Freiwilligendienst soll gestärkt werden. Verbände im Kreis Pinneberg sind in Sorge um die Zukunft ihrer Arbeit

Kreis Pinneberg. Tobias Ketelhut hat sich sehr auf den Zivildienst im Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe gefreut. Deshalb war es für den 23-Jährigen überhaupt kein Problem, seine Dienstzeit, die vom Gesetz auf ein halbes Jahr gekürzt worden ist, freiwillig auf das Doppelte zu verlängern. Wenn alles gut läuft, könnte er im Herbst seinen Nachfolger, der dann nur noch auf freiwilliger Basis ein ökologisches Jahr absolviert, einarbeiten.

So problemlos wie beim Naturschutzbund läuft der Abschied vom Zivildienst bei anderen Organisationen im Kreis Pinneberg nicht. Besonders in den Wohlfahrtsorganisationen machen sich die Verantwortlichen Sorgen, wie sie dringend notwendige Dienste künftig gewährleisten sollen, ohne sich finanziell zu überlasten.

"Wir haben schon heute zu wenig Zivis", klagt Hans-Peter Stahl, Geschäftsbereichsleiter bei der Arbeiterwohlfahrt Unterelbe. Um die Lücken zu füllen, richte die Awo verstärkt Stellen für geringfügig Beschäftigte ein. "Das hat für uns den Vorteil, dass wir längerfristiger planen können."

Aus Sicht des Awo-Sprechers wird der künftig ausgeweitete Freiwilligendienst die Arbeit der Zivis nicht ersetzen. "Wir haben schon jetzt Stellen für das freiwillige soziale Jahr eingerichtet. Doch die Nachfrage ist nicht sehr groß", berichtet Hans-Peter Stahl. Für ihn steht fest: "Ich habe die Zivis sehr geschätzt. Sie haben aus ihrer nichtprofessionellen Position ein Stück Normalität in unsere Einrichtungen gebracht."

Auch beim Deutschen Roten Kreuz im Kreis Pinneberg ist der Einsatz der Zivildienstleistenden seit einiger Zeit rückläufig. "In unseren stationären Einrichtungen für die Altenpflege haben wir sie gar nicht mehr eingesetzt", sagt Reinhold Kinle, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands. Durch die Verkürzung der Zivi-Zeiten auf jetzt ein halbes Jahr und die hohe Zahl an Lehrgängen seien bei einigen jungen Männern nur noch Einsatzzeiten von drei bis vier Monaten herausgekommen. Es sei von den Hauptamtlichen nicht mehr zu verlangen, die Hilfskräfte für so einen kurzen Zeitraum einzuarbeiten. Auch im Sinne der Betreuten sei es schwierig zu vermitteln, wenn so kurz hintereinander die Bezugspersonen wechseln. Deshalb sind beim DRK im Moment Zivis nur noch für den Hol- und Bringedienst sowie als Helfer in den Tagespflegestätten im Einsatz.

Ob der bundesweit verstärkte Freiwilligendienst künftig eine Entlastung bringt, mag der DRK-Geschäftsführer noch nicht kommentieren. "Wir wissen bislang nicht, wie die Einsätze reglementiert werden." Zudem gibt Kinle zu bedenken, dass ein sozial engagierter Realschüler nur eingeschränkt einsatzbereit sei. "Als 17-Jähriger hat er noch keinen Führerschein und kann so in bestimmten Diensten gar nicht beschäftigt werden", berichtet Reinhold Kinle. Der DRK-Chef wünscht sich, dass der Freiwilligendienst "sehr offen gestaltet wird". Kinles Ziel: "Wir benötigen Menschen, die den zunehmenden Bedarf in der Altenpflege abdecken." Daher sei es wichtig, viele junge Menschen in der Findungsphase für soziale Aufgaben zu begeistern.

Naturschutz-Zivi Tobias Ketelhut ist skeptisch, ob sich künftig genügend junge Menschen für den freiwilligen Hilfsdienst begeistern. "Vielen in meinem Bekanntenkreis ist es nur wichtig, Zivil- oder Bundeswehrzeit ganz schnell rumzukriegen. Jedes Jahr, das nicht zum Studium oder Beruf genutzt werden kann, ist für sie ein verschenktes Jahr."

Uwe Helbing, hauptamtlicher Schutzgebietsbetreuer in der Haseldorfer Marsch ist nicht ganz so pessimistisch. Sein Arbeitgeber, der Naturschutzbund, wertet den Ausbau des Freiwilligendienstes als Chance. "Denn künftig darf jeder unabhängig vom Alter und Geschlecht, einen Freiwilligendienst antreten. "Auch Arbeitslose und Rentner erhalten die Möglichkeit, sich zu engagieren, ohne in Konflikt mit Arbeitsagenturen und Sozialkassen zu geraten", erklärt Helbing.

Der Nabu will sich zudem als eigenständiger Träger des Freiwilligendienstes etablieren. Deshalb hat sich der Verband mit anderen Organisationen zusammengeschlossen, um ein Konzept zu entwickeln. Doch bislang ist die Kostenpauschale, um den Verwaltungsaufwand abzudecken, aus Sicht der Verbände noch zu gering. Offen ist, wie die Freiwilligen künftig beschult und auf ihre Einsätze vorbereitet werden. Das Bundesministerium will gern die staatlichen Zivildienstschulen erhalten.

Für den Nabu ist der Freiwilligendienst noch aus einem anderen Grund ein guter Ersatz. Der Dienst ist als Vollzeit-Tätigkeit festgelegt. So könnten die Freiwilligen verstärkt auch in Ganztagsschulen eingesetzt werden - diese Bildungsarbeit ist für Uwe Helbing und seine Mitstreiter immens wichtig.