Klagen gegen Planfeststellungsbeschluss abgewiesen. Pinnebergs Bürgermeisterin Alheit möchte 2013 mit dem Bau der Straße beginnen.

Pinneberg. Als in Pinneberg erstmals über eine westliche Umgehungsstraße gesprochen wurde, war Udo Fricke ein junger Mann. Jetzt ist er 76. Fricke wohnt an der Berliner Straße und kann es kaum noch erwarten, dass die Westumgehung gebaut wird: "Hoffentlich erlebe ich das noch." Die Chancen stehen gut: Am Donnerstagabend, kurz vor 22 Uhr, hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig alle Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Westumgehung abgewiesen.

Geht es nach Bürgermeisterin Kristin Alheit, die die Stadt bei der elfstündigen Marathonsitzung vertrat, könnte Anfang 2013 mit dem Bau der rund drei Kilometer langen Straße zwischen Mühlenstraße im Westen der Stadt und dem Autobahnanschluss Pinneberg-Nord begonnen werden. "Ein gutes Ergebnis für die Stadt, der Weg hat sich gelohnt", sagt die Verwaltungschefin.

Doch auch die Kläger fühlen sich nicht alle als Verlierer. Aus Sicht von Rechtsanwalt Wilhelm Mecklenburg, der die klagenden Firmen Rowa und Schwarzbeck sowie den BUND vertritt, ist das positive Urteil zum Bau der Westumgehung nur durch erhebliche Zugeständnisse der Stadt Pinneberg an die Kläger zustande gekommen. "Sie hätte nicht gewonnen, wenn sie diese Konzessionen nicht gemacht hätte. Ohne den Druck der Klage hätte sich die Stadt nicht bewegt."

Erst in der mündlichen Verhandlung sei die Stadt auf die Forderungen der Firma Schwarzbeck eingegangen, 43 Firmenparkplätze, die künftig wegfallen, an anderer Stelle auf öffentlichem Grund zu errichten und eine Zufahrt für überlange Sattelschlepper auf das Firmengelände in der Siemensstraße zu ermöglichen. "Im schriftlichen Verfahren hat die Stadt das ignoriert. Erst jetzt vor Gericht hat sie es zugesagt", sagt Mecklenburg.

Firmenchef Hans-Joachim Schwarzbeck: "Die Stadt ist jetzt auf meine Vorschläge eingegangen, die ich schon 1985 gemacht habe. Für mich ist jetzt der Fall erledigt." Er sagt: "Ich war nie gegen diese Straße, sondern musste die Interessen meines Betriebes wahren." Sein Sohn Joachim Schwarzbeck ergänzt: "25 Jahre lang hatten wir keine Planungssicherheit."

Läuft von jetzt an alles glatt, könnte die Straße ab Baubeginn innerhalb von drei bis vier Jahren fertig gestellt werden. Gemäß einem jüngst aktualisierten Förderantrag, der derzeit vom Land geprüft wird, hat die Stadt Baukosten von 23,04 Millionen Euro angesetzt. 75 Prozent davon hofft man vom Land zu bekommen. Die Kosten für den Grunderwerb betragen 2,51 Millionen.

Den Einwand der Gegenseite, die hoch verschuldete Kreisstadt könnte sich dieses Projekt gar nicht leisten, hat das Gericht abgelehnt. Mecklenburg: "Bei der Frage, ob Schule oder Straße wichtiger sind, hat das Gericht deutlich zugunsten der Straße entschieden."

Nach Angaben der Stadt würden in Zukunft 12 000 bis 14 000 Fahrzeuge am Tag die Westumgehung befahren. 80 Prozent davon sind als innerörtlichen Verkehr eingestuft. Vor Gericht war unter anderem darüber gesprochen worden, ob es sich tatsächlich um eine Gemeindestraße handele. "Es ist eine der Hauptfunktion der Straße, die Gewerbegebiete Am Hafen und an der Müßentwiete besser anzubinden", sagt Bauamtsleiter Klaus Stieghorst. Vor allem soll die Westumgehung die Straßen in der Innenstadt sowie die Elmshorner, Prisdorfer und Berliner Straße im Norden und die Mühlenstraße im Westen entlasten. Für die Mühlenstraße gehen die Verkehrsprognosen von einer täglichen Belastung mit bis zu 12 500 Fahrzeugen im Jahre 2025 aus. Kommt die Westumgehung, wären es demnach bis zu 4300 Autos weniger. Die Elmshorner Straße, die in zwölf Jahren bis zu 15 000 Fahrzeuge täglich aufnehmen muss, würde um 3700 Autos entlastet.

Udo Fricke lebt seit fast 50 Jahren an der Berliner Straße. "Wenn die Lkw hier durchfahren, versteht man auf dem Balkon sein eigenes Wort nicht mehr. Es ist kaum auszuhalten", sagt der 76-Jährige. Gerade der Lkw-Verkehr habe kontinuierlich zugenommen.

Die Mitglieder des Vereins "Pinneberger Westumgehung - Jetzt" hatten mehrere Tausend Unterschriften von Befürwortern der neuen Straße gesammelt. "Natürlich sind wir in guter Stimmung, das war vor Gericht eine spannende Geschichte", sagte am Freitag Kurt Zach vom Vorstand des Vereins. Das Geld vom Land für die Westumgehung sei eingeplant. Das jedenfalls habe ihnen in einem Gespräch Wirtschaftsminister und CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager bestätigt, so Zach. Ines Kitzing, Unternehmerin aus Rellingen und Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer zu Kiel (IHK) begrüßte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts: "Im Gesamtinteresse der Wirtschaft muss nun alles daran gesetzt werden, mit dem Bau der Westumgehung zügig zu beginnen."

Doch bis dahin muss die Einspruchsfrist von einem Monat nach schriftlicher Urteilsbegründung abgewartet werden, bis zu deren Verteilung noch einige Wochen vergehen können. Denn anders als die Firma Schwarzbeck ist die Firma Rowa nicht zufrieden mit dem Ergebnis, wie Marco Lange sagt. "Wir müssen sehr starke Einschränkungen für unseren Betriebsablauf hinnehmen." Die Geschäftsführung wolle sich jetzt aber nicht äußern. Damit ist offen, ob sie Berufung gegen das Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht einlegen wird. Das lässt auch der dritte Kläger, Wilhelm Flade-Krabbe vom BUND, offen. Er sagt: "Der Naturschutz bleibt auf der Strecke. Ich rate allen Bewohnern von Pinneberg-Nord, jetzt noch mal ihre Fenster zu öffnen und die Ruhe und gute Luft zu genießen. In einem Jahr werden sie ihren Stadtteil nicht wiedererkennen."