Bewerber dürfen per ministeriellem Dekret auch bei Überschreitung der Kapazität künftig nicht mehr abgelehnt werden

Wedel/Kiel. Das neue Landesschulgesetz droht die Schullandschaft in Wedel und damit für die umliegenden Gemeinden nachhaltig zu zerstören. Zu befürchten sind Ungerechtigkeiten und Nachteile für Schüler, eine Klagewelle von Eltern und eine Vernichtung bisheriger Leistungen der Stadt Wedel. Nicht weniger als dieses Horror-Szenario befürchtet Antonius Soest, Direktor der Gebrüder-Humboldt-Gemeinschaftsschule, und sandte daher ein Schreiben an die Ratsfraktionen, das den Titel "Hilferuf" trägt und der Pinneberger Zeitung vorliegt.

Alarmismus? Panikmache eines Pädagogen? In dem Brief an die Fraktionen nennt Soest Argumente. Das Kernproblem stelle die Tatsache dar, dass Eltern künftig die Gebrüder-Humboldt-Gemeinschaftsschule als "zuständige Schule" angeben können. Das bedeutet: Sie bekommen einen Anspruch, dass ihr Kind gerade diese Schule besuchen darf. Das war bisher nicht der Fall, die Gemeinschaftsschule konnte so viele Bewerbern auswählen, bis ihre Kapazität erschöpft war. Das waren nach den Potenzial-Erwartungen der Grundschulen 40 Prozent Gymnasial-, 40 Prozent Realschul- und 20 Prozent Hauptschulempfohlene aus Wedel und den umliegenden Gemeinden. Knapp 100 Kinder konnten nach einem Kriterienkatalog aufgenommen werden, der unter anderem beinhaltet, ob Geschwister diese Schule bereits besuchen. Rund 70 Bewerber(innen) mussten abgewiesen werden, fanden auf dem Johann-Rist-Gymnasium und der Regionalschule neue Domizile, die zwar mit mindestens ebenso engagierten Lehrkräften und interessanten Lernangeboten ausgestattet sind, aber eben nicht den von den Eltern gewünschten gemeinschaftlichen Ansatz der ehemaligen "Gesamtschule" bieten. Beim Rist-Gymnasium kommt noch hinzu, dass dort schon nach acht Jahren das Abitur gemacht wird und an der Gemeinschaftsschule nach neun.

Wenn nun die Gebrüder-Humboldt-Schule als "zuständig" eingeordnet wird, müssten die bislang 70 "überzähligen" Bewerber aufgenommen werden - dafür sind keine Räume vorhanden. Die Folge laut Soest: "Orientieren wir uns bei der Aufnahme an den Kapazitätsgrenzen und an der pädagogischen Vernunft, müssen wir mit Widersprüchen und Klagen rechnen."

Soest schilderte auch die Folgen einer möglichen "Notbremsen-Entscheidung" des Schulträgers Stadt Wedel. Sie klingen dramatisch. Der Rektor: "Der Schulträger könnte sagen, nur für Wedeler Schüler gelte der Anspruch auf die drei zuständigen Schulen." Alle übrigen müssten sich andere Schulen suchen. In Wedel gebe es derzeit 274 Viertklässler, die sich auf die drei Schulen verteilen müssen. Man könne sich ausrechnen, dass das nicht zu aller Zufriedenheit aufgehe. Vermutlich gebe es überwiegend Verlierer. Und zudem: "Was ist mit dem Anspruch auf eine zuständige Schule für Kinder aus den Gemeinden zwischen Uetersen und Wedel, die an ein Gymnasium oder an eine Gemeinschaftsschule wollen? Was ist mit den Kindern aus dieser Region, die gern an dieselbe Schule wollen wie ihre Geschwister, was Eltern auf Grund früherer Bedingungen auch einkalkuliert haben? Sind Kinder aus dieser Region nicht willkommen angesichts des ausreichend vorhandenen Schulraums in Wedel?"

Soests Überlegungen enden mit einer tristen Perspektive: "Die Qualität unserer Arbeit kann nur schlechter werden." Bislang wird an der Gemeinschaftsschule eine Schulkultur verfolgt, die "anregungsreich, interessenorientiert und auf Leistungsbereitschaft" ausgerichtet sei und eine Integrationskraft aufweise, die darin bestehe, dass "die Leistungs- und Verhaltensstärksten klimatisch bestimmend" werden. Das gerate in Gefahr. Soest ruft deshalb die Stadt um Hilfe, den Status der "zuständigen Schule" zumindest für ein Jahr aufschieben zu lassen, um andere Lösungen zu entwickeln.

In der Stadt sieht Soest, der auf PZ-Anfrage jeglichen Kommentar zu seinem Schreiben verweigerte, ehe er nicht die Kommunalpolitiker ins Bild gesetzt habe, offenbar mittlerweile seine einzigen Alliierten: "Ich stelle ausdrücklich fest, dass sich die Kritik auf die landespolitische Ebene bezieht. Beim Schulträger fühle ich mich gut aufgehoben und angehört. Er hat die Probleme nicht geschaffen, muss sie aber lösen.".