Unser Dorf: Das Abendblatt zu Gast in der Marschgemeinde, die dank Hengst-Station, Golfclub und Obstanbau weit über ihre Grenzen hinaus bekannt ist

Haselau. Es gibt ein Detail, da ist da kleine Haselau selbst mit dem großen Hamburg genau auf Augenhöhe. Ebenso wie in der Metropole braucht es in dem Marschdorf gleich zwei Telefon-Vorwahlnummern, um das kommunale Gebiet abzudecken. Zum einen die 04122 des Uetersener Ortsnetzes und zum anderen die 04129 von Haseldorf deuten schon darauf hin, dass Haselau eine Brücke zwischen beiden Regionen schlägt. Der Grund liegt darin, dass Haselau aus gleich drei Ortsteilen besteht, Haselau, Hohenhorst und Altendeich, die sich in die fetten Elbmarschen kuscheln.

Das Thema "Telefon", genauer: Kommunikationsinfrastruktur, ist auch eines der (wenigen) Probleme, die Bürgermeister Rolf Herrmann drücken. "Ein wichtiger Bestandteil der Zukunftsaussichten ist und wird immer bedeutender: am Wissen aus der weltweiten Datenkommunikation teil zu haben. In unserer Gemeinde gibt es leider einige Bereiche die mit der bisherigen Versorgung nicht oder nur sehr unzureichend bedient werden." Eine Kooperation mit der der azv-Breitband GmbH, die aus dem kommunalen Abwasserzweckverband hervorgegangen ist, lasse für die nächste Zukunft hoffen. Um diese "zukunftsfähige Technik" ins Dorf zu holen, setzt der Bürgermeister wieder einmal auf eine Eigenschaft, die bei den meisten Haselauern selbstverständlich ist: Engagement.

Einsatzwille für die Allgemeinheit - er ist beispielsweise abzulesen an der Stärke des DRK-Ortsvereins, der mit 110 Mitgliedern relativ zur Einwohnerzahl von 1100 Einwohnern zu den stärksten im gesamten Kreis Pinneberg gehört. Engagement - das zeigt sich in den vielen, vielen Menschen, die ehrenamtlich tätig sind. Dieter Günther aus Hohenhorst macht das auf kulturellem Gebiet. Der pensionierte Polizist ist Vater des Dorfmuseums. Eigentlich sind es ja zwei Museen. Als das ehemaligen Feuerwehrgerätehaus nicht mehr ausreichte, die Reetdachdecker-Werkzeuge und Kleischaufeln, eine komplette Bandreißer- und eine Schusterwerkstatt und Pütt un Pann aufzunehmen, wurde die ehemalige "Durchfahrt" in Betrieb genommen, in der zu alten Zeiten die Pferdefuhrwerke als "Drive Inn"-versorgt wurden. Günther sammelt leidenschaftlich, um zu zeigen, wie schwer das Leben der Großeltern-Generation zu alten Zeiten war.

Auch seit diesen Ur-Zeiten sind die Plüschaus Landwirte, seit drei Generationen Obstbauern im Vollerwerb. Friedrich Wilhelm Plüschau, 86, verwandelte sich vom Bandreißer zum Apfel-Experten, unterdessen haben seine Enkel Tim und Anne den Hof im Griff. Aber auch die mittlere Generation ist mit Wilfried Plüschau noch dabei. Sie gehören zu den vier, fünf größeren Höfen im Ort, die in diesem Wirtschaftszweig trotz aller Schwierigkeiten in der grünen Branche ihre Zukunft sehen. Sie wachsen und übernehmen die Flächen von kleineren Höfen, die aufgeben. Zehn Hektar Erdbeeren, Himbeeren und Süßkirschen haben die Plüschaus im Betrieb und 50 Hektar Äpfel, die zehn marktgängigsten Sorten wie Elstar und Jona Gold. "Wir vermarkten über Hofläden und die Marktgemeinschaft Altes Land", sagt Wilfried Plüschau, der auch Geschäftsführer dieser Einrichtung ist. "Stillstand ist Rückschritt" lautet eine seiner Devisen. Deshalb haben die Plüschaus gerade einen neuen Hofladen gebaut und die Kühlhallen-Fläche wird auch kontinuierlich erweitert. Seit 2001 haben sie 1,5 Millionen Euro investiert - am Tag des offenen Obsthofes am Sonnabend, 11. September, kann jedermann die Anstrengungen für eine gute Zukunft begutachten.

Rosige Perspektiven erwartet Holger Freudenberg. Sein Unternehmen für Wartung und Service von Schiffskranen floriert auch auf dem "platten Land" in einer ehemaligen Schaf-Halle ein Stück weit vom Hamburger Hafen entfernt. "Wir sind weltweit tätig, liefern Ersatzteile für Krane und bauen sie ein." Seine Mitarbeiter sind Allround-Techniker und müssen in Elektrotechnik genauso fit sein wie in Maschinenbau und Hydraulik. Es ist ein kleines Spezialgebiet, auf dem sich Freudenberg und sein Team nach eigenen Angaben auf einen der weltweit vorderen Plätze emporgearbeitet haben.

