Unser Dorf: Der Abendblatt-Smart besucht eine Gemeinde voller glücklicher Menschen mit Fahrrädern, Pferden und einer Menge guter Laune

Lutzhorn. Lutzhorn liegt ziemlich weit ab vom Schuss. Bestimmt kennen viele die Gemeinde gar nicht. Trotzdem steckt zu Weihnachten ein bisschen Lutzhorn in vielen Wohnzimmern im Kreis Pinneberg und in Hamburg. Dafür sorgen Ingrid Körner-Bornholdt und ihr Mann Hennig. Sie kümmern sich mit zwei Angestellten in der kleinen Gemeinde das ganze Jahr lang um ihre Schützlinge - mehrere Zehntausend Weihnachtsbäume.

"Schon seit 50 Jahren gibt es den Tannenhof", sagt Ingrid Körner-Bornholdt. "Meine Schwiegereltern haben damals hier angefangen. Wir gehören hier dazu." In der Weihnachtszeit feiern viele Firmen auf dem Hof ihre Betriebsfeste und laden Kunden und Mitarbeiter zum Tannenschlagen ein. "Die können sich dann ihren eigenen Weihnachtsbaum mitnehmen." Während der Sommermonate kommen Familien und machen Urlaub auf dem Hof, der ein großes Angebot von Kletterwand bis Streichelzoo für die Kinder bereithält.

"Das war auch immer schön für unsere eigenen Kinder", sagt Mutter Ingrid. Helen ist die jüngste Tochter. Sie hat noch drei Geschwister. Die 14-Jährige lebt gern auf dem Hof in Lutzhorn. Dass die Gemeinde so weit draußen liegt, stört Helen aber schon. "Meine Schule ist in Barmstedt. Um 6 Uhr muss ich aufstehen." Zum Shoppen fahren Helen und ihre Freunde mit dem Fahrrad in die Schusterstadt oder weiter mit der AKN nach Elmshorn. Mutter Ingrid chauffiert ihren Nachwuchs nur selten. "Die Kids müssen eben fit sein, wenn man hier wohnt. Als Lutzhorner muss man den Hintern hochkriegen."

An guten Wochenenden kommen bis zu 140 Gäste in Karin Semmelhaacks Café

Zum Radfahren ist das Dorf ohnehin gut geeignet. Sonst würde Karin Semmelhaacks Café am Wochenende nicht so gut besucht sein. "Bis zu 140 Gäste kommen zu mir", sagt die gebürtige Lutzhornerin. Seit zehn Jahren betreibt sie das Fahrradcafé gemeinsam mit ihrem Mann Armin. "Am Anfang waren es nur ein paar Tische. Aber wir sind stetig gewachsen."

Die Kinder und Enkel helfen in dem Gartenlokal aus, wo Karin Semmelhaack Kaffee, Kuchen, Drinks und Snacks serviert. Die Gäste kommen von weit her, "denn bei uns schmeckt es und die Preise sind gut", sagt die Inhaberin. Weitermachen will sie noch viele Jahre, bis das Café irgendwann in der Familie weitergegeben wird. Der Standort Lutzhorn gefällt Karin Semmelhaack sehr gut. "Obwohl wir etwas weiter draußen liegen, hier ist es so richtig schön."

Auch Familie Poier gefällt Lutzhorn. Mutter Ulrike kann hinter dem Haus ihrem Hobby nachgehen und reiten. "Außerdem ist Barmstedt ja in der Nähe", sagt Sohn Frederik (13). Tochter Klara findet es schön in dem Dorf. "Das Radfahren macht ja auch Spaß", sagt die 7-Jährige. Vater Martin schätzt die Idylle. "Obwohl durch die neue Kreisstraße hier viel mehr Autos fahren als früher." Das Haus, in dem die Poiers wohnen, ist schon 100 Jahre alt. "Ich könnte mir nicht vorstellen, woanders zu leben", sagt Mutter Ulrike.

Die Familie genießt den Platz, den ihr Grundstück im Grünen ihnen bietet. "Es gibt schon Leute, die sagen, wir würden am Ende der Welt wohnen", sagt Martin Poier. "Das stimmt nicht. Aber wir können es sehen." Lutzhorner Humor. Trotzdem ist sich die Familie, zu der auch noch Sohn Gregor gehört, einig: "Hier zu wohnen, ist ein Segen." Dieses Privileg genießt Norbert Kirst schon sein ganzes Leben. Der gebürtige Lutzhorner ist leidenschaftlicher Reetdachdecker. "Die Leute bauen zwar heute wegen der Brandschutzverordnung nicht mehr so viele Reetdächer", trotzdem gibt es für Norbert Kirst genug zu tun.

Er pflegt und repariert die Reetdächer, die es in der Region noch gibt. Jeden Tag ist er in Schleswig-Holstein und Hamburg unterwegs. Für die Familie und das Dorfleben nimmt er sich dennoch Zeit. "Wir sind hier glücklich."

Ein Job mit Tradition: Schon Norbert Kirsts Großvater war Reetdachdecker

Der Reetdachdecker genießt den Platz und die Natur. "Warum sollte ich wegziehen", sagt er. Kirsts Kinder leben mit in dem Haus in Lutzhorn. Darin wohnte schon sein Großvater. "Auch der war Reetdachdecker. In der Familie hat das Tradition."

Fritz Zimmermann ist berufstechnisch in Lutzhorn ebenfalls ein echtes Urgestein. Er feiert dieses Jahr das dreißigjährige Bestehen seines Betriebes. Damals hatte der gelernte Modellbauer den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Zusammen mit seiner Frau Brigitta leitet er den Betrieb, der Fertigungsmittel für die Industrie herstellt. Formen und Prototypen für Gusstafeln, Massagegeräte und Markisen produziert Zimmermann in seiner Werkstatt hinter dem Haus. Seine Frau Brigitta erledigt die Büroarbeit und hilft beim Lackieren. Sie kommt aus der Stadt.

