Elmshorns Bürgermeisterin Brigitte Fronzek, erklärt, warum sie SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl werden will

Elmshorn. Die SPD sucht einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, die voraussichtlich im Herbst 2012 stattfindet. Vier Bewerber stellen sich dem Votum der Mitglieder. Neben Landeschef Ralf Stegner, dem Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig und dem eher unbekannten Matthias Stein aus Kiel wirft auch Elmshorns Bürgermeisterin Brigitte Fronzek ihren Hut in den Ring. Die Pinneberger Zeitung hat sie zu den Gründen ihrer Kandidatur befragt.

Pinneberger Zeitung:

Warum wollen Sie Ministerpräsidentin werden?

Brigitte Fronzek:

Ich meine, dass es Zeit ist für eine Politik, die andere Prioritäten setzt als Sparen. Nur sparen zu wollen, bringt überhaupt nichts. In der Wirtschaft wird auch kein Unternehmen saniert, in dem in allen Bereichen gespart wird.

War Ihre Kandidatur eher spontan?

Fronzek:

Nein, ich habe schon lange darüber nachgedacht. Da waren auch viele, die mir gesagt, du musst das versuchen. Ich habe ja auch gesehen, dass es in meiner Partei nicht gut läuft. Es fehlt der Mut zur Wahrheit und Klarheit.

Wo sehen Sie Ihre Prioritäten?

Fronzek:

Als Erstes ganz klar in der Bildung. Das ist für mich das Zukunftsthema und der Grund, warum ich mich zur Wahl stelle. Ich sehe hier in Elmshorn, was es bedeutet, wenn 15 bis 20 Prozent eines jeden Jahrgangs keinen Schulabschluss hinbekommen oder mit einem schlechten Abschluss die Schule verlassen. Die finden dann keinen Ausbildungsplatz, keinen Studienplatz und erst recht keine Arbeitsstelle. Auf der anderen Seite haben wir einen Fachkräftemangel. Und trotzdem müssen wir 20 Prozent eines jeden Jahrgangs mit Transferleistungen des Staates stützen. Das können wir uns auf Dauer nicht leisten.

Wie könnten Lösungsansätze aussehen?

Fronzek:

Wir müssen das Schulsystem so umbauen, das ausnahmslos alle Schüler einen Abschluss erreichen und befähigt werden, in Ausbildung, Arbeit und Studium zu wechseln. Das schaffen wir nicht, in dem wir immer neue Sparpakete im Bildungssystem schnüren. Bildung kostet Geld. Bildung ist aber auch Wirtschaftsförderung, auch Integration und auch Sozialpolitik. Wir brauchen eine begleitende Schulsozialarbeit, die sich mit den Problemen der Schüler beschäftigt und ihnen hilft, den Kopf für das Lernen freizukriegen. Was wir noch brauchen, ist eine Verlässlichkeit im Schulsystem, es darf nicht ständig zu Reformen kommen. Und eine Diskussion über Inhalte ist notwendig. Wir müssen festlegen, was Kinder wirklich können müssen, wenn sie die Schule verlassen. Wir brauchen kleinere Klassen und unbedingt mehr Ganztagsschulen. Der schulische Erfolg eines Kindes darf nicht davon abhängen, dass es jemanden hat, der Zuhause bei den Hausaufgaben hilft.

All das kostet Geld. Viel Geld.

Fronzek:

Das Land muss seine Einnahmen steigern. Viele Dinge dazu sind auf Bundesebene zu regeln. Ich spreche mich etwa für die Einführung einer Vermögenssteuer und die Anhebung des Spitzensteuersatzes aus. Wir können nicht immer zulasten derer sparen, die es am nötigsten brauchen. Die Reichen kommen auch so zurecht. Dann gibt es da noch die Erbschaftssteuer, deren Einnahmen allein dem Land zustehen. Außerdem bin ich dafür, weniger Geld für Verkehrsinfrastrukturprojekte auszugeben. Und eine Entbürokratisierung würde auch Gelder freimachen.

Was heißt für Sie Entbürokratisierung?

Fronzek:

Nehmen wir folgendes Beispiel. Eine Rentnerin fällt unter die Grundsicherung, der Staat bezahlt ihr Miete und Heizkosten. Wenn jetzt eine Heizkostennachzahlung beglichen werden soll, sind wir als Verwaltung gesetzlich verpflichtet, zu prüfen, ob die Frau nicht zu viel geheizt hat. Wir müssen dann die Gesamtheizkosten ermitteln, sie auf die Quadratmeterzahl herunterrechnen und uns an den Vermieter wenden, um den Durchschnittswert der Wohnanlage herauszufinden. Das kostet Zeit, bringt jedoch nur in den seltensten Fällen etwas ein. Ein zweites Beispiel. Wenn diese Rentnerin auch nur eine minimale Rentenerhöhung erhält, sind wir gezwungen, ihre gesamte Bedarfsrechnung neu zu fassen, weil sie ja unter die Grundsicherung fällt. Ich wäre dafür, die Grundsicherung als Pauschale auszuzahlen. Die Bezieher können davon dann Miete, Heizung und all die anderen Dinge bezahlen. Und der Staat könnte sich das ganze Nachrechnen sparen und sich wichtigeren Dingen zuwenden.

Und die wären?

Fronzek:

In erster Linie für eine bessere Bildung zu sorgen. Wenn ich hier in Elmshorn drei Stellen in der Grundsicherung sparen und die Mitarbeiter in die Schulsozialarbeit schicken könnte, wäre ich glücklich. Zu einer besseren Bildung gehört übrigens auch, das letzte Kindergartenjahr vor dem Schulbesuch wieder gebührenfrei zu machen. Und natürlich muss auch die Hochschulbildung erwähnt werden. Studiengänge und Fakultäten zu schließen, wie es die jetzige Regierung vorhatte, das würde es mit mir an der Spitze nicht geben.

