Bei der Erkundung der Wulfsburg in Tangstedt finden Altertumsforscher Relikte fast aller Epochen von der Steinzeit bis zur Neuzeit.

Tangstedt/Rellingen. Seit fast drei Jahren ist eine Gruppe von Hobby-Archäologen dabei, auf einem privaten Waldstück nahe der Tangstedter Wulfsmühle nach den Überresten einer mittelalterlichen Burg zu graben. Und genauso lange wird der Ort des Geschehens wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Denn nichts fürchten die Altertumsforscher mehr als ungebetene Besucher, die ihre mühsam freigelegten Grabungsstellen verwüsten und sich über noch nicht geborgene Relikte aus vergangenen Epochen hermachen.

Doch mittlerweile ist die Erkundung des Areals um die sogenannte Wulfsburg so weit fortgeschritten, dass der Rellinger Grabungsleiter Peter Pries und sein engster Mitarbeiter, der Chemiker und Heimatkundler Hartmut Boller aus Tangstedt, den Schleier der Geheimhaltung ein wenig lüften. "Wir werden bald ausgewählten Gruppen Führungen anbieten, um die Grabungsstellen besichtigen zu können" sagt Peter Pries, der mit fast 71 Jahren kurz davor steht, sein im Ruhestand begonnenes Studium der Vor- und Frühgeschichte mit einer Magisterarbeit über den Eismann Ötzi zu krönen.

Zurück in alte Zeiten wird es auch gehen, wenn sich Teilnehmer an Volkshochschulkursen oder Schüler bald auf das Gelände der Wulfsburg vorwagen dürfen. Selbstverständlich nicht auf eigene Faust, sondern unter fachkundiger Begleitung: Pries, Boller, 69, und der sie unterstützende Biologe im Ruhestand, Lothar Dobkowitz, 76, stehen für Erläuterungen zur Verfügung. Langfristig denkt Pries daran, den jeweils vierten Grundschulklassen und ihren Lehrkräften aus Tangstedt und Rellingen den Ausflug in die Vergangenheit als Teil des Unterrichts zu ermöglichen.

Doch ein Besuch der von Wald umgebenen Grabungsstellen, knapp zwei Kilometer vom Wulfsmühlenteich entfernt, dürfte auch für andere Gäste interessant sein. Demnächst soll bei der Wulfsmühle ein Info-Kasten aufgestellt werden, der auch Kontaktdaten zu den Archäologen enthalten wird. Die Forscher sind der Eigentümerfamilie Druve dankbar für diese Unterstützung.

Längst sind bei den Ausgrabungen auch Artefakte (von Menschenhand geformte Fundstücke) ans Tageslicht befördert worden, deren Herkunft weit über jenen den Schauenburger Grafen zugeordneten Burghorst (14. Jahrhundert) hinausgeht. "Wir sind dabei, die Hinterlassenschaften der ersten Tangstedter auszubuddeln", sagt Hartmut Boller schmunzelnd, während er eine Schaufelladung Boden aus knapp einem halben Meter Tiefe vorsichtig auf ein Sieb über einer Schubkarre schüttet.

Beim Durchsieben bleiben winzige steinerne Absplitterungen von Werkzeugen, wie kleinen Beilen, primitiven Messern oder auch ganzen Pfeil- und Speerspitzen übrig. Laien würden diese Stücke kaum als Gruß aus der Vorzeit einordnen. Je tiefer die Freizeit-Archäologen ins Erdreich vordringen, desto weiter kommen sie in der Frühgeschichte voran. So ist es ihnen schon gelungen, Relikte einer Feuerstelle aus der mittleren Steinzeit (4000 bis 8000 vor Christi Geburt) freizulegen. Wegen der orangefarbenen Brandspuren an den Steinen bezeichnen Pries und Co. die Grabungsstelle als Orange Point.

"Damals gab es hier im weiten Flusstal der heutigen Pinnau-Niederung ein Jägerlager", beschreibt Lothar Dobkowitz die historische Szenerie. Eine Nomadenfamilie sei auf der Jagd nach Rothirschen, Rehen, Hasen und Fischen wohl vorübergehend dort sesshaft geworden. Zur Jagd verwendeten die Ur-Tangstedter Speere, die vom Einbaum aus auch auf Fische geschleudert wurden.

"Wir haben bislang Spuren aus fast allen geschichtlichen Epochen von der Steinzeit über die Eisenzeit bis zur Neuzeit gefunden", umreißt Peter Pries die historische Dimension der Entdeckungen. Lediglich die Bronzezeit sei bisher nicht nachzuweisen. Die mehr als 300 Artefakte, darunter, auch ein verkohlter Holzbalken aus der Zeit um 1720, werden penibel untersucht, mit Hilfe von Wissenschaftlern anhand von Brandspuren oder chemischer Altersbestimmung datiert und in Behältern wie Tuppergefäßen und Dosen aufbewahrt.

Für künftige Besucher der Grabungsstellen auf dem 100 mal 400 Meter großen Areal möchten Pries und seine Helfer die steinzeitliche Feuerstelle komplett rekonstruieren. Doch das ist erst der Anfang. Langfristig planen die Archäologen, einen hölzernen Turm aus dem Burgwall der Wulfsburg als Nachbildung aufzustellen.