Regio-Klinikchef Otto Melchert über Kaufverhandlungen, die aktuelle Lage und woran ihn die Geschäftspolitik erinnert

Kreis Pinneberg. Seit dem Verkauf von 74,9 Prozent der Anteile an die Sana AG hat Hauptgeschäftsführer Otto Melchert das Sagen bei den Regio-Kliniken. Das Abendblatt sprach mit Melchert über die Umstände des Kaufs und wie das angeschlagene Unternehmen wieder auf Kurs gebracht wurde.

Pinneberger Zeitung:

War der Kauf der Regio-Kliniken ein Schnäppchen für Sana?

Otto Melchert:

Nein. Wir haben ein finanziell extrem belastetes Unternehmen übernommen. Die Schulden mussten wir mit einem Gesellschafter-Darlehen in Höhe von 102 Millionen Euro ablösen. Außerdem haben wir die Verluste getragen, die 2008 auf 9,6 Millionen und 2009 auf 12,4 Millionen Euro angewachsen waren. Dies allein waren schon mehr als 20 Millionen Euro. Und es gab ein Gutachten, das den Wert der Regio-Kliniken zum 1. Januar 2008 mit 12,1 Millionen Euro bewertete, nicht 102 Millionen Euro, wie es jetzt im Bericht des Landesrechnungshofes heißt. Wir haben darüber hinaus das Eigenkapital auf 25 Millionen Euro aufgestockt und Investitionen von 35 Millionen Euro für die nächsten Jahre zugesagt. Wenn man das alles zusammenzählt, kann von einem Schnäppchen keine Rede sein. Und wenn ich mir die Zahl meiner grauen Haare anschaue, hätten wir eher Anspruch auf Schmerzensgeld.

Wie lief der Deal ab? Wie erfuhren Sie von dem Angebot?

Melchert:

Wir hatten Mitte 2009 davon erfahren, dass die Regio-Kliniken in einem verkürzten Verfahren zum Kauf angeboten wurden und uns dann darum bemüht und ein Kaufangebot vorgelegt. Das war ein ganz normaler Vorgang.

Waren Sie denn auf der Suche nach einem weiteren Klinikbetrieb?

Melchert:

Wir beobachten immer den Markt und sondieren, wo Privatisierungen anstehen. In diesem Fall haben wir entschieden, uns an den Regio-Kliniken zu beteiligen. Wir sind nicht angesprochen worden.

Wer führte die Verhandlungen?

Melchert:

Auf unserer Seite war das ein Team unter der Leitung unseres Finanzvorstandes Thomas Lemke. Auf Seiten des Kreises Pinneberg dessen Berater und Landrat Wolfgang Grimme. Es war eine hohe Anforderung, sich in dieser kurzen Zeit ein genaues Bild von dem Unternehmen zu machen. Es lief alles so blitzschnell ab.

In sechs Wochen war der Kauf bis Mitte Juli 2009 abgewickelt. Nach außen wirkte es wie ein Notverkauf. Ist der Kreis übervorteilt worden?

Melchert:

Der Kreis Pinneberg ist nicht übervorteilt worden. Er ist vielmehr von vielen Dingen entlastet worden, wie ich bereits eingangs dargelegt habe.

Immerhin übersah die Kreispolitik das Risiko des Kommunalen Schadensausgleiches, das den Kreis vermutlich noch länger drei Millionen Euro im Jahr kosten wird.

Melchert:

Wir sind in den Verhandlungen nach unserem Leitfaden für die Übernahme kommunaler Kliniken vorgegangen. Am Ende hatten wir mit dem Kreis ein für beide Seiten akzeptables Verhandlungsergebnis erzielt.

Aber in Lübeck hat Sana beim Kauf der ehemaligen städtischen Kliniken den Kommunalen Schadensausgleich übernommen.

Melchert:

Das ist richtig. Aber das ist immer eine Frage der gesamten Preisgestaltung. Wenn wir bei Regio die Verpflichtung der Nachhaftung übernommen hätten, hätte sich dies natürlich Preis mindernd auf den Kaufpreis ausgewirkt. Bei Kaufpreisverhandlungen gibt es immer ein Geben und Nehmen.

Ist denn von Kreisseite der Kommunale Schadensausgleich angesprochen worden?

Melchert:

Die wechselseitigen Verpflichtungen wurden in den Verhandlungen strukturiert behandelt. Wir stellen dabei immer eine Gesamtbewertung aller Verpflichtungen und Lasten an.

Das Sale-and-Lease-Back-Modell, das im Jahr 2008 sämtliche Immobilien für 102 Millionen Euro an die Banken veräußerte und mit einer Jahresrate von 8,6 Millionen Euro 25 Jahre lang zurückgekauft werden sollte, war ja auch Sana zu teuer. Diese Finanzierung wurde als erstes gekündigt, als Sie Ende 2009 das Sagen hatten.

