Handwerksmeister im Kreis Pinneberg beklagen mangelnde Ausbildungsreife bei den Schulabgängern

Kreis Pinneberg. Viele Jugendliche im Kreis Pinneberg suchen verzweifelt eine Lehrstelle - und viele Firmen Auszubildende. Wie passt das zusammen? Für das Handwerk liegt die Sache klar. "Es gibt nicht genügend qualifizierte Bewerber", sagt Ulrich Mietschke, Präsident des Verbandes Handwerk Schleswig-Holstein: "Die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger stellt viele Betriebe vor große Herausforderungen." Bewerber wissen nicht genug, und es fehlt an Engagement - viele Meister im Kreis Pinneberg können da nur zustimmen.

Wilfried Naumann, Inhaber eines Malereibetriebes in Wedel, ist genervt: "35 Jahre lang haben wir Jahr für Jahr neue Lehrlinge eingestellt - jetzt machen wir erst mal Pause, weil es zu frustrierend ist." Bei immer mehr Bewerbern stellt er schulische Defizite fest. "Beim Einmaleins gibt's oft schon Probleme, Flächen von Rechtecken oder Quadern auszurechnen, ist ganz heikel. Dreiecke sind für viele schon gar nicht mehr machbar - selbst, wenn die jungen Leute einen Hauptschulabschluss haben", sagt er. Mehr noch: "Die Einstellung zum Beruf ist oft katastrophal." Bei vielen Lehrlingen habe er festgestellt, "dass sie nicht mehr mitdenken." Viel könne man im Malerberuf schon allein durch das "Abgucken" beim Gesellen lernen - doch stattdessen wird nur auf Anweisung überhaupt ein Handschlag getan. Naumann: "Viele Auszubildende sind unheimlich phlegmatisch."

Ähnliche Erfahrungen hat Torsten Happe gemacht. Der Prokurist des Holmer Unternehmens für Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik sagt: "Die Leistungsunterschiede sind immens." Es gebe immer weniger leistungsstarke und immer mehr Bewerber, die sich auch trotz Sonderförderung des Arbeitsamtes schwer tun. "Das Grundproblem ist die Einstellung zum Beruf. Es fehlt an Interesse, Verständnis und Engagement.", sagt er. "Vielen steht schon morgens die Frage ins Gesicht geschrieben: Wann bin ich wieder zuhause?" Nicht nur die Lust an der Arbeit sei oft abhanden gekommen, sondern auch der Respekt gegenüber Kunden und Kollegen. "Natürlich herrscht im Unternehmen ein entspannterer Ton als früher. Leider haben viele Jugendliche das Gefühl dafür verloren, zu erkennen, wann Anweisungen unbedingt erfüllt werden müssten. Das Dienstleistungsempfinden ist abgängig", so Happe.

Schlechte schulische Leistungen gepaart mit überzogenem Anspruchsdenken hat Susan Rosemeier von der Firma Langbehn Elektrotechnik immer wieder entdeckt: "Bei der Auswahl neuer Auszubildender setzen wir einen Realschulabschluss mit mindestens einer drei in Mathe und Physik voraus. Aber die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen hält sich in Grenzen. 390 Euro pro Monat zum Beginn sind offenbar nicht attraktiv genug."

"Es fehlt der Biss", sagt Oliver Rickert, Maurermeister aus Heist und Chef von zehn Mitarbeitern. Jahrelang hatte er keine Auszubildenden, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hatte: "Die sind alle verwöhnt von Zuhause. Da fehlt der Wille zu lernen." Jetzt hat er mal wieder einen Versuch gestartet und den Sohn eines ehemaligen Bauherrn eingestellt. "Den Jungen kannte ich, so Rickert. Trotzdem hatte der Meister zum letzten Halbjahreszeugnis vor dem Hauptschulabschluss gefordert: Eine Zensur muss der Schnitt besser werden! Rickert: "Der Junge hat sich am Riemen gerissen und es geschafft. Der Bengel hat richtig Feuer, wie es in seinem Alter sein muss!"