Der 60-Jährige organisiert seit 1990 das Festival Appen musiziert zugunsten schwerstkranker Kindern

Appen. Wenn Rolf Heidenberger an diesem Sonnabend um 19 Uhr die 26. Veranstaltung mit dem Titel "Appen musiziert" eröffnen wird, bekommt er den Lohn, den er sich die Monate vorher erarbeitet hat: Beifall. Den hat sich der Initiator der Veranstaltung, die zu Deutschlands größter privat organisierter Benefizaktion geworden ist, redlich verdient, auch wenn er den Erfolg gern auf viele Schultern verteilt: den Hunderten Helfern und Unterstützern.

Aber jeder weiß, dass dieser Mann nicht zu ersetzen ist. Er hat sich über die Jahre ein riesiges Netzwerk von Unterstützern und Künstlern aufgebaut, das er pflegt. Wenn er um Hilfe bittet, geht es nicht mehr ums Ob, sondern nur noch um wann, wo und wie viel? "Das Vertrauen, dass bei uns wirklich jeder Cent für schwerstkranke Kinder weitergegeben wird" ist nach Heidenbergers Ansicht der Schlüssel zum Erfolg.

Der passt in die eine Seite der Tür. Doch weit aufgestoßen hat sie der Mensch Heidenberger, weil er hartnäckig ist und "durchorganisiert", wie auch seine Frau Christel bewundert. Beispiel: Morgens um halb 4 Uhr beginnt der Tag: Während der Mann duscht, kocht seine Frau Kaffee. Dann beginnt die mehrgleisige Tätigkeit: "Ich lese zwei Tageszeitungen, rasiere mich und frage die E-Mails ab." Um 4 Uhr ("damit ich schnell durch Hamburg bin") startet der Vielarbeiter nach Valluhn in Mecklenburg-Vorpommern. Dort führt er das Edeka-Center Nord.

Das Fleischwerk - vorher war der Betrieb auf Waldenau und Neumünster verteilt, hat Heidenberger errichten lassen. Ausgebaut hat er auch den guten Ruf der Marke Gutfleisch, die er bei Kontrollen, Herkunftsnachweisen und Bioprodukten zur Nummer eins in Deutschland geführt hat. 430 Mitarbeiter sind in Valluhn beschäftigt. "Meine Tür steht immer jedem offen. Einen Betriebsrat haben wir nicht und brauchen ihn nicht. Niemand kann sozialer sein als der Arbeitgeber", sagt er stolz. "Er kümmert sich wirklich um jeden, und das gibt viele Schicksale bei uns", sagt ein Mitarbeiter. Heidenberger hört zu und greift zur Not auch selbst zum Telefonhörer. "Bitte schalten sie den Strom wieder an. Die Edeka steht dahinter dafür, dass die Rechnung bezahlt wird."

Moderne Technik macht es möglich, an jedem Ort der Welt vielseitig zu handeln: Auch tagsüber wickelt Heidenberger Telefonate und E-Mails ab, mal geht es um den Job, mal um seine ehrenamtlichen Aufgaben. Abends macht er sich wieder nach Appen auf.

"Nie" will er sie verlassen die Gemeinde, in der er aufgewachsen ist, in der er im elterlichen Edeka-Geschäft gelernt hat: "Erst kommt die Arbeit und dann ...". Rolf Heidenberger erinnert sich: "Mein Vater hat einen Milchwagen gefahren, und eine meiner Aufgaben war, den 500-Liter-Milchtank zu reinigen - auch Heiligabend. Vater kam gegen 16 Uhr zurück. Die Bescherung für uns begann um 22 Uhr."

Wenn Heidenberger in der Woche spätabends zu Hause ist, lässt er nicht locker: 47 E-Mails standen vorgestern Abend auf der Liste, darunter der Interview-Wunsch der Pinneberger Zeitung. Auch dafür nahm sich der Macher von "Appen musiziert" noch Zeit, und das so kurz vor dem Großereignis.

Die Energie, sich ins Leben zu stürzen, prägte Rolf Heidenberger von klein auf. Von den Eltern übernahm er das Prinzip, Menschen zu helfen. So entstand auch die Idee, die Einnahmen von "Appen musiziert" für schwerstkranke Kinder zu spenden. Ursprünglich wollte er den Bürgern seiner Heimatgemeinde nur ein neues Dorffest bescheren. Sein Heimorgellehrer, Herbert Schäfer aus Pinneberg, hatte ihn dazu ermuntert, sein Talent auch vor Publikum zu beweisen. So waren es ausschließlich Appener Künstler, die am 25. Oktober 1990 unter dem Titel "Appen musiziert" auftraten.

Nur bei der ersten Veranstaltung musste Heidenberger mit der alten Turnhalle vorlieb nehmen. Schnell überzeugte er Bürgermeister Uwe Damm, für das nächste Ereignis die neue Distelkamphalle freizugeben. "Ich musste viele Widerstände überwinden", erinnert sich Heidenberger.

Die Veranstaltung wuchs schnell übers reine Dorffest hinaus. Über "Appen musiziert" wird jetzt in allen Medien berichtet. An diesem Sonnabend soll die Spendensumme von vier Millionen Euro geknackt werden.

Heidenbergers Engagement wird honoriert: 6922 Schleswig-Holsteiner wählten ihn als "Mensch des Jahres 2005" vor Heide Simonis. Im selben Jahr zeichnete ihn der Bundespräsident mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse aus. Der Deutsche Feuerwehrverband überreichte Heidenberger die Ehrennadel in Gold mit Diamant.

Trotzdem steht die Zukunft der Veranstaltung in den Sternen, denn "Appen musiziert" ist Rolf Heidenberger, und der muss sich eigentlich zurücknehmen. "Wir haben sie am Herzen operiert nicht wegen einer Grippe", warnte sein Arzt im Februar. Doch niemand weiß, wie Heidenberger zu bremsen ist. "Ich bin nicht zum Stillsitzen geboren", sagt er. Und doch hat er sich vorgenommen, bald dort anzufangen, wo die Geschichte von "Appen musiziert" begann: an seiner Heimorgel. Auch seinen Garten will Heidenberger pflegen: "Die Wildrosen habe ich schon bestellt." Aber Achtung, Freizeit ("Seit sieben Jahren habe ich Urlaub nur für 'Appen musiziert' genommen") bringt Heidenberger nur auf nur Ideen. So entwickelte er an einem regnerischen Märztag auf dem Sofa das Konzept, um alle Hobbymusikanten zu einer Veranstaltung zusammen zu holen. Die einfache Parole "Appen musiziert".