Gute Zukunft - dazu zählen zweifellos gehören auch die "Marschkinder"- das sind die 52 plietschen Steppkes aus der evangelische Kindertagesstätte. Sie stammen nicht alle aus Haselau, aber Grenzen zwischen den Dörfern sind hier doch irgendwie ohnehin nur virtuell. Kita-Leiterin Angela Dücker und ihre sieben Kolleginnen betreuen den Nachwuchs liebevoll. Hier auf dem Land ist die Welt (fast) noch in Ordnung. "Wir verzeichnen bei manchen Kindern auch mehr Verhaltens- und Sprachauffälligkeiten als früher, aber sicherlich viel weniger als in städtischen Brennpunkten", sagte die Erzieherin. Migration ist in Haselau überhaupt kein Thema, jedenfalls nicht als Problem. "Wir haben hier auch zwei türkische Kinder. Die machen alles mit und sind genauso süß wie alle anderen", so Angela Dücker.

Sie sind auch mit dabei, wenn Andreas-Michael Petersen in die Kita kommt und Geschichten erzählt. Petersen ist der Pastor an der Heilig-Dreikönigskirche aus dem 13. Jahrhundert 670 Glieder gehören zu seiner Gemeinde. "Etwa sieben Prozent besuchen die Gottesdienste", sagt er, "damit das stabil bleibt, lassen wir uns viel einfallen." Beliebt sind seine Gospel-Gottesdienste und zum alljährlichen Motorradtreff kommen mehrere Hundert "Rocker". Petersen: "Haselau empfinde ich als so angenehm, weil hier die Leute mitten im Leben stehen und viel Wert auf persönlichen Kontakt legen."

Nicht mal einen Steinwurf von seiner Kirche entfernt im "Haselauer Landhaus" lebt eine Nachwuchs-Schauspielerin mit großer Zukunft: Merle Mohr (13) ist das jüngste Ensemblemitglied aller niederdeutschen Bühnen in Schleswig-Holstein. Opa Otto Lienau hat mit ihr von Geburt an platt gesprochen. - Lohn des frühen Fremdsprachenunterrichts: zweimal gewann Merle bereits den Landeswettbewerb "Schölers lest platt". Und sie wurde von Gerhard Richert entdeckt, Nachbar, Regisseur und Vorsitzender der Elmshorner Speeldeel": "Platt ist wundervoll. Jetzt lernen sogar Pflegerinnen in Seniorenheimen die Sprache, weil man erkannt hat, dass Demenzkranke sich wohler fühlen, weil sie sich an die Sprache ihrer Kindheit erinnern."

Merles Vater Gunnar Mohr kümmert sich in der Hengst-Station unterdessen um den berühmtesten Haselauer: "Contender", der Ausnahme-Zuchthengst des Holsteiner Verbandes. "Aber er ist mittlerweile ein alter Herr und nicht mehr im Einsatz, sondern darf sich auf der Weide erholen."

Neben dem Reiten steht der Golfsport in Haselau ganz oben an. Wolfgang Prozies ist Geschäftsführer des Golfclubs Gut Haseldorf. Er ist schon ein bisschen stolz, dass die Anlage "sportlich herausfordert", dass sie mit 22 Arbeitsplätzen mittlerweile der größte Arbeitgeber der Gemeinde ist und dass viele Fremde den Ort und seine Gastronomie durch sie kennen und schätzen gelernt haben.

Darüber freut sich Stefan Wulff auch. Der Inhaber und Koch des "Jägerkrugs" setzt auf klassisch-deutsche Küche: Bohnen, Birnen und Speck, Sauerfleisch und Schnitzel mit Soße - "aber aus der Pfanne und nicht aus der Fritteuse!" Futtern wie bei Muttern, kombiniert mit Landschaft und Spazierwegen - besonders am Wochenende lockt das Gäste aus der gesamten Metropolregion nach Haselau.

Vielen Besuchern gefällt es in Haselau derart hervorragend, dass sie immer wieder kommen - "Wir haben viele Stammgäste", sagte Britta Parnitzke, die ein Hotel der besonderen Art betreibt: das Tatzenhotel. 14 Zimmern in Größen zwischen neun und 15 Quadratmetern, alle mit Balkon, vermietet sie. Sie nimmt Stubentiger in Kurzeitpflege von Haltern, die in Urlaub oder auf Kur fahren und niemanden haben, der sich kümmert. Aber auch Langzeit-Logisten sind dabei, deren Besitzer für Jahre im Ausland arbeiten müssen.

Wer das Pech hat, nicht in Haselau wohnen zu können, mag sich zumindest noch optisch trösten. Elisabeth Herrmann zaubert die Schönheit der Landschaft auf Fotopapier. Seit Jahren durchstreift sie die Marsch, lichtet Land und Leute ab, präsentiert ihre Werke auf Webseiten und in Kalendern.. Was ist das Faszinierende an Haselau und Umgebung? Elisabeth Herrmann: "Die Spiegelungen im Wasser, die Weite, die Tautropfen auf einer Schachblume in der Morgendämmerung, das Licht, der große Himmel und die Wolkenformationen. Ja, dieser einmalige Himmel und die Wolken sind es besonders!"