hochkomplexe und spekulative Finanzgeschäfte, die kein Mensch mehr versteht. Es sind sehr gefährliche Produkte." Darum habe der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil vom 22. März 2011 die Banken verpflichtet, den Kunden sehr weitreichend aufzuklären. Gundermann: "Wir sind sogar der Auffassung, dass die Swap-Geschäfte nichtig sind, weil sie dem Spekulationsverbot zuwiderlaufen."