Fraktionsübergreifender Wahlaufruf zur Rellinger Bürgermeisterwahl am 8. August

Rellingen. Mit einem ungewöhnlichen Schritt der parteiübergreifenden Solidarität wollen die Politiker der Rellinger Gemeindevertretung verhindern, dass die Bürgermeisterwahl am Sonntag, 8. August, wegen zu geringer Beteiligung zu einer Farce wird. In einem gemeinsamen Wahlaufruf der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP heißt es: "Wir bitten alle Rellinger Bürgerinnen und Bürger, von ihrem demokratischen Wahlrecht Gebrauch zu machen."

Wählen gehen, weil die Demokratie vom Mitmachen lebt

Wie berichtet, ist die Büroleitende Beamtin der Gemeindeverwaltung, Anja Radtke, einzige Bewerberin für die Nachfolge von Oliver Stolz, der seit dem 1. April Landrat des Kreises Pinneberg ist. Die 46-jährige Hauptamtsleiterin würde die Wahl auch mit wenigen Stimmen gewinnen, da es als extrem unwahrscheinlich gilt, dass auf den Stimmzetteln häufiger beim Nein als beim Ja das Kreuz gemacht wird. Doch im Wahlaufruf der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen heißt es: "Stärken Sie bitte durch ihre Wahl nicht nur die Position unserer neuen Bürgermeisterin, sondern auch die Demokratie, die vom Mitmachen lebt."

Radtkes Kandidatur wird - wie es im Wahlaufruf ausdrücklich heißt - von allen Fraktionen unterstützt. Demonstrativ kamen CDU-Chef Eckhard Schlesselmann, SPD-Fraktionsvorsitzender Helmut Tilgner, Grünen-Fraktionsmitglied Konrad Wolf und FDP-Fraktionschef Sven Schubert im Rathaus mit der Kandidatin zusammen, um ihren Wahlaufruf öffentlich zu machen. Anja Radtke dankte für die Unterstützung und sagte, dass sie als unabhängige parteilose Bewerberin eine gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen zum Ziel habe.

Das bisher vorherrschende Desinteresse dokumentierte sich unter anderem bei einer Jungwählerveranstaltung mit nur zwei Teilnehmern und der offiziellen Bewerbervorstellung mit nur vier "echten" Bürgern, die nicht Funktionsträger oder Verwaltungskollegen waren. Dessen ungeachtet setzt Anja Radtke ihre Aktionen und Hausbesuche unverdrossen fort. Lichtblick in der bisherigen Wahlkampfbilanz war eine Radtour mit mehr als 40 Teilnehmern. Die Politiker führen das geringe Interesse auch auf die Sommerferien und die Fußball-WM zurück.

Kandidatin erlebt eine erschreckende Unwissenheit bei den Bürgern

Bei den zahlreichen Hausbesuchen erlebte die Kandidatin teilweise eine erschreckende Unwissenheit der Wähler. So kam es vor, dass die Bewerberin gefragt wurde, was denn "unser Bürgermeister Oliver Stolz macht". In einem anderen Fall wollte ein Rellinger wissen, wer denn diese Frau Radtke sei. "Das bin ich", antwortete Anja Radtke wahrheitsgemäß. Auch um die Funktion des Bürgermeisteramts als Chefposten in der Rellinger Verwaltung gab es Missverständnisse. Sogar der Name des als Nachfolger von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust nominierten Christoph Ahlhaus wurde ins Spiel gebracht.

Angesichts solcher Erfahrungen hat Anja Radtke inzwischen Zweifel, ob sie ihr bisher angepeiltes Ziel einer Wahlbeteiligung von mindestens 30 Prozent erreichen wird. Eine hohe Wahlbeteiligung sieht die künftige Bürgermeisterin als Vertrauensbeweis der Bevölkerung für ihre künftige Aufgabe. Der letzte Solo-Bewerber Joachim Diercks kam 2002 auf eine Teilnehmerquote von 23,1 Prozent.

Vielleicht sorgt die Briefwahl für mehr Resonanz. Von den 11 643 wahlberechtigten Rellingern haben bisher 600 Briefwahlunterlagen beantragt und 332 verschlossene Stimmzettel abgegeben. Briefwahlunterlagen können mit der Wahlbenachrichtigungskarte, im Internet oder persönlich im Rathaus beantragt werden.

Bei Einzelbewerbern soll künftig der Gemeinderat entscheiden

Einig sind sich die Fraktionen mit der Kandidatin darin, nach der Wahl eine Initiative auf Landesebene zu starten, um bei künftig feststehenden Einzelbewerbern, die Bürgermeisterwahl von den Ratsfraktionen statt von den Bürgern durchführen zu lassen. Immerhin belaufen sich die Kosten für die Direktwahl bei der Gemeinde auf etwa 20 000 Euro.

Hundertprozentig fest steht schon der Amtsantrittstermin der künftigen Bürgermeisterin. Am Montag, 20. September, soll Anja Radtke vor der Gemeindevertretung vereidigt werden. Dann ist sie mit sofortiger Wirkung Verwaltungschefin im Rathaus. Anschließend wird ihr als Symbol ihres Amtes Bürgervorsteher Albert Hatje die silberne Bürgermeisterkette umhängen.

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