Neue Hygieneverordnung erlassen. Regio-Kliniken sind schon seit Jahren Vorreiter. Die positive Folge: Infektionsrate wurde drastisch gesenkt.

Kreis Pinneberg. Horror-Szenario für jeden Krankenhauspatienten: Statt vom Leiden befreit und wieder gesund aus der Klinik entlassen zu werden, steckt er sich erst im Hospital mit einem gefährlichen Erreger an, der ihn womöglich so schwächt, dass er daran stirbt. Das Kieler Gesundheitsministerium hat jetzt den Klinikinfektionen den Kampf angesagt und eine neue Hygieneverordnung beschlossen. Alle Krankenhäuser müssen ausgebildetes Hygiene-Fachpersonal beschäftigen und fortbilden. Grund: Bundesweit würden bis zu 600 000 Menschen an diesen Krankenhauskeimen erkranken und 15 000 Patienten sogar daran sterben, sagte Minister Heiner Garg.

Bei den Regio-Kliniken im Kreis wird diese Hygiene-Vorschrift bereits ohne Verordnung umgesetzt, bestätigte Kunigunde Prüßner vom Kreis-Fachdienst Gesundheit. "Das ist bei den Regio-Kliniken alles gut in Arbeit, wir werden das künftig einmal im Jahr kontrollieren." Grundsätzlich müssten aber auch alle ambulanten OPs fachlich zertifiziert sein, sagt sie. Auch wenn dieses Problem vor allem die Krankenhäuser betrifft, weil dort diese Keime auf andere geschwächte Patienten treffen.

"Wir haben das Problem frühzeitig erkannt und sind auf dem richtigen Weg", sagt Dr. Thorsten Wygold, Ärztlicher Direktor der Regio-Kliniken. Vor vier Jahren sei zunächst am Klinikum Elmshorn ein Modellversuch gestartet, der Anfang 2011 auf die beiden anderen Klinikstandorte in Pinneberg und Wedel ausgeweitet wurde. Denn der Erfolg war durchschlagend. "Wir konnten die Infektionsrate drastisch senken", berichtet Dr. Wygold. Die Ansteckung von Patienten mit so genannten nosokomialen, also innerklinischen Infektionen, sei in Elmshorn um 80 Prozent zurückgegangen. Vor allem die Erkrankung mit dem äußerst gefährlichen MRSA-Bakterium (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), das über Keime der Atemwege zu Hauterkranken und sogar lebensbedrohlichen Erkrankungen führen kann, sei nahezu ausgemerzt, freut sich der Mediziner.

Dies gelang durch eine obligatorische Untersuchung von Risiko-Patienten und eine gründliche Hygiene. So würden alle Patienten ab einem bestimmten Alter und mit chronischen Wunden sofort bei der Klinikaufnahme auf MRSA getestet, erläutert der Ärztliche Direktor. Insgesamt gebe es sieben Risikofaktoren. Damit konnte die Ansteckungsgefahr weitgehend verhindert werden. Etwa fünf Prozent der jährlich 30 000 stationären Patienten in den Regio-Kliniken (900 Betten) trügen diese Keime bei sich. Bei einem gesunden Menschen seien sie ungefährlich. Treffen sie aber auf einen geschwächten, schwer kranken Menschen, dessen Immunsystem nicht mehr richtig funktioniert, können sie fatale Wirkung haben. Eine genaue Zahl, wie viele Patienten von den etwa 1500 potenziellen Krankheitsträgern angesteckt wurden, gebe es allerdings nicht.

Sobald ein Patient positiv getestet sei, würde er sofort behandelt und absolute Hygiene von den Ärzten, Pflegekräften und auch den Angehörigen verlangt. "Händewaschen ist das ein und alles bei der Hygiene", betont Dr. Wygold. "Die Angehörigen können gerne den kranken Onkel Theodor besuchen. Sie müssen nur einen Kittel und Einweghandschuhe anziehen und bei jedem Rein- und Rausgehen sofort ihre Hände desinfizieren." Eine Isolation aller Patienten schon bei der Aufnahme, wie es in den niederländischen Kliniken üblich sei, hält Wygold für die falsche Methode. "Da hat der Patient nur noch mit Menschen mit Mundschutz zu tun und ist völlig isoliert. Das verwirrt ihn und ist für den Patienten eine Strafe."

Grund für die große Verbreitung dieser Keime in den Kliniken sei der relativ häufige Gebrauch von Antibiotika in den Krankenhäusern. Wygold: "Ich bin von Haus aus Kinderarzt und gehe deshalb sehr vorsichtig damit um." Etwas Unbehagen hinterlässt die neue Verordnung beim Regio-Chef-Mediziner, weil nicht geklärt sei, wie bestimmte Auflagen umzusetzen sind. So soll jede Klinik dazu verpflichtet werden, einen Arzt für Hygiene zu beschäftigen. Das wären allein drei für die Regio-Kliniken. "Dabei gibt es bundesweit nur 350 Hygiene-Ärzte." Regio will jedenfalls kräftig in diesem Bereich investieren und die Weiterbildung ihrer 200 Ärzte "attraktiver gestalten", kündigt Wygold an. "Nur wissen wir bislang noch nicht, wie wir das bezahlen sollen" Möglicherweise müsste dann der verbesserte Hygiene-Standard auf Kosten der Anschaffung von Röntgen- oder Ultraschallgeräten umgesetzt werden.