Sechs Stunden dauerte es, bis eine 73 Jahre alte, krebskranke Frau in der Henstedt-Ulzburger Paracelsus-Klinik behandelt wurde.

Henstedt-Ulzburg. Der Auftrag war eindeutig: Hannelore G. sollte in der Henstedt-Ulzburger Paracelsus-Klinik untersucht werden, weil der Verdacht einer Thrombose im linken Bein bestand. Ein Onkologe aus Norderstedt hatte die Überweisung veranlasst und die Klinik informiert. Dort aber kümmerte sich lange niemand um die krebskranke Norderstedterin: Erst nach sechs Stunden wurden die erforderlichen Untersuchungen vorgenommen. Die Klinik räumt einen Fehler ein, Hannelore und Peter G. schrieben Beschwerdebriefe an das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium und das Kreisgesundheitsamt.

Mit Schmerzen im linken Bein hatte sich Hannelore G. in eine onkologische Praxis am Langenharmer Weg in Norderstedt begeben. Da Verdacht auf eine Thrombose im linken Bein bestand, sollte sie sich für eine genaue Diagnose in die Notaufnahme der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg begeben. In der Norderstedter Praxis ist Hannelore G. in Behandlung, weil sie an Brustkrebs operiert wurde und sich einer Chemotherapie unterziehen muss. Obwohl Onkologie Dr. Joachim Dahlke den Besuch von Hannelore G. angekündigt und eine entsprechende Überweisung mitgegeben hatte, kümmerte sich in der Klinik zunächst niemand um die 73-Jährige, die zusammen mit ihrem Mann gegen 14.30 Uhr im Wartezimmer der Notaufnahme Platz nahm.

Bis 18 Uhr tat sich überhaupt nichts, dann, dreieinhalb Stunden nach ihrem Eintreffen, wurde Hannelore G. in einen Untersuchungsraum gebracht, um ihr Blut abzunehmen. 20 Minuten später kam die Krankenschwester mit dem Laborbefund und kündigte das Eintreffen eines Arztes an. Tatsächlich kam eine Ärztin - aber erst anderthalb Stunden später. Sie nahm eine normale Untersuchung vor, für eine Sonografie wurde noch ein weiterer Arzt hinzugezogen. Gegen 20.45 Uhr konnte das Ehepaar G. die Klinik wieder verlassen. Der Verdacht auf Thrombose hatte sich nicht bestätigt, aber Frau G. war nach dieser langen Wartezeit erschöpft.

Dieser langwierige Vorgang kann so exakt beschrieben werden, weil Peter G. ein Zeitprotokoll angefertigt hat, das er dem Hamburger Abendblatt zur Verfügung stellte. Der Ablauf wird von den verantwortlichen Ärzten und der Klinikleitung auch nicht bestritten. "In unserem Fall empfinde ich es als verantwortungslos, eine krebskranke Patientin, deren Immunsystem nicht das beste ist, so lange zwischen all den anderen Patienten warten zu lassen, wo doch die Gefahr einer Übertragung von Keimen und Bakterien immens hoch ist", schreibt Peter G. Er erkennt die Leistung des medizinischen Personals ausdrücklich an. Alle seien trotz des enormen Leistungsdrucks "sehr bemüht und nett" gewesen. Peter G. vermutet eine Überforderung des medizinischen Personals in der Paracelsus-Klinik nach Schließung der Notaufnahme in Kaltenkirchen.

Das wird von der Klinikleitung nicht bestätigt, aber Verwaltungsdirektor Matthias Stulpe-Diederichs gibt zu, dass an diesem Tag einiges nicht richtig gelaufen ist. Die Wartezeit sei unangemessen lang gewesen, das Infektionsrisiko für Frau G. sei nicht im Blick behalten worden. "Dafür gibt es eigentlich keine Entschuldigung", sagt der Klinikchef. "Was hier passiert ist, erschließt sich keinem Beteiligten." Trotzdem hat sich Chefarzt Dr. Dirk Seeler aus der Abteilung für Innere Medizin bei dem Ehepaar schriftlich entschuldigt.

Damit ist der Fall für die Klinikleitung allerdings nicht erledigt. "Wir haben den Ablauf auf den Kopf gestellt und die Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen", sagt Matthias Stulpe-Diederichs, der allerdings auch darauf hinweist, dass es an dem Tag mit 62 Anmeldungen eine ungewöhnlich hohe Zahl von Notfallpatienten gegeben habe.

Hannelore G. liegt derzeit wieder im Hamburger Elim-Krankenhaus, wo sie auch operiert worden ist, weil es im Zuge der Chemotherapie Komplikationen gegeben hat. Ihr Ehemann bestätigt das Eintreffen des Entschuldigungsschreibens von Dr. Seeler, der ihm darin auch eine Änderung im Ablauf der Notfallaufnahme ankündigte. Für das Ehepaar steht allerdings fest: "In die Paracelsus-Klinik gehen wir nicht mehr."