Unser Dorf: Der Abendblatt-Smart zu Gast in Bokholt-Hanredder. Im Verein treffen sich alle Bürger wieder

Bokholt-Hanredder. Der Sportverein ist Schuld daran, dass Wilfried Wenske, stellvertretender Bürgermeister in Bokholt-Hanredder, jeden Sonntag den Tatort verpasst. Denn dann begleitet Wenske seine Frau zum Tanzen in die große Turnhalle. "Seit vielen Jahren trainieren wir die Standard-Tänze, ich vergesse die Schritte trotzdem immer wieder", muss der Schiffbauingenieur im Ruhestand zugeben. Der 800 Mitglieder umfassende SV Voßloch bildet zusammen mit der Freiwilligen Feuerwehr, dem Restaurant "Bürgerhaus", der Grundschule und dem Kindergarten das Zentrum und ist das Herz der Gemeinde. Der viergeteilte Ort wird durch seinen Sportverein wieder vereint.

Auch die Fachklinik Bokholt, die Suchtkranke bei ihrem Entzug unterstützt, darf die Turnhalle und die Außenanlagen des Vereins mitnutzen. Unterstützt von einem Sporttherapeuten werden die Abhängigen mit viel Bewegung von ihrem Suchtdruck abgelenkt. "Sport ist für den Frustabbau sehr wichtig", sagt Dagmar Schreyer, Ärztin und Leiterin der Klinik. Sie ist dankbar für die Unterstützung, die die Klinik durch die Gemeinde erfährt. Vor knapp zwölf Jahren waren die Bürger Bokholt-Hanredders zwar skeptisch, als Drogenabhängige aus Hamburg und ganz Schleswig-Holstein in das ehemalige Kinderheim zur Therapie kommen sollten. Inzwischen sind die Bedenken aber längst verflogen.

"Es gab nie Ärger mit den Suchtkranken", bestätigt Wilfried Wenske. Die Patienten seien im Ort nur selten zu sehen. In den zwei bis drei Wochen, die der Entzug von Drogen und Alkohol dauert, dürften die Suchtkranken das Gelände nur unter Aufsicht verlassen. Die idyllische Umgebung bietet aber vielfältige Möglichkeiten der Ablenkung von der Sucht. Schwimmen, angeln, Kanu fahren, Fahrrad fahren, spazieren gehen in den Wäldern oder auf dem Krückauer Wanderweg - all dies soll den Patienten die schönen Seiten des Lebens zurückbringen.

Dass in den Wäldern rund um Bokholt-Hanredder auch alles seine Ordnung hat, dafür sorgt Hermann Maaß-Hell. Der erfahrene Jäger ist einer von vier Pächtern im Dorf. Er baut zusammen mit den anderen Jägern Hochsitze, sorgt dafür, dass die strengen Jagd-Regeln im Wald eingehalten werden und wird des Öfteren mitten in der Nacht von der Polizei aus dem Bett geklingelt, um das sogenannte Fallwild von den Straßen zu räumen. Immer an seiner Seite ist der treue Hund Jessi, eine österreichischen Dachsbracke. "Ohne Hund ist man kein richtiger Jäger", findet Maaß-Hell. Jessi verlor nach einem Autounfall ein Bein, gleicht dieses Handicap jedoch mit doppeltem Jagdeifer und einer ausgezeichneten Nase aus. Die ist wichtig, wenn ein Jäger ein Tier nur anschießt. "Wildschweine können mit einer schweren Verletzung noch kilometerweit wetzen", sagt er. Die Jägerehre gebietet es aber, ein verletztes Tier von seinen Leiden zu erlösen. Dann sind die Erfahrung von Maaß-Hell und die Spürnase von Jessi gefragt. In erster Linie gehe es bei der Jagd allerdings um den Naturschutz und nicht um das Sammeln von Trophäen.

Der wohl schönste Platz in Bokholt-Hanredder liegt jedoch nicht in den Wäldern, sondern versteckt sich hinter einer großen Holztür auf dem Grundstück von Andrea Küster. In ihrem Garten reihen sich die Staudenbeete aneinander, ein Blumenmeer in den schönsten Farben, durchsetzt von verschiedenen Gräsern und Bäumen. In einem kleinen Pavillon mit Blick auf den Teich kann sie zusammen mit ihrer Nichte Bettina Michels und ihrer Schwester Heike Marquardt die Mittagspause genießen. Der Garten grenzt an die Gärtnerei "Grüne Kugel", die die drei Damen zusammen betreiben. Hier finden die Kunden nicht nur eine große Auswahl an Pflanzen, Bäumen, Sträuchern und Geschenken, sondern auch gleich Anregungen und Inspiration in dem Garten von Andrea Küster.

Anspruch auf den schönsten Platz in Bokholt-Hanredder erhebt allerdings auch Elisabeth Dinglinger. Sie zog vor über 30 Jahren in den Ort und hat es nie bereut. "Ich muss gar nicht in den Urlaub fahren, so schön ist es bei mir Zuhause", sagt die 58-Jährige. Deshalb gibt sie ihrer Gemeinde - in der sie für manche Einheimische nach wie vor als Zugezogene gilt - gerne etwas zurück. Zusammen mit Gertrud Engelbrecht leitet Elisabeth Dinglinger den Seniorenkreis. Die beiden engagierten Damen haben es nicht immer leicht mit den aktiven Senioren. "Den älteren Menschen hier muss man etwas bieten", sagt Gertrud Engelbrecht. Einfach nur Bingo oder Kaffeekränzchen wird von den mobilen und anspruchsvollen Senioren im Dorf nicht angenommen. So organisieren Engelbrecht und Dinglinger jeden Monat Bildvorträge, Ausflüge, Theaterbesuche oder musikalische Darbietungen. Ähnlich wie ihre Mitglieder sind auch die beiden Damen sehr aktiv. Sie sind Mitglieder im Sportverein und halten sich mit dem Hausfrauengymnastik-Kurs fit. Gertrud Engelbrecht unterrichtet zudem in der Grundschule und im Kindergarten "Fuchsbau" Plattdeutsch, "damit die Kinder ihre Großeltern noch verstehen können". Die kleinsten Bürger Bokholt-Hanredders lernen im Fuchsbau neben Plattdeutsch alles andere, worauf es im Leben ankommt. Eine gute Vorbereitung für die Schule bekommen die Knirpse ebenso beigebracht, wie den fairen Umgang miteinander oder auch mal "Nein" zu sagen. Für Erzieherin Conny Leser steht fest: "Am Wichtigsten ist das Spielen, dabei lernen die Kinder am meisten." Und natürlich im Sportverein beim Kinderturnen.