Die Kreisverwaltung kündigt Verträge mit einer ganzen Reihe von Beratungsstellen. Die freien Träger und die Politik sind irritiert.

Kreis Pinneberg. Die freien Träger, die im Auftrag des Kreises Pinneberg sozialpädagogische Beratung in Erziehungs- und Familienfragen, Anti-Gewalt-Prävention und sexuellen Missbrauch machen, schlagen Alarm. Die Kreisverwaltung hat vorsorglich zum Jahresende die auslaufenden Förderverträge gekündigt, die sich sonst um ein Jahr verlängern würden. "Das hat erhebliche Unruhe in der sozialen Landschaft im Kreis Pinneberg ausgelöst", kritisiert Ingrid Kohlschmitt vom Verein Wendepunkt gegen sexuellen Missbrauch. Diese Unruhe sei Gift für den so sensiblen Bereich dieser Beratungsarbeit. "Es wird enorme Ressourcen kosten, das wieder zu kitten." Und auch die Politik ist irritiert. "Die Kreisverwaltung hat Murks gebaut", ärgert sich die FDP-Abgeordnete Sabine Werner. "Im Moment herrscht hier das totale Chaos." Auf der heutigen Sitzung des Jugendhilfeausschusses werde es "hoch hergehen", sagt die liberale Politikerin. Die Sitzung beginnt um 17 Uhr im Kreishaus in Elmshorn.

Hintergrund dieser Auseinandersetzung ist das Präventionskonzept des Kreises Pinneberg, das zum Jahresende ausläuft und jetzt im Juni neu beraten und beschlossen werden sollte. Doch der Zeitplan sei zu eng gestrickt gewesen und wurde auf August verschoben, berichtet Sabine Werner. Nun habe die Verwaltung plötzlich angekündigt, dass die einzelnen Bausteine der Beratung möglicherweise ausgeschrieben werden müssten. Zudem habe die Verwaltung die Förderverträge mit anderen Trägern wie dem Kreisjugendring, dem Wendepunkt, der Spieliothek sowie der Erziehungsberatung der Diakonie gleich mitgekündigt, die gar nicht Teil des Präventionskonzepts sind. Abgeordnete Sabine Werner fordert jetzt bis zur heutigen Sitzung Aufklärung darüber von Landrat Oliver Stolz.

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Das Präventionskonzept hatte der Kreistag Ende 2007 für fünf Jahre beschlossen, um mit Hilfe gezielter Konfliktberatung vorbeugend einzugreifen, um schwerwiegende soziale Probleme und kostspielige stationäre Hilfsmaßnahmen zu verhindern.

"Prävention statt Reparaturbetrieb, Vorbeugung statt stationärer Hilfe", lautete das Motto. Dazu zählten Familienberatung sowie Gewaltprävention an Schulen und Kindergärten. Das Budget umfasst 1,3 Millionen Euro im Jahr.

Erst bei einem Workshop im vergangenen Jahr habe die Verwaltung der Politik eröffnet, ob nicht auch die verbandliche Jugendarbeit, die Beratung von sexuellen Missbrauchsfällen und die Erziehungsberatung in das Präventionskonzept eingearbeitet werden sollten, erinnert sich Sabine Werner. Einen formellen Beschluss habe es dazu nicht gegeben. Deshalb sei es unverständlich, warum auch dem Kreisjugendring und dem Wendepunkt in diesem Zusammenhang gekündigt worden sei. "Die Verwaltung hat einfach gekündigt, ohne der Politik aufzuzeigen, wie es weitergehen soll. Das ist schlechter Stil gegenüber den betroffenen Trägern." Auch Ingrid Kohlschmitt ist entsetzt über die Art und Weise der Kündigung. "Wir sind seit 21 Jahren eine sehr anerkannte Beratungsstelle für Opfer von sexuellem Missbrauch. Das wird jetzt einfach so aufs Spiel gesetzt. Dieser Stil ist schwer nachzuvollziehen."

Mitarbeiter seien verunsichert, angemietete Räume müssten gekündigt werden, die gesamte Beratungsarbeit stünde auf dem Spiel, kritisiert auch Klaus-Ulrich Sembill von der Arbeiterwohlfahrt (Awo), die sich um schulische Gewaltprävention im Kreis kümmert. Zumal die Verwaltung plötzlich angekündigt hat, die Beratungsarbeit öffentlich ausschreiben zu müssen. Nun hingen alle in der Luft. "Wir wissen beispielsweise nicht, ob wir für das nach der Sommerpause beginnende neue Schuljahr projektbezogene Vereinbarungen mit den Schulen treffen können, ob begonnene Prozesse fortgesetzt oder abgebrochen, ob mühsam aufgebaute Kooperationsstrukturen gepflegt und aufrecht erhalten werde sollen oder ob die Beendigung angekündigt werden soll."

Kreissprecher Andreas Köhler rudert zurück. Es sei noch keinesfalls geklärt, ob tatsächlich diese Aufgaben ausgeschrieben werden müssten. "Das prüfen wir zurzeit. Es ist unsere klare Absicht, mit den bewährten Trägern weiterhin eng zusammenzuarbeiten."

Das betont auch Thorsten Fischer, SPD, der dem Jugendhilfeausschuss vorsitzt. "Unser Ziel ist es, das Präventionskonzept so fortzuführen wie es jetzt Bestand hat." Lediglich einige inhaltliche Details könnten verändert werden. "Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie." Etwas optimistischer können dagegen der Kreisjugendring (KJR) und die Awo-Schuldnerberatung sein. Der Vertrag mit der Schuldnerberatung soll zu gleichen Bedingungen um weitere drei Jahre verlängert werden, hat der Sozialausschuss des Kreistags beschlossen.

Und Ingo Waschkau vom KJR sieht die Kündigung des Kreises gelassen. "Das ist eine ähnliche Situation wie vor acht Jahren. Ich gehe fest davon aus, dass der Kreis auch weiterhin Kinder- und Jugendarbeit fördern will." Zumal dem Kreisjugendring gerade erst das Nutzungsrecht der Jugendbildungsstätte in Barmstedt um weitere 15 Jahre verlängert wurde.