“Schmidt's Weinstuben“, das älteste Gebäude Rellingens, wird abgerissen und durch gesichtslosen Neubau ersetzt

Rellingen. Das älteste noch erhaltene Gebäude in Rellingen wird dem Erdboden gleichgemacht. Mehr als 300 Jahre stand das reetgedeckte Haus, das unter dem Namen "Schmidt's Weinstuben" bekannt war, am Marktplatz. Jetzt sind seine Tage gezählt. "Die Abrissgenehmigung liegt vor, wir haben das nicht mehr in der Hand", bestätigt Tom Rasmussen, Leiter des Rellinger Bauamtes.

Mit "Schmidt's Weinstuben" verliert die Gemeinde eines ihrer letzten ortsbildprägenden Gebäude - und das Umfeld rund um den Alten Markt endgültig sein Gesicht. Noch vor zehn Jahren hatten die Politiker versucht, den historischen Ortskern aufzuwerten. Damals wurde der Bebauungsplan 37 aufgestellt. Vorgesehen war etwa, das Gebäude des ehemaligen Fischhauses durch ein Ensemble zu ersetzen, dass den Baustil aufnimmt. Das scheiterte jedoch mangels Investoren. Letztlich trat die Adlershorst Baugenossenschaft auf den Plan, die nach einer Änderung des B-Plans auf dem Fischhaus-Areal inklusive des benachbarten Parkplatzes ein riesiges Mehrfamilienhaus-Ensemble erstellte. Dies wird, gerade fertig, wegen der überdimensionalen Maße als "Klein Manhattan" verspottet.

Ein ähnlich kompaktes Gebäude könnte nun gegenüber auf dem Gelände der Weinstuben entstehen. Die Gemeinde hatte zwischenzeitlich versucht, das Reetdachgebäude zu erwerben und in ein Bürgerhaus umzuwandeln. Die Pläne scheiterten jedoch am Kaufpreis. So hätte die Gemeinde maximal den Verkehrswert des Grundstücks von 300 000 Euro aufbringen können. Die Besitzer, die Familie Kinder, forderten jedoch das Doppelte.

Inzwischen hat nach Informationen unserer Zeitung der holländische Baukonzern Ten Brinke zugeschlagen. Auf dem Areal ist laut B-Plan ein Mehrfamilienhaus mit zwei Vollgeschossen zuzüglich Dachgeschoss möglich, das entweder im roten Verblendmauerwerk oder in hellem Putz zu erstellen ist. Vorschrieben ist ebenfalls eine Tiefgarage.

Während der Juli-Sitzung des Bauausschusses lag den Kommunalpolitikern ein erster Entwurf vor, wie die Holländer das Areal bebauen wollen. Für das geplante Mehrfamilienhaus wurde jedoch das gemeindliche Einvernehmen verweigert. Angeblich forderte Ten Brinke eine Befreiung von den Baugrenzen - und auch die optische Gestaltung sagte den Ausschussmitgliedern nicht zu.

Das Problem: Das meiste, was der Baukonzern möchte, ist dank des geänderten B-Plans möglich. Die Kommunalpolitiker schalteten jedoch zunächst auf stur: Sie haben die Verwaltung beauftragt, notfalls alle Instrumente des Baugesetzbuchs auszuschöpfen - bis hin zu einer Veränderungssperre.

So lange es keine Einigung gibt, wird wohl nicht abgerissen

Bauamtschef Rasmussen will dies nicht bestätigten. Er formuliert es so: "Es gibt Gesprächsbedarf mit dem Bauherrn, da sind wir gerade dabei." Wie schnell der Baukonzern geänderte Pläne vorlegen kann, wisse er nicht. "Bis zur August-Sitzung wird das wohl nicht klappen." Immerhin: So lange es keine Einigung zwischen beiden Seiten gibt, so lange erhält "Schmidt`'s Weinstuben" noch eine Gnadenfrist.

Wieland Witt, Chef des Vereins für Heimatkunde Rellingen und Umgebung, weint dem Gebäude mehr als eine Träne nach. "Ich kann aber nur bellen, nicht beißen." Die ursprünglichen Pläne der Gemeinde, den Bereich rund um den alten Marktplatz aufzuwerten, seien exzellent gewesen. Was davon übrig blieb, mag der Heimatvereins-Chef am liebsten gar nicht kommentieren. "Wir sind ja völlig machtlos, können überhaupt nichts tun." Er befürchtet, dass langfristig auch die Gebäude neben den Weinstuben, die ebenfalls weit mehr als 100 Jahre alt sind, durch gesichtslose und überdimensionierte Neubauten ersetzt werden.

Auch die Denkmalschutzbehörde des Kreises musste, was das Reetdachhaus angeht, die Waffen strecken. "Wir bedauern den Abriss sehr, weil das Gebäude für Rellingen wichtig ist und das Bild des Ortes prägt", sagt Kreis-Planer Hartmut Teichmann. Mehrfach sei die Einstufung des Hauses als Kulturdenkmal überprüft worden. "Das Problem war, dass zu viele Veränderungen am dem Gebäude vorgenommen worden sind", erläutert Teichmann. Er verweist darauf, dass es im Sommer 1935 durch einen Blitzeinschlag zu einem Brand kam, der den Dachstuhl und den hinteren Teil des Gebäudes vernichtete. Daraufhin seien umfangreiche Um- und Erweiterungsbauten erfolgt, die den ursprünglichen Charakter des Hauses stark verändert hätten. Daher sei es bei der Einstufung als einfaches Denkmal geblieben - ein Status, der letztlich keinen Schutz bietet.

Immer wieder werden im Kreis erhaltenswerte Gebäude abgerissen

Und so werden "Schmidt' s Weinstuben" bald der Vergangenheit angehören. Dieses Schicksal teilten im Kreis viele andere, historische Gebäude. Wie zuletzt die Pinneberger Bauernmühle. Auch in diesem Fall waren jahrelange Bemühungen zum Erhalt gescheitert. Zuletzt war eine Erlebnisbrauerei im Gespräch. Schließlich ließ ein Investor das, was von der Bauernmühle übrig war, abreißen und durch ein wuchtiges Luxus-Altenheim ersetzen.