Meine Firma: In der ersten Folge der Serie stellt das Abendblatt die 44 Jahre alte Firma Tempelmann Feinwerktechnik in Pinneberg vor.

Pinneberg. Als Hartmut Trampnau bei Tempelmann seine Lehre startete, hat ihm der Chef eine Kiste unter die Füße gestellt. So konnte Hartmut Trampnau die Drehmaschine bedienen. Ohne diese simple wie praktische Idee des damaligen Geschäftsführers und Firmengründers Helmut Tempelmann wäre dem nur eineinhalb Meter großen Jungen womöglich eine Berufskarriere als Feinwerkmechaniker nicht möglich geworden. Das war vor 44 Jahren. Heute spielt der Kleine von damals eine große Rolle bei der Tempelmann Feinwerktechnik in Pinneberg.

"Hartmut Trampnau ist aus der Firma gar nicht wegzudenken", darin sind sich Seniorchef Bernd Tempelmann, 69, und der jetzige Geschäftsführer Hardy Tempelmann, 38, vollkommen einig. Der inzwischen 59 Jahre alte Trampnau schloss übrigens seine Ausbildung im Herbst 1971 nicht nur um ein halbes Jahr verkürzt, sondern obendrein mit Bestnoten ab. Lehrverkürzungen waren zu dieser Zeit nicht an der Tagesordnung. Heute ist Trampnau in der Firma für die Qualitätssicherung zuständig und Leiter der technischen Ausbildung des Unternehmens. Mittlerweile arbeitet auch sein Sohn Simon, 30, seit gut einem Jahr als Angestellter in der Arbeitsvorbereitung.

In diesem Unternehmen scheint nahezu jeder Mitarbeiter eine besondere Geschichte zu haben. Und die Chefs kennen sie alle. Denn die meisten sind schon lange im Betrieb: Von den fünfzig Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sind viele durchschnittlich 18 Jahre hier beschäftigt. Manche, wie Rolf Topeit, sind schon 37 Jahre im Betrieb. So ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass die Chefs bei einem Betriebsrundgang rasch mal auf Sebastian Meier zugehen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Dass er und sein Kollege Maik Grabow in ihrer Freizeit aktive Fußballer sind, wissen sie natürlich auch ganz genau.

"Eigentlich wollte er nur Gartenarbeiten bei uns erledigen", erinnert sich Hardy Tempelmann an einen ganz außergewöhnlichen Fall: Der heute 32 Jahre alte Alex Paulsen hat sich vor zehn Jahren beworben. Er war Spätaussiedler aus Kasachstan. Das Überbetriebliche Ausbildungszentrum in Elmshorn hatte ihn empfohlen. Dem Firmenchef fiel schon nach kurzer Zeit die hohe Zuverlässigkeit und besondere Akkuratesse auf. Tempelmann: "Paulsen zog Zäune, die waren so was von gerade, das war einfach unglaublich."

Das Unternehmen erkannte mithin rasch die Fähigkeiten des Mannes, stellte ihn ein und bildete ihn als Feinwerkmechaniker aus. Auch er schaffte seine Ausbildung erfolgreich mit Verkürzung. Weiterführende Lehrgänge qualifizierten ihn derart, dass er heute Maschinen souverän bedienen kann, die den Wert eines Einfamilienhauses haben. Und neuerdings hat er einen ganz wichtigen Plan: "Ich mache in Abendschule meinen Meister", sagt Paulsen, "das wird zwar nicht leicht. Aber ich schaffe das." Vier Jahre wird das dauern, erzählt er.

Firmenleitung und Belegschaft erledigen ihre Aufgaben ganz augenscheinlich stets in der tiefen Überzeugung, dass es für jedes Problem auch eine technische Lösung gibt. Das wird sofort deutlich, wenn die Sprache auf die Produkte kommt, die Tempelmann national und international an Auftraggeber in mehr als fünfzehn Branchen liefert. Eine Kuriosität ist dabei ein Narkosegewehr. Erfunden hat es seinerzeit der Uetersener Unternehmer Hubertus Hatlapa vom Wildpark Eekholt. Für die heute weltweit in Zoos, Wildgehegen und Zirkussen eingesetzte Waffe fertigt Tempelmann seit nunmehr 40 Jahren unverändert wichtige Bauteile.

Von einer weiteren Besonderheit zeugt noch heute ein Foto am Eingang zum Konferenzraum des Unternehmens: In den 60-er Jahren entwickelte Tempelmann mit dem Pinneberger Tennistrainer Botho Treumann eine Maschine zur Bespannung von Tennisschlägern.

Das gab es damals nirgendwo. Schließlich belieferte das Pinneberger Unternehmen gemeinsam mit der Firma Dunlop fast zehn Jahre lang die Tenniszentren der Welt mit dieser Maschine. Angetrieben wurden die Tempelmanns dabei sicher von der eigenen Leidenschaft für den weißen Sport.

"Wir waren auch dabei", sagt Bernd Tempelmann, "als Christo und Jeanne-Claude 1995 den Reichstag verhüllt haben. Wir haben die Haken und Ösen geliefert, damit die Planen am Boden verzurrt werden konnten."

Selbst in einem James-Bond-Film spielte ein Tempelmann-Produkt eine Rolle: "Da haben wir eine Turboladerdüse beigesteuert."

Das Unternehmen kommt immer ins Spiel, wenn es spezielle Dreh-, Bohr- und Gewindeteile zu fertigen gilt. Dazu zählen etwa hochhitzebeständige Stiftschrauben für Audi, die selbst dann noch gehalten haben, als die Fahrzeuge beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans mit weißglühenden Motorblöcken dem Sieg entgegenjagten.

Für das ABS-System von Bosch liefern die Pinneberger ein Prüfgerät, das dafür sorgt, dass nur einwandfrei arbeitende ABS-Anlagen in die Fahrzeuge kommen. Dass dem Unternehmen eine optimal aus- und weitergebildete Belegschaft wichtig ist, liegt außer an der breiten Palette von Spezialprodukten auch an der Verantwortung im Umgang mit Material und Maschinen. Eine von Tempelmann gefertigte Schraube kann leicht mal ein paar Tausend Euro kosten. Verwendet werden extrem hochwertige Metalle wie Titan, Inconel und Nimonic.

Die Maschinen, die heute im Betrieb in der Flensburger Straße stehen, kosten bisweilen so viel wie ein Einfamilienhaus. Einige von ihnen vermessen sogar automatisch regelmäßig ihre eigenen Werkzeuge, um unerwünschte Fertigungstoleranzen auszuschließen.

Welche Bedeutung ein Tempelmann-Produkt haben kann, schildert Seniorchef Bernd Tempelmann pointiert so: "Manchmal läuft eine Maschine nur deshalb nicht, weil eine Spezialschraube von uns fehlt. Dabei kann die sogar einen vergleichsweise geringen Wert von vielleicht 120 Euro haben."

Lesen Sie am kommenden Dienstag in der nächsten Folge der Abendblatt-Serie "Meine Firma" alles über das Rellinger Unternehmen Gawron.