In der Haseldorfer Marsch steht die große Front gegen den Bau der Kraftwerke. Doch jenseits der Elbe sieht man die Situation ganz anders.

Haseldorf/Stade. Der Protest in der Haseldorfer Marsch gegen die beiden geplanten Kohlekraftwerke auf der anderen Elbseite bei Stade ist massiv. Die Bürgerinitiative Haseldorfer Marsch sieht sich als Sprachrohr von etwa 35 000 Menschen, die sich aufgrund der zu erwartenden Emissionen der in Hauptwindrichtung Südwest geplanten Schlote Sorgen um Gesundheit und Umwelt machen. Bürgermeister wie Bärbel Thiemann aus Neuendeich und Rolf Herrmann aus Haselau solidarisieren sich mit dem Protest - doch wie steht es um die Unterstützung aus der Kreis-Politik? Und wie stehen Politiker und Unternehmer aus dem Raum Stade zu den Kohlekraftwerken?

Neben dem Konzern E.on, der in Stade komplett auf Kohle setzt, will der Konzern Dow Chemical dort ein kombiniertes Kraftwerk bauen. Pressesprecher Joachim Sellner erläuterte im Gespräch mit dem Abendblatt die Pläne des Unternehmens. Dow müsse aufgrund des hohen Energiebedarfs und der Preisentwicklung auf dem Strommarkt ein eigenes kombiniertes Kraftwerk mit einer Leistung von 1000 Megawatt vorhalten, um den Standort und damit auch Arbeitsplätze zu sichern. Dow plane die Energieversorgung dreistufig: Kohlekraft soll künftig gut zwei Drittel übernehmen, Erdgas den Rest, inklusive Wasserstoff und Biomaterial. Die Effizient des kombinierten Kraftwerks werde noch erheblich erhöht, indem der produzierte Dampf ebenfalls verwendet werden könne.

Auf Kohle als Rohstoff könne leider aus wirtschaftlichen Gründen nicht verzichtet werden, sagt Sellner. Sie sei günstig und vor allem jederzeit verfügbar. Wer nur auf Erdgas setze, begebe sich in Abhängigkeiten. Die derzeit vor allem in den USA forcierte umstrittene Gewinnung von Schiefergas (Fracking), das in Flüssiggas umgewandelt wird, werde derzeit nicht als Alternative gesehen, sagt Sellner. Die Luftfilteranlagen des neuen Kraftwerks werden nach Angaben des Pressesprechers in jedem Falle "höchsten Standard" haben und die gültigen Grenzwerte "deutlich unterschreiten".

Der Zeitplan für das Dow-Kraftwerk: Ein gasbetriebener Dampferzeuger laufe bereits. Im Bau sei ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk, und im Sommer werden laut Sellner die Genehmigungsunterlagen für das Kohlekraftwerk eingereicht.

"Für uns ist ein Kohlekraftwerk akzeptabel", sagt Kai Holm, SPD-Fraktionschef in der Stader Ratsversammlung. "Das steht auch in unserem Wahlprogramm". Es ist kein Geheimnis, dass dieses Zugeständnis für den ohnehin festgeschriebenen Kraftwerksstandort von E.on gilt. Sollte bei Dow ein 800-Megawatt-Kohlekraftwerk entstehen, dürfte dies zumindest bei der SPD für Diskussionsstoff sorgen.

Holms Parteigenosse Thomas Hölck aus Haseldorf schiebt den schwarzen Peter zur CDU. "Den möglichen Bau neuer Kohlekraftwerke in Stade-Bützfleth hat die CDU-geführte Landesregierung in Niedersachsen allein zu verantworten", sagt Sozialdemokrat Hölck. Sollten im Einzelfall Großkraftwerke für die Energiewende noch notwendig sein, dürften diese nach Hölcks Auffassung nur noch als Gaskraftwerke mit integrierter Kraftwärmekopplung gebaut werden. Den Bau neuer Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein hält Hölck für falsch.

CDU-Landtagskandidatin Barbara Ostmeier spricht sich klar gegen neue Kohlekraftwerke aus. Als Hetlinger Bürgermeisterin habe sie die BI Haseldorfer Marsch wegen des geplanten Baus der Kohlekraftwerke mit begründet und versucht , alle Bürgermeister der Region mit ins Boot zu holen. Vor dem Hintergrund der Energiewende mache es keinen Sinn, neue Kohlekraftwerke zu bauen. Fakt sei, dass von schleswig-holsteinischer Seite aus rein rechtlich keine der Landtags-Fraktionen in die Planungen eingreifen könne. Die Entscheidungshoheit in diesen Fällen liege in Niedersachsen.

Es sei jedoch wichtig, den politischen Druck gegen den Bau der umweltschädlichen Kohlekraftwerke zu erhöhen, was sie auch im Landtag immer getan habe. Ostmeier: "Kohle ist kein gangbarer Weg mehr."

Das sagt auch Helmuth Kruse (Grüne) aus Moorrege, ebenfalls Mitbegründer BI. "Wir befürworten den Protest." Für FDP-Kandidatin Birgit Klampe aus Pinneberg ist Energiegewinnung aus Kohle eine "Übergangstechnologie".

Worte, die die Mitglieder der Bürgerinitiative Haseldorf gern hören. Das Thema Kohlekraftwerke dürfte auf der öffentlichen Abendblatt-Diskussion im Wahlkreis Pinneberg-Elbmarschen mit den Themen Elbvertiefung, Energiewende und Tourismus am Donnerstag, 19. April, in Wedel im Schulauer Fährhaus (19 Uhr) sicher noch einmal für Gesprächsstoff sorgen.