Horst Meyer, Leiter des Gymnasiums Schenefeld, geht in den Ruhestand. Eine Bilanz nach 16, von vielen Reformen geprägten Jahren.

Schenefeld. In Horst Meyers Traumschule umfasst eine Klasse maximal 25 Schüler und das Kollegium immer mindestens einen Lehrer mehr als laut Personalschlüssel vorgeschrieben. "Eigentlich muss eine gute Schule überversorgt sein, um kurzfristige Ausfälle von Lehrkräften durch Krankheit, Ausflüge oder Projekte flexibel abfedern zu können", sagt der Leiter des Gymnasiums Schenefeld. "Wir haben bei solchen Ausfällen zwar statistisch gesehen Anspruch auf Vertretung, aber oft stehen die Leute einfach nicht zur Verfügung." Der Oberstudiendirektor, der im Juni 63 Jahre alt wird, wünscht sich auch mehr Teilungsstunden, in denen zwei Lehrer pro Klasse intensiver mit den Schülern arbeiten, sie individueller fördern könnten. "Auch dafür braucht man mehr Menschen."

Speziell für seine Schenefelder Schützlinge erträumt sich Meyer mehr Aufenthaltsräume, damit sie ihre Freizeit außerhalb der Schulmauern sinnvoll gestalten können. Das Gymnasium platzt aus allen Nähten. Annähernd 800 Kinder und Jugendliche drücken hier die Schulbank. Als Meyer dort anfing, waren es 580. Und alle Pädagogen hätten in Meyers Traumschule modern ausgestattete Arbeitsplätze, mit eigenen Schreibtischen und Rechnern. "Durch die Einführung von G 8 und Nachmittagsunterricht verbringen die Lehrer ohnehin mehr Zeit in der Schule. Die könnten sie dann sinnvoller nutzen und ihre Zusammenarbeit noch besser koordinieren. Arbeit und Freizeit wären deutlicher getrennt." Erleben wird der verheiratete Wahl-Wedeler und Vater zweier erwachsener Kinder die Erfüllung dieser Wünsche wohl nicht mehr. Jedenfalls nicht in seiner aktiven Zeit als Schulchef. Denn nach 36 Jahren als Pädagoge mit der Fächerkombination Englisch und Wirtschaft/Politik geht er zum Ende des Schuljahrs in den Ruhestand.

Zeit für ihn, der nach Stationen am Eimsbütteler Bismarck-Gymnasium und dem Gymnasium Othmarschen seit dem 1. Februar 1996 an der Spitze des Schenefelder Gymnasiums steht, Bilanz zu ziehen. Denn in seiner Ära hat sich der Schulalltag enorm verändert. Statt eines Systems aus Grund- und Leistungskursen gibt es heute eine Profiloberstufe, in der die Schüler wieder in geschlossenen Klassenverbänden lernen. Politische Vorgaben aus Kiel wie etwa die Kontingenzstundentafel haben die Strukturen in Unter- und Mittelstufe verändert.

Auch er selbst hat einiges auf den Weg gebracht. Zu seinen "Lieblingskindern" gehören der Musikzweig - seit 2002 -, der Bilinguale Zweig, in dem seit 2005 besonders begabte Schüler ab Klasse sieben in Biologie oder Geschichte auf Englisch unterrichtet werden können, und das Fach Spanisch. Er führte Klassenfahrten bereits in Klasse fünf ein, damit die Neulinge sich besser kennenlernen können. Den Schenefelder Gymnasiasten stehen jetzt Austauschmöglichkeiten nicht nur mit Frankreich, sondern auch mit den USA und Spanien zur Verfügung. Eine Schulpartnerschaft mit Italien entwickelt sich gerade. "Wir kooperieren mit der TU Hamburg-Harburg und haben einen Kooperationsvertrag mit der Gemeinschaftsschule, vor allem, um den Übergang für Gemeinschaftsschüler in die gymnasiale Oberstufe zu glätten."

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Die augenfälligste und gesellschaftlich umstrittenste Veränderung aber betrifft G 8, die Verkürzung und Verdichtung der Schulzeit von neun auf acht Gymnasialjahre.

"Wir brauchen für einen längeren Zeitraum mal wieder ruhiges und stetiges Fahrwasser", sagt Meyer. "Das sind ja keine Reförmchen, sondern echte Bildungsreformen. Die Organisation von Schule hat sich verändert, es gibt ganz neue Schularten, und andere wie Haupt- und Realschule sind verschwunden." Die Arbeitsbelastung für Lehrer sei erheblich gestiegen, weil Schulprogramme, Curriculae und Konzepte mal eben "so nebenbei" geschrieben werden oder die Schulbücherei verwaltet werden müssten. Anders als früher gebe es dafür keine Verwaltungsstunden mehr. "Man muss mal Luft holen, etwas abwarten und dann gucken, was daran gut und was schlecht ist."

Wünscht Meyer sich die Vergangenheit zurück? "Nein, ich wünsche mit das alte System nicht zurück. Höchstens Teile davon. Zum Beispiel hatten die Oberstufenschüler früher eine größere Wahlfreiheit als heute." In G 9 habe man Themen großzügiger behandeln und vertiefen können. "Wir als Kollegium haben bedauert, dass das nicht mehr der Fall ist."

Andererseits erweise sich G 8 als weniger belastend als befürchtet. Zumal die Politik reagiert und beispielsweise Intensivierungsstunden eingeführt habe. In diesen Stunden vertiefen Lehrer den Stoff jeweils mit einer Hälfte der Klasse, während die andere frei hat. In der Woche darauf ist die andere Hälfte an der Reihe. "Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Es ist nicht sinnvoll zurückzurudern."

Vorteile des neuen Systems sieht Meyer in der Rückkehr zum Oberstufenunterricht in Klassenverbänden. Es biete den Schülern mehr Orientierung als das Kurssystem, fördere das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit der Schule. Auch dass Kernfächer wie Deutsch, Mathematik und Englisch verpflichtend bis zum Abitur unterrichtet werden, hält er für positiv.

Für die Zeit nach dem Abschied hat er noch keine Pläne. Mit Sicherheit werde er seine Hobbys Tennis und Ski pflegen, endlich den neuen Roman von Paul Auster lesen, der im Regal wartet. Und viel verreisen, um zu wandern oder Land und Leute kennenzulernen.

Ganz oben auf der Liste stehe die USA, sagt der Anglizist. Auch nach England wollen seine Frau und er wieder fahren, am liebsten im eigenen Wohnmobil. Und was empfiehlt er seinem Nachfolger? "Einen eher kooperativen Führungsstil und ein glückliches Händchen mit dem Kollegium", sagt Horst Meyer. Und Gelassenheit. "Die Dinge ernst nehmen, aber unaufgeregt entscheiden, erst mal eine Nacht drüber schlafen. Das habe ich auch erst lernen müssen, und es hilft."