Insolvenzantrag des Uetersener Futterfett-Herstellers. Herkunft des Dioxins offen. Ermittlung wegen Betrugverdachts

Uetersen. Der Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen hat Zahlungsunfähigkeit angemeldet. Der Insolvenzantrag wurde am Mittwoch beim Amtsgericht in Pinneberg eingereicht. Das bestätigte Julia Gärtner, Pressesprecherin des Landgerichts. Kritiker befürchten, dass sich die Unternehmensleitung damit den Haftungsansprüchen entziehen will, die in dreistelliger Millionenhöhe verlangt werden könnten.

Das Unternehmen, das als Auslöser des bundesweiten Dioxin-Skandals gilt, gerät immer mehr ins Zwielicht. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat das Strafverfahren ausgeweitet. Außer einem Verstoß gegen das Lebens- und Futtermittelrecht wird inzwischen auch wegen des Verdachts des Betruges und der Steuerhinterziehung ermittelt. Unterdessen werden die Rufe nach Konsequenzen lauter. So fordert der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann aus Elmshorn, das gesamte Kontrollsystem in der Futter- und Lebensmittelindustrie auf den Prüfstand zu stellen.

"Wir ermitteln mit Hochdruck", erläutert Oberstaatsanwalt Ralph Döpper, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Er bestätigte auf Anfrage, dass sich nach Sichtung der ersten beschlagnahmten Unterlagen von Harles und Jentzsch zusätzlich der Verdacht auf betrügerische Machenschaften sowie Steuerhinterziehung ergeben habe. Der mögliche gesetzliche Strafrahmen reicht laut Döpper von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren.

Die Staatsanwaltschaft geht auch weiter dem Verdacht nach, dass bei dem Futterfett-Hersteller belastete Vorprodukte möglicherweise systematisch so lange verdünnt worden sein könnten, bis der Dioxin-Grenzwert von 0,75 Nanogramm erreicht war. "Wir müssen das erst noch prüfen", sagte Döpper.

Dabei tauschen sich die Itzehoer Staatsanwälte regelmäßig mit ihren Kollegen in Niedersachsen aus. In Bösel hatten Harles und Jentzsch ein nicht genehmigtes Rührwerk betrieben. Bei den dort sichergestellten Fettproben war der höchste Dioxingehalt festgestellt worden. Aus dem Uetersener Werk wurde ersten Erkenntnisse zufolge ein Produkt geliefert, das die Grenzwerte nicht oder nur knapp überschritten hat. Wie das Dioxin in die Fette gelangte, ist nach wie vor ungeklärt.

"Die Ermittlungen werden noch einige Wochen in Anspruch nehmen", erläuterte der Oberstaatsanwalt. Schließlich seien Geschäftsunterlagen von Harles und Jentzsch der vergangenen fünf Jahre auszuwerten. Äußerungen von Bundes- und Landespolitikern wie Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), die der Führungsebene von Harles und Jentzsch langjährige kriminelle Machenschaften unterstellten, will Döpper nicht kommentieren. "An Vorverurteilungen werde ich mich nicht beteiligen."

Konsequenzen aus dem aktuellen Skandal fordert Ernst Dieter Rossmann. Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Elmshorn will sich dafür einsetzen, dass die externen Kontrollen der Hersteller verstärkt werden. "Daran wird nach meiner Sicht der Dinge kein Weg vorbei führen", betonte Rossmann. Das System der Eigenkontrollen der Hersteller könne nur dann reibungslos funktionieren, wenn es vermehrte Kontrollen von außerhalb gebe. Dafür müsse die Zahl der Kontrolleure deutlich aufgestockt werden.

Rossmann und Hans-Peter Stahl, Mitglied der SPD-Kreistagsfraktion und Vorsitzender des Kreisausschusses für Gesundheit, haben sich gestern in der Kreisverwaltung über die aktuellen Auswirkung des Skandals auf Kreisebene informiert. Wie berichtet, sind die beiden Schweinemastbetriebe im Kreis, die belastetes Futtermittel erhalten und verarbeitet hatten, inzwischen wieder freigegeben worden.

"Wir haben auch gefragt, ob es nicht sinnvoller wäre, die jetzt beim Land angesiedelte Futtermittelkontrolle auf die Kreise zu verlagern, die ja für die Lebensmittelaufsicht zuständig sind", erläutert Stahl. Das hätten jedoch die Experten des Kreises Pinneberg als wenig sinnvoll bezeichnet, weil für die Futtermittelkontrolle Mitarbeiter mit Spezialkenntnissen erforderlich seien.

Rossmann: "Es darf auch kein Tabu sein, das Landeslabor personell besser auszustatten." Auf Bundesebene fordern die Sozialdemokraten, die länderübergreifende Kommunikation und das Krisenmanagement zu verbessern. Auch müssten die Verbraucher besser informiert werden, etwa über eine Informationsplattform im Internet. Mitarbeiter aus Betrieben, die Behörden über interne Missstände aufklären, müssten vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden. Und um die Opfer von derartigen Skandalen, etwa die schuldlosen Landwirte, besser zu entschädigen, müssten neue Haftungsregelungen geschaffen werden - wie etwa einen Branchenhaftungsfonds.