Unser Dorf: Das Abendblatt besucht eine Gemeinde, in der schnell gesurft wird, sich Autos duellieren und Bands abrocken

Langeln. Seine Augen strahlen, wenn er auf das knallrote Fahrzeug blickt: "Das ist der Stolz unserer Feuerwehr", sagt Wehrführer Carsten Rappen. Gemeint ist das vor zwei Jahren angeschaffte LF 10/6. Mehr als 200 000 Euro hat sich die kleine Gemeinde das Löschgruppenfahrzeug mit 1000 Liter Wassertank kosten lassen.

Dass diese Investition möglich wurde, ist der umsichtigen Finanzpolitik der Gemeindevertreter zu verdanken. "Wir sind schuldenfrei, darauf sind wir stolz", sagt Bürgermeister Hans-Detlef Fuhlendorf. Der einstige Landwirt hat gemeinsam mit seiner Tochter Eva seinen Hof in ein kleines Landhotel umgewandelt - vier helle Zimmer, jedes mit Bad/WC. "Das läuft gut. In der Woche kommen viele Monteure, am Wochenende Urlauber, die sich Hamburg angucken wollen." Gebucht wird über das Internet. "Unsere Gemeinde ist zu 100 Prozent am DSL-Netz angeschlossen", berichtet der 73-Jährige. Heutzutage sei eine Kommune ohne schnelles Internet nicht zukunftsfähig.

Fuhlendorf machte den Deal mit der Telekom - und musste selbst Schnelligkeit beweisen. "Ich hatte nur acht Tage Zeit, alle zu überzeugen." Inzwischen verfügt die kleine Gemeinde über elf Gewerbebetriebe - auch dank DSL. 183 000 Euro kostete das Projekt, bei der Gemeinde blieben lediglich 29 000 Euro hängen. "Es gab sogar Zuschüsse aus Brüssel", sagt der bauernschlaue Bürgermeister.

Fuhlendorf und seine Kollegen im Gemeinderat bewiesen noch in einem anderen Punkt Geschäftssinn: Die Gemeinde betreibt eine eigene Kläranlage, an der 70 Häuser im Ortskern angeschlossen sind. Die im Außenbereich verfügen über eigene Klärgruben. "Wir haben vor ein paar Jahren über einen Anschluss an das Netz des Abwasser-Zweckverbandes diskutiert. Die 4,5 Kilometer lange Strecke sollte aber 1,5 Millionen Euro kosten, da haben wir das gelassen." Vor Kurzem hat die Gemeinde ihre Kläranlage für 440 000 Euro in Schuss gebracht.

Auch das im Dezember 1977 eingeweihte Gemeindezentrum ist top saniert. Das Gebäude beherbergt das Bürgermeisterbüro sowie Versammlungsräume und wird auch für Feiern genutzt. Es ist der Mittelpunkt des Ortes - gerade vor dem Hintergrund, dass es nach der Schließung der Gastwirtschaft Brandt vor mehr als 20 Jahren kein Lokal als Treffpunkt mehr gibt. Das Rotklinkerhaus steht an der Stelle, wo bis in die 70er-Jahre die Dorfschule war. Inzwischen wird der Nachwuchs im benachbarten Hemdingen unterrichtet - in einer Dorfgemeinschaftsschule, die von Heede, Bilsen, Langeln und Hemdingen getragen wird. Auch die Kindergartenkinder werden in der Nachbargemeinde betreut.

Im Dorfgemeinschaftshaus sind auch die Feuerwehr und ihr neues Fahrzeug untergebracht. "Bis vor zwei Jahren hatten wir ein 30 Jahre altes Löschfahrzeug", sagt Wehrführer Rappen. Er und seine 30 Kameraden ("Wir haben keine Nachwuchsprobleme") werden wegen der zwei großen Straßen, die Langeln durchschneiden, meistens zu Verkehrsunfällen gerufen. "Unsere Aufgabe ist es, technische Hilfe zu leisten", berichtet der Wehrführer. Vor zwei Jahren standen die freiwilligen Helfer vor einem völlig deformierten Golf, der unter einem Lkw begraben war. Bei den Toten im Auto handelte es sich um ein Ehepaar aus Langeln. "Ich habe meine Leute abrücken lassen und eine Nachbarwehr alarmiert", sagt Rappen.

Siegfried Hubbers ist in Langeln geboren - und hat nie irgendwo anders gewohnt. Der ehemalige Landwirt hat die 1992 erschienene Chronik des Ortes mitverfasst. Der heute 77-Jährige, der 30 Jahre in der Gemeindevertretung saß und von 1990 bis 1994 das Bürgermeisteramt bekleidete, ist im gewissen Sinn ein Exot. Er ist CDU-Mitglied. War, um genauer zu sein. 1999, im Zuge der Parteispendenaffäre, trat der Altbürgermeister aus der CDU aus. Die Union fristet in Langeln ein Schattendasein, stellt lediglich drei der neun Gemeindevertreter. Das sind aber drei mehr als die SPD - deren Ortsverein hat sich vor einigen Jahren aufgelöst.