Sie heben immer wieder das Thema Bildung hervor. Wirkt die Reduzierung auf dieses Thema nicht eindimensional?

Fronzek:

Das mag schon so wirken. Ich denke aber, dass eine Fokussierung auf ein zentrales Thema notwendig ist. Darüber hinaus habe ich natürlich noch andere wichtige Schwerpunktthemen benannt. Etwa die Natur- und Umweltpolitik. Ich bin für die Abschaltung der Kernkraftwerke und gegen den Bau von weiteren Kohlekraftwerken. Die unterirdische Kohlendioxidlagerung sollte sich dieses Land auch nicht antun. Schleswig-Holstein sollte auf den Ausbau von erneuerbaren Energien setzen und sich auf seine Stärken besinnen. Wir haben nicht nur Strand und Meer, sondern auch Kunst, Kultur und Theater. Den Tourismus und die Kultur zu stärken, sehe ich als weitere Schwerpunkte. Und natürlich ist die Situation der Kommunen verbesserungswürdig.

Zur Spitzenkandidatur ist es noch ein weiter Weg. Erst müssen Sie sich innerparteilich durchsetzen. Warum halten Sie sich für besser geeignet als ihre drei Konkurrenten?

Fronzek:

Ich stehe für eine ehrliche Politik. Eine, die soziale Aspekte mehr in den Vordergrund rückt und die Menschen mitnimmt. Ich erlebe täglich, welchen Zorn die Menschen auf die Politik entwickelt haben. Die sagen, dass die da oben sowieso machen, was sie wollen. Ich denke, dass die Zeiten, in denen man die Wähler im Unklaren lassen kann, vorbei sind. Mit Lügen und leeren Versprechungen gewinnt man keine Wahlen mehr. Ich habe in meiner langen Amtszeit als Bürgermeisterin von Elmshorn gezeigt, dass ich gemeinsam mit allen Parteien Ziele formulieren und sie auch bei wechselnden Mehrheiten durchsetzen kann.

Die erste innerparteiliche Veranstaltung findet in Pinneberg statt. Also für sie ein echtes Heimspiel.

Fronzek:

Na ja, örtlich gesehen ja. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass der Kreisvorstand der SPD eher Ralf Stegner favorisiert. Aber die Entscheidung treffen ja nicht die Kreisverbände, sondern die 20 000 Mitglieder. Sie muss ich überzeugen.

Wie ist Ihre Strategie für die 16 innerparteilichen Vorstellungsrunden?

Fronzek:

Ich versuche einfach, den Leuten klar zu machen, wofür ich stehe. Viele Mitglieder kennen mich, das ist ein Vorteil. Ich habe acht Jahre im Landesvorstand gesessen und lange Zeit aktiv Bildungsarbeit gemacht, das heißt Seminare für unsere Kommunalpolitiker gegeben.

Wie beurteilen Sie ihre Mitbewerber?

Fronzek:

Jeder der Kandidaten hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Die Mitglieder müssen jetzt entscheiden, wer besser zum Profil der Partei passt. Wenn ich nicht gewinnen sollte, dann ist das Demokratie. Groll empfinde ich dann nicht. Ich bin mir aber sicher, dass es viele Leute gibt, die mich unterstützen werden.

Welche Möglichkeiten haben Sie außer den Veranstaltungen, sich den Mitgliedern vorzustellen?

Fronzek:

Ich habe schon jede Menge Interviews für regionale Parteizeitungen gegeben. Außerdem werden alle vier Kandidaten zwei Mal im "Vorwärts" vorgestellt. Ich bin gerade dabei, eine Internetseite aufzubauen. Auf einen persönlichen Brief an alle Mitglieder werde ich aber wohl verzichten.

Die 16 Vorstellungstermine quer durchs Land bedeuten eine enorme Belastung. Beeinträchtigt das nicht Ihre Arbeit als Bürgermeisterin?

Fronzek:

Die 16 Termine finden fast alle am Wochenende statt. Das kollidiert nicht mit dienstlichen Terminen. Ich bin mir sicher, dass es meine Arbeit nicht beeinträchtigen wird. Bevor ich mich zur Kandidatur entschlossen habe, habe ich einige Personen gefragt, ob mein Schritt Elmshorn schaden oder nützen würde. Die einhellige Meinung war, dass es der Stadt eher nützt. Ich werde mich weiterhin mit voller Kraft für die Belange Elmshorns einsetzen.

Sollten Sie die parteiinterne Wahl gewinnen, würden Sie als Elmshornerin gegen den CDU-Kandidaten Christian von Boetticher aus Pinneberg antreten?

Fronzek:

Das ist schon richtig. Aber wenn das so kommen sollte, stehen nicht ich oder er im Vordergrund. Es wird um Inhalte gehen, nicht um eine Einheitssoße. Meine Partei und ich stehen für eine ganz andere Politik, für ganz andere Inhalte als Herr von Boetticher und die CDU.

Wie waren die Reaktionen auf ihre Kandidatur? Und was sagen die Elmshorner dazu?

Fronzek:

Ich habe viele begeisterte Stimmen aus meiner Partei gehört. Und auch sonst kam viel Zuspruch. Übrigens auch aus Elmshorn. Niemand würde es mir übel nehmen, wenn ich meine Amtszeit als Bürgermeisterin etwas früher beende. Viele haben gesagt, sie wünschen mir, dass ich das schaffe.