Stadtwerke planen umstrittenes, aber auch einzigartiges Leihsystem. Im Kreis sind ähnliche Projekte nach Wedeler Vorbild in Planung.

Wedel/Haseldorf. Wedels Zukunft ist idyllisch zwischen Wiesen und Wasser gelegen. In Haseldorf wird getestet, was einmal in der ganzen Region den Markt für Elektrofahrräder aufmischen soll. Broder Güldenzoph und Michael Jahn, Inhaber eines Radladens, verleihen seit fast zwei Monaten Elektrofahrräder. Beliebt sind sie bisher vor allem bei älteren Menschen, ab 2012 soll dann ganz Wedel auf die Elektrodrahtesel umsteigen.

Die Stadtwerke Wedel planen zusammen mit der Stadt ein bisher einzigartiges Leihsystem. An vier Terminals sollen insgesamt 44 Räder angeboten werden. Eine EC- oder Kreditkarte soll genügen, um sich die Drahtesel, die einen akkubetriebenen Hilfsmotor haben, auszuleihen. Kosten: Zwischen 2,50 Euro in der Stunde und 15 Euro am Tag. "Wir wollen mit diesen Rädern vor allem Touristen ansprechen, sowie das Verkehrsangebot für Wedeler ausbauen", sagte Stadtwerke-Sprecherin Sabine Güttel.

Ein Viertel der Kosten für das Pilotprojekt von einmalig 200 000 Euro sind jetzt als Fördermittel bewilligt, den Rest übernehmen die Stadtwerke. Das Projekt kommt nun in die heiße Planungsphase. Fest stehen die Leih-Stationen am Bahnhof, in der Moorwegsiedlung, an der Badebucht. Über einen weiteren Standort für einen Terminal wird derzeit verhandelt.

Unerwartete Kritik kommt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Wedel. Der Verein hatte bereits vor zwei Jahren ein Mietradsystem angeregt, allerdings als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr. "Die Stadtwerke sprechen nur Touristen an, nicht die Pendler", sagt ADFC-Sprecher Arne Meier dem Abendblatt "Wir hätten eine Ausweitung des Leihsystems, wie es bereits in Hamburg von DB Rent angeboten wird, befürwortet." Das Ausleihsystem der Stadtwerke erscheint ihm zu kompliziert. "Einfache Räder hätten es auch getan."

In Hamburg radelten 2010 etwa 70 000 Menschen mit den roten Stadträdern. An derzeit 72 Stationen können sich die Bewohner und Gäste der Hansestadt ein Rad ausleihen. Bis Ende des Jahres soll das Netz auf 120 Ausleihstationen ausgeweitet werden. In zahlreichen anderen Großstädten läuft das Projekt ebenfalls erfolgreich.

Die Kritik des ADFC, nicht dieses bewährte System zu nutzen, kontert die Stadt mit Kosten und der Vorreiterrolle, die Wedel erringen könnte. "Wir haben nicht nur eine innovative Idee und ein Zukunftskonzept, sondern mit den E-Rädern auch die günstigste Variante gewählt", sagt Jörg Amelung, Fachbereichsleiter der Stadt Wedel. Für den Betrieb des Leihsystems muss der städtische Haushalt knapp 2000 Euro monatlich berappen, das Modell der Bahntochter lag deutlich höher, so Amelung. "Das ist nur der Startschuss. Wir wollen die ganze Region ans Netz anbinden."

Und diese Pläne könnten nach erfolgreicher Testphase anscheinend schneller vorangetrieben werden, als bisher bekannt. Nach Abendblatt-Informationen sind weitere Stadtwerke am Wedeler Modell interessiert. "Zu Inhalten und Kooperationspartnern kann ich derzeit nichts sagen. Gespräche werden aber geführt", bestätigte Stadtwerke-Sprecherin Sabine Güttel.

Ursprünglich sollte das Projekt noch in diesem Jahr umgesetzt werden. "Leider hat sich hier das Prüfverfahren und die Abstimmung mit dem Ministerium in Kiel und der EU in Brüssel bis zum Frühjahr hingezogen und nicht zum gewünschten Ergebnis geführt", bedauert Jürgen Manske, Vereinsvorsitzender der Aktivregion Pinneberger Marsch, die die EU-Fördermittel für das E-Projekt eingetrieben haben.

Bis zum Start des Projekts müssen allerdings noch zahlreiche Kinderkrankheiten behoben werden. Dabei kann Wedel von Haseldorfs Pilotprojekt lernen: "Bei Damenräder ist die Verleihquote deutlich höher", sagt Broder Güldenzoph. "Ein tiefer Einstieg ist auch für viele Herren leichter zu handhaben." Die E-Räder ohne Rücktritt sind weniger gefragt. Mit der Auswahl der kleinen Akkus seien die Stadtwerke nicht gut beraten. "Der hält nur 40 bis 50 Kilometer", sagt Michael Jahn. Das Problem daran: Es gibt noch keine Aufladestationen in der Umgebung. "Das war anders angedacht", sagt der 51-Jährige. Trotzdem sieht Jahn für die E-Räder eine Zukunft. "In Holland werden mittlerweile mehr Elektrofahrräder verkauft als normale. Das wird hier auch so kommen", sagt Michael Jahn. Auch in Baden-Württemberg und Bayern gebe es bereits ein richtiges E-Rad-Netz. "Davon träumen wir noch."