Melchert:

Unsere Experten errechneten, dass diese Finanzierung langfristig nicht von den Regio-Kliniken zu leisten gewesen wäre. Und unser Ziel war es, die Kosten zu senken. Und damit war es das erklärte Ziel, diese Finanzierung abzulösen. Die Kapitalmarktlage des Jahres 2008 kann ich im Nachhinein nicht beurteilen. Wir hätten die Art der Finanzierung nicht gewählt.

Dieser 100 Millionen-Kredit sollte den atemberaubenden Expansionskurs absichern. An den Millionen-Defiziten aus MVZ, Altenheimen und Pflegediensten knabbern Sie heute noch. Hat die ehemalige Klinikleitung den Laden in den Ruin getrieben?

Melchert:

Dazu werde ich nichts sagen. Die wirtschaftliche Situation der Regio-Kliniken ist aber bekannt.

Hätte Sana denn diesen Expansionskurs betrieben, wenn Sie schon damals das Sagen gehabt hätten?

Melchert:

Wir hätten sicher das eine oder andere anders gemacht. Das sieht man ja auch an den Veränderungen, die wir seit der Übernahme vollzogen haben, indem wir uns von einigen MVZ getrennt und die Altenheime umstrukturiert haben. Ob die Zukäufe seinerzeit zu finanzieren waren, will ich heute nicht beurteilen.

Aber das Geld war ja offensichtlich nicht da?

Melchert:

Mich erinnert die Situation ein wenig an meine Arbeit auf Rügen in der Nachwendezeit. Ich fragte dort mal die Kollegen, was sie früher gemacht hatten, wenn das Geld ausging. Darauf antwortete man mir augenzwinkernd: "Irgendwann kam das Geld immer aus dem Schrank."

Es soll dabei nicht alles ganz korrekt zugegangen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Sie haben mit der ehemaligen Richterin Elke-Maria Lutz eigens eine Ombudsfrau eingesetzt, die mögliche Verfehlungen aufdecken und der sich Mitarbeiter anvertrauen sollte. Was war das Ergebnis?

Melchert:

Zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen sage ich nichts. Wir haben die Ermittlungsbehörden nachhaltig unterstützt und tun dies auch weiterhin. Die Ermittlungen laufen ja noch. Frau Lutz hat verschiedene Kontakte zu den Mitarbeitern gehabt, die vertraulich behandelt werden und woraus wir unsere Schlüsse ziehen werden. Das meiste deckt sich mit dem, was bekannt war.

Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Melchert:

Wir warten die staatsanwaltlichen Ermittlungen ab. Aber da, wo Schaden für die Gesellschaft entstanden ist, werden wir alles dafür tun, diesen Schaden ersetzt zu bekommen. Das ist unsere Verpflichtung als Geschäftsführung und das schließt juristische Schritte mit ein. Aber das überlassen wir dann der deutschen Gerichtsbarkeit.

Wirtschaftlich scheint wieder alles bestens zu laufen. Wie konnte das so schnell gelingen?

Melchert:

Es ist besser geworden. Verschiedene Maßnahmen und neue Strukturen haben den Kurs wieder in Richtung Wirtschaftlichkeit bewegt. Aber wir sind noch längst nicht am Ziel. Unsere erste Zielmarke war es, eine schwarze Null zu erreichen. Das soll im nächsten Jahr geschehen. In diesem Jahr werden wir wohl noch einen Millionen-Verlust zu tragen haben, nach einem Minus von 2,5 Millionen Euro in 2010. 2013 wollen wir erstmals ein positives Ergebnis erreichen. Ohne einen Gewinn wird dieses Unternehmen seine bedeutende Position für die Gesundheitsversorgung der Region nicht ausbauen können. Unsere 2300 Mitarbeiter ziehen alle mit. Das gilt für die Ärzte ebenso wie für die Pflege- und Reinigungskräfte und alle anderen. Damit sichern sie die wirtschaftliche Zukunft der Regio-Kliniken mit ihrer Schwerpunktversorgung für den Kreis.

Was machen Private besser als die öffentlichen Träger der Krankenhausversorgung?

Melchert:

Als Konzern, der 40 Krankenhäuser in Deutschland betreibt, können wir auf vernetzte Strukturen, Experten und Einkaufssysteme zugreifen, die anderen, die nicht diese Größe haben, nicht zur Verfügung stehen. Dadurch gewinnen wir an Effizienz und Effektivität. Ziel ist der wirtschaftliche Erfolg, basierend auf guten Mitarbeitern, Qualität in der Gesundheitsversorgung und zufriedenen Patienten. Da sind wir auf einem guten Weg.

Warum haben Sie die Schwesternschule der Paracelcus-Klinik übernommen?

Melchert:

Dieses Wachstum gehört zur strategischen Sicherung des Fachkräftebedarfs. Wir bilden mit Henstedt-Ulzburg jetzt in unserer Akademie 240 Pflegekräfte aus und sind damit Nummer zwei in Schleswig-Holstein. Wir sichern mit dem Nachwuchs die Zukunft für unseren Krankenhausbetrieb.