Umfrage bei den Betrieben: Auftragslage spitze, Umsatz steigt, auch beim Personal wird kräftig aufgestockt

Kreis Pinneberg. Die Wirtschaft brummt. Rainer Bruns vom Unternehmensverband Unterelbe-Westküste stellte jetzt Konjunkturdaten vor, wie er sie noch nie erlebt hat. In fast allen Branchen herrsche eine Kapazitätsauslastung jenseits von 90 Prozent, ist das Ergebnis der aktuellen Umfrage, an der sich 70 Betriebe mit 7000 Mitarbeitern beteiligten. Bau- und Transportfirmen liegen sogar bei 100 Prozent. "Das ist Vollbeschäftigung. Die Konjunkturampel steht auf Grün."

Handwerker alle Hände voll zu tun - Umsatzplus in vielen Betrieben

Auch das Handwerk boomt, wie Thomas Dohrn, stellvertretender Kreishandwerksmeister, sagt. "Wir haben alle Hände voll zu tun. Es ist kaum noch zu schaffen, was an Aufträgen reinkommt." Zweistellige Wachstumszahlen sind keine Seltenheit - wie beim Spezialpumpenhersteller Witte in Uetersen. "Wir fertigen derzeit fast auf Anschlag mit einer Auslastung von 90 Prozent. Wir haben unseren Umsatz um 70 Prozent gegenüber 2010 auf 17 Millionen Euro erhöht, im Vergleich zu 2009 verdoppelt", freut sich Mario Göpfert, Vizepräsident des 43-Mann-Betriebes. Diese positive Entwicklung sei etwas überraschend bei den vielen Katastrophenmeldungen, die zurzeit im Umlauf sind, wundert sich Rolf Döring, der in Sparrieshoop einen 180-Mitarbeiter-Betrieb für Tiernahrung (60 Millionen Euro Umsatz) leitet: Dioxinskandal im Tierfutter, Tsunami und Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima, unklare Wirtschaftslage in Nordafrika, Euro-Rettungsschirm für Griechenland, Portugal und Irland und "jetzt die Gurken-Grippe. "Offenbar ist unsere Wirtschaft viel robuster als die meisten Bürger meinen. Die Ängste in der Bevölkerung scheinen keinen Einfluss auf die Märkte zu haben." So werde die Konjunktur zurzeit vor allem von einer steigenden Inlandsnachfrage getragen.

Bruns hat noch nie erlebt, dass 96 Prozent der Unternehmer, die er jeweils im Frühjahr und Herbst von Sylt bis Wedel befragt, aussagten, dass sie stabile Auftragseingänge erwarten. Bruns: "Das ist neuer Rekord. Die Stimmung ist wahnsinnig gut."

Das gilt auch für die Wirtschaftsdaten. Wachstum, wo man hinschaut. Die polnische Mineralölkonzern Orlen, der 520 Tankstellen in Norddeutschland von Elmshorn aus betreibt, steigerte dieses Jahr seinen Umsatz um 20 Prozent, wie Sprecherin Birgit Göbel mitteilt. Am Ende des Jahres wären das 3,3 Milliarden Euro Umsatz - Spitzenplatz zwei in Schleswig-Holstein. Die Firma m-u-t, die seit 1995 optische High-Tech-Geräte in Wedel für Medizin- und Umwelttechnik herstellt, hat seit dem Börsengang 2007 den Umsatz auf 32 Millionen Euro verdreifacht, so Marketingleiter Sven Warnck. Bis 2018 soll er auf 100 Millionen Euro wachsen.

Gerade für die Industrie ist der hohe Exportanteil ein Wachstumsmotor. Göpfert von Witte-Pumpen: "Die Chinesen kaufen wir verrückt." Weltweit habe das Label "made in Germany" immer noch einen ausgezeichneten Ruf, weiß Torsten Pape, Marketingleiter bei Hofmann Markierungssystemen. Das Unternehmen in Rellingen (100 Mitarbeiter, 20 Millionen Euro Umsatz) ist mit seinen Straßenstrich-Maschinen Weltmarktführer und hat sie seit 1952 in 132 Länder ausgeliefert. "Das Gütesiegel 'made in Germany' ist das Nonplusultra." Länder bestehen darauf, dass selbst die Ersatzteile von Hofmann dieses Qualitätsmerkmal aufweisen.

Dieses wirtschaftliche Wachstum hat auch positive Effekte auf den Personalbestand. Vier von zehn Unternehmen, die sich an der Verbandsumfrage beteiligten, beschäftigen heute mehr Mitarbeiter als vor einem halben Jahr, so Bruns. Nur sieben Prozent der Betriebe planten Personal abzubauen. "Kurzarbeit ist überhaupt kein Thema."

Eher im Gegenteil. "Wir haben zum Teil Probleme, offene Stellen zu besetzen", sagt Jörg Tollmien, Geschäftsführer von Hatlapa in Uetersen (450 Mitarbeiter, 120 Millionen Euro Umsatz). Der Schiffszulieferbetrieb helfe sich damit, indem er befristete Arbeitsverhältnisse in feste Verträge umwandelt.

Personell stocken viele Unternehmen auf. Das Medizintechnikunternehmen Söring (130 Mitarbeiter, 16 Millionen Euro Umsatz) hat zehn neue Mitarbeiter seit Jahresbeginn eingestellt und sucht weiter. Für Orlen (127 Mitarbeiter) gelte, so Brigitte Göbel: "Das Personal wächst kontinuierlich. Neue Mitarbeiter werden gesucht und eingestellt." M-u-t will mittelfristig sein Personal von 140 auf 200 Mitarbeiter in Wedel ausbauen, kündigt Warnck an.

Betriebe bilden wieder mehr aus, um Fachkräftemangel zu verhindern

Arzneimittelhersteller AstraZeneca (1300 Mitarbeiter, eine Milliarde Euro Umsatz) in Wedel sucht aktuell 20 neue Mitarbeiter, teilt Sprecherin Isa Hesener mit. Und trioptics (57 Mitarbeiter, elf Millionen Euro Umsatz), das optische Messgeräte für Smartphones in Wedel produziert, verdoppelt seine Belegschaft nahezu alle fünf Jahre, sagt Personalleiterin Stefanie Käufer.

Einziges Manko, so Dohrn von der Kreishandwerkerschaft: "Es herrscht Fachkräftemangel. Wir kriegen oft kein vernünftiges Personal. Und die Qualität darf nicht leiden."

Die Betriebe steuern dagegen, indem sie verstärkt ausbilden, sagt Bruns. "Unsere Unternehmen bieten 7,4 Prozent mehr Lehrstellen an als 2010."