Stärkste Kraft ist die Bürgerliche Wählergemeinschaft Langeln, kurz BWG. "Wir haben mehr als 60 Mitglieder", sagt die Ortsvorsitzende Birgit Grelck. Die 46-Jährige sitzt ebenso wie die anderen Vorstandsmitglieder nicht im Gemeinderat. Die Trennung von Amt und Mandat wird ernst genommen. "Die BWG macht nicht nur Politik, wir bereichern auch das Kulturleben in Langeln", sagt die Vorsitzende. Sie verweist auf Fahrradtouren, Grillfrühschoppen, Wandertage und Vorträge, die von der BWG organisiert werden.

Patrik Mohr, 24, der gleichaltrige Patrick Kühn und der ein Jahr jüngere Christoph Kühl organisieren am Sonnabend, 27. August, das zweite Langelner Stock-Car-Rennen. Von 10 Uhr an sind auf einem Acker an der Dorfstraße 2 Auto-Duelle garantiert. Aus einer Schnapslaune heraus hatten die drei Freunde vor einigen Jahren beschlossen, Schrott zu produzieren. Daraus wurde ein Event der besonderen Art.

Etwa 50 Renn-Teams mit ihren aufgemotzten Schrott-Kisten werden an diesem Tag erwartet und sich in fünf Rennen messen. "Unfälle sind Programm", sagen die Organisatoren. Die Regeln gehen ungefähr so: Wer die meisten Crashs baut und dennoch weiter fahren kann, hat gewonnen. Ab 20 Uhr kann das Dorf bei einer After Show Party Gas geben und in die Nacht starten. "Eigentlich ist hier immer was los, langweilig wird es nie", sagen die Drei. Sie verweisen auch auf das Rockfestival "Langeln Open Air", das in diesem Jahr am 23. Juli stattfand. 15 Bands auf zwei Bühnen boten trotz des bescheidenen Wetters ein buntes Programm.

Mit dem Wort Bunt könnte man das Leben von Bernd Mölck-Tassel gut beschreiben. Der gebürtige Bilsener ist Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und erfolgreicher Kinderbuchillustrator. Seine Inspirationen holt er sich zum Teil aus Kindheitserinnerungen und erzählten Geschichten. In seinem Atelier kann der 47-Jährige seiner Kreativität freien Lauf lassen und seine Ideen mit Farben und Pinsel verwirklichen. Wenn der Dozent mal nicht im Atelier oder an der Universität unterwegs ist, sitzt er zusammen mit seiner Familie am Lagerfeuer oder geht auf Erkundungstour durch die Natur. "Ich wohne gern in Langeln. Ich mag den weiten Blick über die Felder und genieße die Schönheit der Natur", sagt er.

Mitten in der Natur liegt auch der Bauernhof Kühl. Hier betreibt Holger Kühl, der Ortsvorsitzende des Bauernverbandes, eine Milchviehzucht. Seine Frau Ellen und Hund Benji unterstützen den Landwirt tatkräftig bei der Arbeit und halten die Kühe im Zaum. Einmal im Jahr organisiert Kühl als Vorsitzender des Bauernverbandes den Ernteball in Langeln. Höhepunkt des Festes ist die Überreichung der Erntekrone an den Bürgermeister.

Hans-Jürgen Lohmann ist Jäger aus Leidenschaft - und Chef des Jagdverbandes. "Es gibt nichts schöneres, als in der Morgendämmerung einen Hirschkopf aus dem Dickicht des Nebels hervorschauen zu sehen", sagt der 51-Jährige. Seine Frau Elke könnte sich nicht vorstellen, aus Langeln wegzuziehen. "Ich bin hier geboren. Es fehlt an nichts und hier ist eine Menge los."

Für Action unter den Senioren sorgt Edith Lohse. Die Vorsitzende des Seniorenkreises organisiert für alle ab 60 ein abwechslungsreiches Programm. "Wir machen Tagesausflüge nach Föhr, Sylt und Usedom und gehen zwei Mal im Jahr zusammen essen", erzählt die Rentnerin. Besonders beliebt ist der Seniorentreff. "Die Leute sind meist schon viel zu früh dort und können die Veranstaltung kaum erwarten. Für die älteren Herrschaften ist Gesellschaft sehr wichtig. Sie möchten nicht allein sein", erklärt die 72-Jährige.

Jeden Donnerstag trifft sich das Dorf beim "Sparclub Emsig Langeln", der einen Raum im Gemeindezentrum nutzt. Bereits seit 1951 wird Bares beiseite gelegt - und zu Weihnachten mit Zinsen zurückgezahlt. Der Kasten an der Wand mit vielen Namen und Geldeinwurf-Schlitzen ist nur noch Beiwerk. "Am Ende des Abends werden alle Fächer geleert und das Geld zur Bank gebracht", sagt Wolfgang Emmelmann, seit 2001 "Obersparer". 72 Mitglieder schaffen nicht nur Geld beiseite, sie konsumieren beim wöchentlichen Treffen auch Bier, Schnaps und andere Getränke. So ist der Sparclub gleichzeitig Wirtschaft - und kurbelt, wenn das Geld irgendwann ausgegeben wird, dieselbe auch noch an.