"Manchmal vermisse ich die gute Verkehrsanbindung. Man ist hier sehr auf das Auto angewiesen." Trotzdem genießt das Paar das Dorf-Leben. Wenn Fritz Zimmermann einmal in Rente geht, ist unklar, was mit dem Betrieb passiert. Das dauert aber noch ein bisschen. "Dann haben wir auch mehr Zeit", sagt er. Die verbringen die Zimmermanns gern auf der heimischen Terrasse im Grünen.

Nachfolgeprobleme gibt es für Familie Ladiges und ihren Hofladen nicht. Der 21-jährige Sohn Felix wird den Betrieb in dritter Generation übernehmen. Auch den kleinen Laden will er weiter betreiben. Seine Eltern Thomas und Brigitte verkaufen dort Obst und Gemüse, Eier und vieles mehr. Brigitte Ladiges hat eine besondere Verbindung zu Lutzhorn. "Schon als Kind bin ich gern hergekommen und habe das Landleben genossen." Auf dem Bauernhof lernte sie ihren Mann Thomas kennen, der den Hof von seinem Vater übernommen hatte.

So kam sie endgültig in die kleine Gemeinde. Den Umzug hat sie nie bereut. "Ich liebe die gute Dorfgemeinschaft. Alle sind sehr hilfsbereit." Neben der Landwirtschaft engagiert sich Brigitte Ladiges bei den Landfrauen und den Maltesern. Ihr Mann ist im Jagdverein. "Das gehört eben dazu, dass man etwas nebenbei macht."

Hans-Jürgen Kublun ist ebenfalls ehrenamtlich tätig. Er ist seit 2008 Bürgermeister der Gemeinde. "Das macht mir großen Spaß", sagt Kublun. Verständlich, denn die Politik läuft in Lutzhorn eher freundschaftlich ab. Bei der letzten Wahl gingen alle elf Sitze an die Freie Wählergemeinschaft Lutzhorn. Wichtig ist Kublun vor allem der Zusammenhalt im Dorf. "Wir haben hier eine wirklich tolle Gemeinschaft", sagt er. "Lutzhorn ist super!"

Auch die Mortensens lieben das Dorf. Auf ihrem Gestüt züchtet die fünfköpfige Familie Ponys und Galloway-Rinder. Sabine Mortensen hat sich mit dem Hof einen Lebenstraum verwirklicht. Nach dem Studium hat sie in Hamburg als Unternehmensberaterin gearbeitet. "Als ich zufällig den Hof in Lutzhorn gesehen habe, war es Liebe auf den ersten Blick." Die junge Familie zog vor fünfzehn Jahren nach Lutzhorn und modernisierte das Gestüt.

"Die Großstadt vermisse ich nicht", sagt Sabine Mortensen. "Das Dorfleben möchte ich nicht missen." Auch den drei Kindern bedeutet die Freiheit in der Natur sehr viel. Neben ihrer Züchtertätigkeit engagiert sich Sabine Mortensen als Erste Vorsitzende des Reit- und Fahrverein Lutzhorn. "Der Zusammenhalt der Mitglieder ist großartig." Jährlich veranstalten die Mitglieder ein Grünkohlessen, Wettkampfbesuche und das Weihnachtsreiten. Alle zwei Jahre plant Sabine Mortensen ein Turnier mit rund tausend Pferden auf ihrem Hof. "Das ist dann wie ein Dorffest, weil alle vorbeischauen möchten, egal ob sie im Verein sind oder nicht."

Die Pferdezüchterin ist nicht die einzige tierliebe Lutzhornerin. AuchWilli und Marlis Schlüter beschäftigen sich hobbymäßig mit den besten Freunden des Menschen. Ihre Aufmerksamkeit gilt aber nicht den Pferden. Sie züchten Tauben. "Ich mache das schon ewig", sagt Willi Schlüter. Seine Frau ist seit mehreren Jahren dabei.

Die Taube "Schlüterbomber 1" war 2008 deutschlandweit die Beste

200 Tauben leben auf dem Hof der Schlüters. Neben der Züchtung nimmt das Ehepaar mit den Vögeln auch an Wettkämpfen teil. 2008 kam für die beiden der große Durchbruch. "Unter Deutschlands besten 100 Tauben waren drei von uns", sagt Schlüter. Für den Wettkampf wurden die Brieftauben mehrmals zwischen 200 und 600 Kilometer von ihrem Taubenschlag entfernt ausgesetzt. Die Vögel, die am schnellsten zu ihrem Hof zurückkamen, wurden prämiert. "Wir haben zwei ganz gute Plätze im Mittelfeld belegt", sagt Marlis Schlüter. Die Taube mit dem Namen "Schlüterbomber 1" gewann sogar die Meisterschaft. "Die Chinesen haben mir dann bis zu 100 000 Euro geboten, aber verkaufen werde ich die Taube nicht", sagt Willi Schlüter. Er habe alles, was er braucht. Dass die Tauben immer wieder zu zurückkommen, liegt an ihrem angeborenen inneren Kompass.

Warum aber die Lutzhorner Tauben die schnellsten sind, bleibt wohl Schlüters Geheimnis. Vielleicht weil es in dem kleinen Dorf so schön ist. Und um nach Lutzhorn zurückzufinden, sind die Tauben auch nicht auf eine gute Bahnverbindung angewiesen.

Unsere Dorfserie ist fast vorbei. Heute sind noch einmal die Haselauer gefragt. Das Gruppenbild findet um 18 Uhr am Landhaus an der Dorfstraße 10 statt.