Heftige Kritik an der Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft über Schleswig-Holsteins Schulsystem

Kreis Pinneberg. Bildungsexperten warnen davor, die Ergebnisse des aktuellen Bildungsmonitorings überzubewerten. Die Initiative Neue soziale Marktwirtschaft, eine arbeitgebernahe Lobbygruppe, hatte vor Kurzem eine Tabelle erstellt, um die Bildungsqualitäten der Bundesländer bewertet. Schleswig-Holstein landete auf dem vorletzten Platz. "Die Daten sind veraltet. Wir sind längst weiter", sagt Patricia Zimnik, Sprecherin des Bildungsministeriums.

"Wir haben in Schleswig-Holstein sehr viel für frühkindliche Förderung getan", sagt die Sprecherin des Kultusministeriums. Tatsächlich schneidet Schleswig-Holstein bei der Einzelbewertung, wo es um die Zeiteffizienz und beispielsweise die verspätete Einschulung von Abc-Schützen geht, auf Platz drei sehr gut ab. Das ist aber auch kein Wunder, denn seit 2007 gilt in Schleswig-Holstein die Schulpflicht für alle Sechsjährigen. "Nicht die Kinder sollten reif für die Schule werden, sondern die Schule fit gemacht werden, um die Kinder auszubilden", erläutert Schulrat Dirk Janssen. Ausschließlich aus medizinischen Gründen durften Kinder zurückgestellt und später eingeschult werden. Mit etwa ein Prozent Späteinschuler liegt der Kreis Pinneberg sogar noch unter der landesweiten Marke.

Vorbildlich wirkt der Kreis Pinneberg auch bei der Frühförderung. Ziel ist, Kinder möglichst noch im Kindergartenalter so fit zu machen, dass sie sprachlich in der Grundschule mithalten können. Dieses Programm unter dem Titel Sprint konnten voriges Schuljahr 434 Kinder mitmachen, darunter auch knapp zehn Prozent Jungen und Mädchen aus Familien mit deutschsprachigen Eltern. Dabei werden Gruppen mit bis zu acht Kindern gebildet, die ein bis zwei Stunden pro Tag geschult werden.

Auch Kinder aus Migrantenfamilien, die später Förderbedarf haben, werden in speziellen Lerngruppen unterrichtet. Unter dem Titel Deutsch als Zweitsprache, kurz DAZ, werden Schüler in Extraklassen so fit gemacht, dass sie in den normalen Unterricht wechseln können. 181 Kinder nutzten im vorigen Schuljahr diese Chance.

Stolz sind die Bildungsexperten im Kreis Pinneberg auch auf die Programme, mit deren Hilfe gefährdete Hauptschüler und leistungsstarke Förderschüler zum Abschluss gebracht werden. In den Flex-Klassen dürfen die Acht- und Neuntklässler ein weiteres Jahr lang lernen. Dabei werden sie in höchstens 18-köpfigen Klassen auch von einem Sozialarbeiter begleitet. Er soll den Kontakt zu Arbeitgebern pflegen, sich gemeinsam mit den Schülern um Praktikumstellen kümmern und auch den Einstieg ins Arbeitsleben begleiten. "Wir sind mit 85 bis 88 Prozent Abschlüssen extrem erfolgreich", freut sich Schulrat Janssen.

Nicht vergleichen lassen sich laut Sprecherin des Bildungsministeriums die in der Bildungsstudie angegebenen Daten beispielsweise über die Anzahl der Unterrichtsstunden, denn was die Gutachter im Verhältnis zu Klassen setzen, wird in Kiel pro Schüler erfasst. An der Datensammlung setzt auch die Kritik an, die Bildungsforscher Klaus Klemm übt. Er hält den Bildungsmonitor für wissenschaftlichen Unfug. Stern-online sagte er: "Solch eine Studie mit Rangliste zu erstellen, traut sich außer der INSM kein Wissenschaftler zu - denn es ist medienwirksame Zauberei, sonst nichts."

In die gleiche Kerbe schlägt Ernst Dieter Rossmann, SPD-Bundestagsabgeordneter und Bildungsexperte. Wissenschaftlich basiere das Ergebnis der Studie auf äußerst fragwürdiger Datenbasis. Spannend sei es allerdings, die Einzelergebnisse auszuwerten.

Bildungsforscher Klemm stört sich auch am Ergebnis der Studie. "So könnte man den Eindruck gewinnen: Wenn ein Land möglichst wenig Kinder bekommt und wenig Migranten hat, hat es große Chancen im Ranking nach vorne zu kommen. Das kann aber nicht das Ziel der Bildungspolitik sein."

Stattdessen setzen Bildungsexperten wie Klemm und Rossmann auf mehr Ganztagsangebote. "Die haben wir in Schleswig-Holstein schon bei etwa der Hälfte der Schulen", sagt Kiels Ministeriumssprecherin Zimnik.

Noch besser könnte es beim Problemfeld Integration von Zuwanderern funktionieren, wenn Deutschland wie das EU-Land Italien die Anstrengungen von Kommunen, Vereinen und Schulen bündelt. Sabine David-Glißmann, Leiterin der Rellinger Brüder-Grimm-Schule in Rellingen und des Sprint- und Daz-Programms fürs Schulamt, sagt: "Das italienische Modell ist beeindruckend."