Nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts am 30. August wird eine Gesetzesänderung angestrebt, um Kosten zu reduzieren und Wahlgerechtigkeit herzustellen

Pinneberg.. Anstatt der in der Verfassung festgelegten 69 Abgeordneten sitzen im Kieler Landtag derzeit 95 Volksvertreter. Die dadurch entstehenden Mehrkosten für Diäten, Altersvorsorge und weitere Gelder, die den Fraktionen pro Abgeordnetem laut Gesetz zustehen, beziffert Monika Heinold, finanzpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, mit drei Millionen Euro pro Jahr. Für ein kleines, armes Bundesland wie Schleswig-Holstein sei das "inakzeptabel", sagte Heimann kürzlich bei einer Informationsveranstaltung in der Fußgängerzone von Pinneberg.

Die Regelung führt nach Ansicht der Grünen zur Regierung der Wahlverlierer

Gemeinsam mit dem finanzpolitischen Sprecher Thorsten Fürter und der Landtagsabgeordneten Ines Strehlau, warb sie für eine Gesetzesänderung, die in Zukunft das "Aufblähen" des Parlaments verhindern und Stimmgerechtigkeit schaffen soll. Das bisherige Landeswahlrecht sei beispielsweise bei der Regelung zu Überhangsmandaten nicht mit der Verfassung vereinbar.

Das Landesverfassungsgericht in Schleswig entscheidet am 30. August über einen Antrag auf Normenkontrolle, der von den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) eingereicht wurde.

Bei der Landtagswahl 2009 mussten 26 zusätzliche Mandate im Parlament vergeben werden, weil die CDU in 34 der 40 Wahlkreise ein Direktmandat erhalten hatte. Nach dem Zweitstimmenergebnis hätten den Christdemokraten jedoch nur 23 Mandate zugestanden. Ihnen hätten elf Ausgleichsmandate für alle anderen Parteien gegenüberstehen müssen, um einen fairen Ausgleich zu erreichen. Das Landeswahlrecht begrenzt jedoch die Zahl der zu vergebenden Ausgleichsmandate, so dass nur acht zusätzliche Sitze für die übrigen Parteien vergeben wurden. Diese Regelung beruht auf einer berechtigten Befürchtung: Die Gesetzesväter wollten verhindern, dass der Landtag in Weimarer Verhältnisse zurück fällt und ein Großparlament entsteht. Die Gefahr regierungsunfähig zu werden wäre dann groß. Problematisch ist jedoch, dass CDU und FDP dadurch eine Mehrheit im Landtag haben, die nicht mit dem Wählerwillen erklärt werden kann - für alle Oppositionsparteien gemeinsam waren nahezu 28 000 Stimmen mehr abgegeben worden. Grünenpolitiker Fürter bezeichnete das gültige Wahlrecht deshalb als "unzumutbar". Es führe zu einer "Aufblähung des Parlaments und einer Regierung der Wahlverlierer".

Entwurf zur Gesetzesänderung liegt seit September 2009 vor

Bereits Ende September 2009 - kurz nach der Wahl - hatte die Grünenfraktion einen Entwurf für eine Gesetzesänderung im Parlament vorgelegt. Nachdem die Regierung die Abstimmung über den Antrag immer wieder vertagt hatte, habe man sich entschieden einen Antrag beim Landesverfassungsgericht zu stellen. Es sei an der Zeit gewesen zu handeln, sagte Fürter. "Neuwahlen können in Schleswig-Holstein schneller kommen als man denkt".

Es sei unumstritten, "dass das gültige Wahlrecht einen Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit darstellt", sagte der Pinneberger Anwalt Dr. Wilhelm Mecklenburg, der Grüne und SSW vor dem Landesverfassungsgericht vertritt. Er rechnet deshalb damit, dass das Gericht die Regelung zu den Überhangsmandaten, die in Paragraf 3, Absatz 5 des Landeswahlrechts festgelegt ist, in Teilen als nicht mit der Verfassung vereinbar einstuft. Damit wäre die jetzige Zusammensetzung des Parlaments theoretisch nicht mehr rechtskräftig. Mecklenburg geht jedoch davon aus, dass die Richter "vorsichtig argumentieren" werden und mögliche Gesetzesänderungen erst zur nächsten Wahl von Bedeutung sein werden. "Rückwirkende Maßnahmen", seien unwahrscheinlich, sagte der Jurist.

Bei der SPD wolle man die Entscheidung des Verfassungsgerichtes abwarten und dann mit der Regierung sprechen. Die Wahlgesetzänderung sei ein Punkt des Koalitionsvertrages von Schwarz-Gelb und würde als solcher auch angegangen werden, sagte Bernd Schröder, Landtagsabgeordneter der SPD aus dem Wahlkreis Pinneberg. Man habe sich mit der Koalition bereits darüber verständigt, dass der "derzeitige Umgang mit Überhangsmandaten den Wählerinnen und Wählern nicht zuzumuten" sei.

Der Landtagsabgeordnete der CDU für den Wahlkreis Pinneberg-Nord, Peter Lehnert, will eine Diskussion über die Erststimme vermeiden. Sie habe ihre Berechtigung, da "Wähler das Bedürfnis haben, einen Ansprechpartner für ihr Gebiet zu ernennen".

Das Wahlgesetz bevorteilt grundsätzlich die großen Parteien

Das gültige Wahlgesetz bevorteile grundsätzlich große Parteien, so Lehnert. So wie die CDU bei der Landtagswahl von 2009 von ihren Überhangsmandaten profitiert hat, habe es etwa auch die SPD bei den Wahlen von 1992 und 2000 getan. Im Interesse aller sei es deshalb einen "sinnvollen Kompromiss" im Parlament zu finden. Von der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts erhofft sich Lehnert "gute Hinweise" für eine Lösung

In Kiel ist jetzt tagungsfreie Zeit. Die meisten Parlamentarier entspannen im Urlaub. Das erst vor zwei Jahren gegründete Landesverfassungsgericht in Schleswig wird zweifelsohne für einen aufregenderen Herbst sorgen.