Die Typisierungsaktion für den an Leukämie erkrankten 20-Jährigen in Pinneberg war ein großer Erfolg. Die Organisatoren waren überrascht.

Pinneberg. Der Andrang war unglaublich. Bis zur nächsten Straßenecke standen die Menschen am Sonnabend vor der ev. freikirchlichen Gemeinde im Fahltskamp an, um Kevin Krüger zu helfen. Alle wollten ihr Blut für den an Leukämie erkrankten 20-Jährigen spenden, damit es typisiert werden konnte und möglicherweise für eine Stammzellen- oder Knochmarkentnahme in Frage kommt. Nach zwei Stunden hatten am Mittag schon 700 Menschen jeweils fünf Milliliter ihres Lebenssaftes gegeben. Eine Stunde später waren es 1000. Die Schlange riss bis zum Nachmittag nicht ab. Am Ende des Tages hatten 2676 Menschen Blut gespendet.

So viele Spender hatten die Organisatoren nicht erwartet

"Das sprengt alle Erwartungen. Es ist der Wahnsinn!", konnte es Kerstin Seyfert von den Regio-Kliniken kaum fassen, die diese Typisierungsaktion mit der Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) organisierten. 60 Mitarbeiter der Kliniken und 100 ehrenamtliche Helfer sorgten für einen reibungslosen Ablauf und dafür, dass die Wartezeiten nur bis zu 20 Minuten dauerten. Pinnebergs Bürgervorsteherin Natalina Boenigk war fast sprachlos über diese Welle der Hilfsbereitschaft: "Überwältigend ist noch zu wenig gesagt", sagte sie. "Wir rechneten vielleicht mit 1500 Menschen. Aber dass es so viele werden würden, hätten wir nicht im Traum gedacht. Ich habe Gänsehaut-Feeling!"

Aber die Menschen gaben nicht nur ihr Blut her. Viele beteiligten sich auch finanziell. 50 Euro koste die Untersuchung des Blutes, sagte Abdurrahim Sengül von der DKMS. 24 500 Euro spendeten die Menschen aus dem gesamten Kreis Pinneberg. Einer kam sogar aus Neustadt an der Ostsee. Nina Baur aus Pinneberg ließ sich nicht einmal von ihrem Geburtstag abhalten, der sich am Sonnabend zum 29. Mal jährte. "Ich helfe, weil es jeden treffen kann."

Auch Pinnebergs Bürgermeisterin Kristin Alheit ging mit gutem Beispiel voran. Wie alle anderen reihte sie sich in die Schlange ein und wartete geduldig, bis sie an die Reihe kam. Diese Hilfsaktion für den kranken Jungen aus Moorrege sei ein "guter Anlass für mich, den inneren Schweinehund zu überwinden", sagte die Verwaltungschefin der Kreisstadt. Ein Onkel sei mit 18 Jahren gestorben, erklärte Alheit eine persönliche Motivation. "Vielleicht würde er heute noch leben, wenn man ihm damals auch so geholfen hätte." Alheit kam mit dem Landtagsabgeordneten Bernd Schröder. Der durfte aber kein Blut mehr spenden, weil er bereits über 55 Jahre alt ist. Dafür brachte er Kuchen mit. "Ich bin ja selbst betroffen", sagte Schröder, der mit Lymphdrüsenkrebs zu kämpfen hatte.

Jeder Blutspender musste ein Formular mit seinen persönlichen Daten ausfüllen und unterschreiben. Darin erklärte er sich einverstanden, dass die Gewebemerkmale seines Bluts typisiert werden dürfen. Das endgültige Ja, sich auch einem der beiden Verfahren zur Stammzellen- oder Knochenmarkspende im Krankenhaus zu unterziehen, gaben sie damit noch nicht, betonte DKMS-Mitarbeiter Sengül. "Es ist kein Muss. Aber man zerstört Hoffnung, wenn man jetzt noch abspringt."

So wird sich in vier bis sechs Wochen zeigen, ob einer der 2676 Spender vom Sonnabend identische Blutmerkmale wie Kevin hat oder ob er einem anderen helfen könnte, der auf eine Transplantation angewiesen ist, um zu überleben. Die Blut-Typen von zwei Millionen Bundesbürgern sind in der Datenbank der DKMS in Ulm gespeichert. Die Wahrscheinlichkeit für einen Betroffenen, einen passenden Spender für sich zu finden, liegt bei 1:35 000.

Nur in Hamburg und Berlin ließen mehr Menschen ihr Blut typisieren

Fünf solcher Typisierungs-Aktionen wie die in Pinneberg organisiere die DKMS jedes Wochenende, sagte Nicole Heßmert. "Aber so große wie heute sind selten dabei", sagt sie anerkennend über die Hilfsbereitschaft der Pinneberger. Nur in Norderstedt 2008 für den Jungen Mathis, als es 2000 Blutspender waren, und 2009 für das Baby Helene, als in Berlin und Hamburg jeweils mehr als 5500 Menschen ihr Blut typisieren ließen, war es ähnlich erfolgreich.

Landrat Oliver Stolz, der alle 700 Mitarbeiter der Kreisverwaltung zum Mitmachen aufgerufen hatte - "Kevin braucht Ihre Hilfe, jeder einzelne zählt!" -, konnte sich kaum losreißen von dieser einmaligen Solidaritätsbekundung der Bürger des Kreises. "Ich bin ganz gefesselt, wie die Gemeinschaft funktioniert", sagte Stolz und lobte den hervorragenden Ablauf: "Die Aktion ist perfekt organisiert von den Regio-Kliniken." Typisieren brauchte sich der Landrat nicht. Sein Blut ist seit 2001 in der Datenbank registriert, seit er einem Aufruf folgte, auf diese Weise einer an Blutkrebs erkrankten Mitarbeiterin der Stadtverwaltung zu helfen.