Gegner des Ausbaus der Hochspannung über den Köpfen der Bürger rechnen in Quickborn mit dem Investor ab

Quickborn. Es ist ein Jahrhundertprojekt, das die Gemüter bewegt und die Anwohner um die Folgen für ihre Gesundheit bangen lässt. Denn während die Stromtrassen mit neuen Höchstspannungsleitungen von 380 Kilovolt für die nächsten 80 Jahre erneuert werden sollen, basiert die Planung offenbar auf Grenzwerten für die elektromagnetische Strahlung, die zumindest überholt, wenn nicht gar bedenklich erscheinen. Diese Ansicht vertraten einige der Experten, die von der Bürgerinitiative "Quickborn unter Höchstspannung" eingeladen worden waren. Etwa 100 Besucher beteiligten sich am Montagabend an der Veranstaltung in der neuen Mensa der Quickborner Comeniusschule.

Investor TenneT aus den Niederlanden und die Planungsbehörde Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr würden "eine Wette mit der Gesundheit der Bevölkerung" eingehen, kritisierte Gastgeber und Physiker Werner Schneider. Er lebt direkt an der Stromtrasse im Süden Quickborns, die von Dollern bei Stade bis Norderstedt von 110 auf 380 KV ausgebaut werden soll.

Bürgermeister Thomas Köppl stellte zu Beginn der dreistündigen Veranstaltung klar: "Wir brauchen diese Leitungen. Absolut. Und es wird Belastungen geben. Aber das, was uns hier an Strahlenbelastung und landschaftlichem Eingriff zugemutet werden soll, ist für die Bevölkerung und die Stadt Quickborn schwer zu ertragen."

Jurist des Netzbetreibers wehrt sich gegen Vorwürfe

Christian Schneller, Hausjurist der TenneT TSO GmbH, verteidigte das Vorhaben. Der Netzbetreiber aus Holland, der das Projekt von der der E.on-Netz-Gesellschaft Transpower übernommen hat, stünde unter "sehr großem zeitlichen Druck, diese schwere Aufgabe zu lösen". Bis 2020 müssten die Hochspannungstrassen in Schleswig-Holstein 20 000 Megawatt Strom von der Nordseeküste zu den Verbrauchszentren nach Hamburg und weiter südlich transportieren, begründete Schneller. Dies entspreche einer Energieleistung, die 20 Kohlekraftwerke erzeugen. "Der Netzausbau ist eine Jahrhundertaufgabe. Unser Problem ist dabei, die Verbrauchszentren zu erreichen und die zeitlichen Schwankungen der Energieleistung von Wind- und Solarstrom in den Griff zu kriegen."

Für die Bewohner steht das Problem der Belastung mit elektromagnetischer Strahlung im Vordergrund. Dazu hatte Schneider Peter Neitzke vom Ecolog-Institut aus Berlin eingeladen. Der Wissenschaftler gab einen Überblick über die neuesten Forschungsergebnisse, die "einen eindeutigen Zusammenhang dieser Magnetfelder bei Leukämieerkrankungen von Kindern" ergeben hätten. Das gelte schon bei weit niedrigeren Strahlenwerten, als sie die deutsche Strahlenschutzkommission empfiehlt und gesetzlich zugelassen sind. So sind gemäß der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung von 1996 100 Mikroteslar Strahlung erlaubt. In der Schweiz, Italien, den Niederlanden und weiteren Ländern der EU liegen die Grenzwerte bei einem Mikroteslar, also hundertfach darunter.

Eine Studie aus Italien habe bestätigt, dass auch für die erwachsene Bevölkerung ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko besteht, sofern sie in der Nähe von Hochspannungsleitungen lebt, zitierte Schneider. Wissenschaft, Industrie und Gesetzgeber wiegelten bei diesen Vorwürfen ab, da nicht alle Wirkungsmechanismen erforscht seien. Deshalb sei eine Klage gegen einen Netzbetreiber 2009 vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. "Die Behörden schieben die Verantwortung hin und her. Und den schwarzen Peter haben die politischen Entscheidungsträger und wir Anwohner."

Für Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe war es die zwölfte "sehr kontroverse" Diskussion zu diesem Thema, die er leitete. Das Bundesumweltministerium habe die Umwelthilfe beauftragt, die Bevölkerung für den Netzausbau zu sensibilisieren. Ahmels nimmt aus den Veranstaltungen eines mit: "Die Mindestabstände der Freileitungen zu den Häusern müssen größer sein und die Bürger mehr beteiligt werden." Dies könne aber erst in die künftigen Planungen einfließen.